Sportmoderator Breyer über Hopp-Doku: „Fast alle wussten Bescheid“

ZDF-Moderator Jochen Breyer spricht über seine Doku zu Dietmar Hopp, ein denkwürdiges Fußballspiel und warum er den Konflikt nun anders wahrnimmt.

Fußballfans hatlen Transparent mit der Aufschrift "Hurensohn" hoch

Hassfigur: Dietmar Hopp gilt in der deutschen Fanszene als Symbol für den Investorenfußball Foto: Matthias Koch/imago

taz: Warum dieser Film zu dieser Zeit? Pandemiebedingt sind das Spiel in Sinsheim und die Schmähungen von Dietmar Hopp durch Fans des FC Bayern eigentlich in Vergessenheit geraten.

Jochen Breyer: Das stimmt, aber der Konflikt ist nicht gelöst. Es finden bis heute noch Gerichtsprozesse gegen Fans statt, die bei den Schmähaktionen gegen Dietmar Hopp letztes Jahr dabei waren. Die Geschichte geht also weiter. Das war die eine Motivation, diese Doku zu drehen. Die andere war das Interview mit Hopp im „Aktuellen Sportstudio“ vor einem Jahr. Damals gab es aus den Fanszenen Kritik, wir hätten das Thema nicht ausgewogen behandelt. Und sie hatten recht. Das war damals nicht gut von uns, das war nicht gut von mir.

Kritisiert wurde, dass lediglich Statements von Hopp gesendet wurden, zu denen nicht einmal Nachfragen gestattet waren. Sie haben sich im Nachhinein also in Ihrer journalistischen Ehre verletzt gefühlt?

Die Kritik hat sehr an mir genagt, ja. Ich habe mich ein paar Tage nach der Sendung mit Vertretern der Ultraszene getroffen, um mir ihre Version anzuhören. Was sie mir erzählt haben, fand ich sehr interessant, und so ist die Idee entstanden, diese Doku zu drehen, in der wir all die Hintergründe aufarbeiten und in der beide Seiten ihre Sicht der Dinge ausführlich schildern.

Können Sie das konkreter machen, was interessant war?

Ein Beispiel: Dietmar Hopp hat in dem „Sportstudio“-Interview erklärt, er sei bereit, zu vergessen. Fast zeitgleich gingen aber bei vielen Fans Strafbefehle ein, die wegen der Beleidigungen beim Spiel gegen Hoffenheim angezeigt worden waren.

Was hat Sie denn während des Drehs überrascht?

Einiges. Dass es etwa innerhalb des DFB einen großen Streit über den Umgang mit den Ul­tras zwischen den beiden mächtigsten Funktionären gab, dem damaligen Präsidenten Reinhard Grindel und seinem Vize Rainer Koch. Deren Verhältnis ist laut Grindel an dieser Frage zerbrochen. Was mich am meisten überrascht hat: Dass vor dem Spiel in Sinsheim offenbar fast alle Bescheid wussten, was passieren würde, die TSG Hoffenheim, der FC Bayern und der DFB.

38, ist Fernsehmoderator und Journalist. Im Dezember 2013 moderierte Breyer erstmals das „aktuelle Sportstudio“ im ZDF.

Ein wirklich bemerkenswerter Moment der Doku. Selbst der Sky-Moderator wusste zuvor Bescheid. Was denken Sie im Nachhinein darüber? Sind wir alle Opfer einer Inszenierung geworden?

Opfer ist mir ein zu großes Wort. Und man darf nicht vergessen, dass am Anfang des Ganzen ja immer noch die Schmähungen der Fans standen. Aber dass die Reaktionen der Verantwortlichen offenbar auch geplant waren und dass dabei an der einen oder anderen Stelle überzogen wurde, das veränderte meinen Blick auf ­diesen Tag und diesen Konflikt.

Ihnen ist es gelungen, dass sich die sonst öffentlichkeitsscheuen Ultras vor die Kamera gesetzt haben. Dietmar Hopp und die TSG Hoffenheim haben sich jedoch verweigert. Warum?

Die Ultras dazu zu bekommen mitzumachen, war tatsächlich nicht einfach. Wir haben uns viele Male getroffen und kon­trovers diskutiert, über neun Monate hinweg, bis sie schließlich zugesagt haben. Und zu Dietmar Hopp: Man sagte uns auf unsere Anfrage hin, dass er aktuell keine Interviews gibt. Mehr weiß ich nicht.

Der Konflikt ist komplex. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Debatten um Hopp und die Ultras meist nur an der Oberfläche kratzen?

Gute Frage. Wahrscheinlich weil die Sache auf den ersten, flüchtigen Blick klar erscheint: Hier der soziale Wohltäter, dort die Chaoten in der Kurve, die ihn aufs Übelste beleidigen und Faden­kreuz-Plakate hochhalten. Erst wenn man sich tiefer­gehend mit dem Thema auseinandersetzt, merkt man, dass das alles komplizierter ist.

Ereignis: Am 29. Februar 2020 wurde die Bundesliga-Partie zwischen der TSG Hoffenheim und dem FC Bayern wegen massiver Beleidigungen gegen Dietmar Hopp zweimal unterbrochen. Bayern-Fans hielten wiederholt Schmähplakate in die Höhe.

Premiere: Erstmals kam bei der Unterbrechung des Spiels der Dreistufenplan des Deutschen Fußball-Bunds zur Anwendung, der für Diskriminierungen aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, ethnischer Herkunft oder sexueller Identität eingeführt wurde.

Empörung: Viele Funktionsträger des Fußballs reagierten entsetzt auf die Ereignisse. DFB-Präsident Fritz Keller sagte: „Ich glaube, wir sind an einem Tiefpunkt angekommen.“ Die Ultras des FC Bayern begründeten ihren Protest damit, dass der DFB eine Kollektivstrafe für Hopp-Beleidigungen über die Fans von Borussia Dortmund verhängt hatte, obwohl der Verband zuvor versprochen hatte, von solchen Strafen abzusehen.

Die Doku: Die Autoren Jochen Breyer und Jürn Kruse sind in ihrem Film „Der Prozess: Wie Dietmar Hopp zur Hassfigur der Ultras wurde“ den Ursachen des Konflikts auf den Grund gegangen. Die Dokumentation wird am Samstag um 23.30 Uhr im ZDF ausgestrahlt.

Das ist eigentlich die Aufgabe von Journalisten, mit beiden Seiten zu sprechen. Uli Hoeneß hat Ihnen aber genau das in der Doku zum Vorwurf gemacht. Sie würden es sich damit zu einfach machen, Sie sollten sich stattdessen auf die Seite des Opfers Hopp stellen. Das macht journalistische Arbeit nicht unbedingt einfacher, wenn Protagonisten, mit denen man in Kontakt bleiben möchte, eine Voreingenommenheit erwarten?

Das mag hin und wieder so sein, aber bei Uli Hoeneß sehe ich diese Gefahr überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, ich glaube, er schätzt es, Streit­gespräche zu führen. Ich hatte schon einige mit ihm, und der Kontakt zu ihm ist ­dadurch eher besser geworden als schlechter.

Der Film wird am Samstag eine halbe Stunde vor Mitternacht ausgestrahlt. Warum ist es denn so schwer, mit kritischer Sportberichterstattung attraktivere Sendeplätze zu ergattern?

Das sehe ich anders. Dass die Doku auf dem „Sportstudio“-Sendeplatz ausgestrahlt wird, als erste „Sportstudio“-Doku überhaupt, finde ich super. Und für alle, die um die Uhrzeit schon schlafen: Der Film ist schon früher am Abend in der Mediathek abrufbar.

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