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Coronakrise und HausarbeitNicht wertgeschätzt

Manche langweilen sich in der Isolation. Unsere Autorin putzt. Und sieht in der Coronakrise einen Anlass, Hausarbeit neu zu bewerten.

Fußt der Kapitalismus nicht gerade auf dem unbezahlten Putzen und Ficken? Foto: Ralf Hirschberger/dpa

D er Name Fatma bedeutet ins Deutsche übersetzt Putzfrau. Das lernte ich im Alter von acht Jahren vom Nachbarsjungen Jonas. Ich erinnere mich, wie ich heulend nach Hause rannte, meine Mutter zur Rede stellte und sie mich nüchtern ansah: „Aber was ist schlimm daran, eine Putzfrau zu sein?“

Seit ich in der Selbstisolation hocke, glaube ich die Antwort zu kennen. Denn ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich langweilen oder Gitarre spielen lernen. Stattdessen fallen mir ständig Ecken in meiner Wohnung auf, die ich seit Jahren nicht mehr gepflegt habe. Ich poliere Türen, klopfe Teppiche aus, putze Fenster. Und das Problem ist, es hört nicht auf.

Ständig taucht ein Ordner auf, der neu sortiert, eine Pflanze, die umgetopft, ein Schrank, der entrümpelt werden muss. Und da dazwischen ja noch geschlafen, gegessen, Lohnarbeit erledigt und das Selbst sowie die Mitmenschen gepflegt werden müssen, entstehen neue Flecken, neues Geschirr, neue Wäscheberge. Ein Ende ist nicht in Sicht. Hausarbeit ist ein Vollzeit-Knochenjob.

Gerade deshalb ist es so verwundernd, wie wenig Anerkennung jene bekommen, an die diese Arbeit traditionell delegiert wird: Reinigungskräfte, Haushälter_innen, oft migrantisiert, fast immer feminisiert. Die Abwertung der Putzfrau, die sogar der kleine Jonas verinnerlicht hatte, liegt ja nicht nur daran, dass putzen angeblich jede_r kann (außer Jonas’ Alt-68er-Eltern, by the way. Ich sag nur Toilette des Grauens). Sondern auch daran, dass die Arbeit niemals gerecht, ja oftmals gar nicht entlohnt wird.

Vermeintlich unproduktiv

Eine Arbeit, die kein Produkt hervorbringt. Und deshalb selbst von Karl Marx himself null Wertschätzung erhielt. Aber fußt der von ihm kritisierte Kapitalismus nicht gerade auf dem unbezahlten Putzen und Ficken?

Feministische Theoretiker_innen wie Silvia Federici thematisieren diesen Widerspruch seit vielen Jahren. Doch bleibt mir nicht einmal die Zeit, diese Schriften aufzuschlagen. Denn in dem Moment, in dem ich ans Bücherregal trete, fange ich damit an, es abzustauben. Und muss an die Studie denken, die die Uni Brüssel vor wenigen Jahren veröffentlichte, derzufolge Menschen, die regelmäßig putzen, früher sterben.

Wer also arbeitet, um die Umgebung sauber und keimfrei zu halten, riskiert regelrecht sein Leben? Trotzdem wird sich das nicht auf die Rente auswirken.

Ist die Coronakrise vielleicht der passende Augenblick, um Reproduktionsarbeit neu zu bewerten? Das bedingungslose Grundeinkommen könnte Abhilfe leisten. Das Schöne daran: Es ist nicht einmal an heteronormative Familienkonzepte (Erziehungsgeld) gebunden. Man könnte nach dem Putztunnel auf das Sofa sacken. Und trotz Kreuzschmerzen und schrumpeligen Händen ein Buch lesen. Stattdessen beginnt danach erst die „richtige“ Arbeit. Jene, die entlohnt wird. Jene, die auch Jonas und Karl Arbeit nennen.

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Fatma Aydemir
Redakteurin
ehem. Redakteurin im Ressort taz2/Medien. Autorin der Romane "Ellbogen" (Hanser, 2017) und "Dschinns" (Hanser, 2022). Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Delfi" und des Essaybands "Eure Heimat ist unser Albtraum" (Ullstein, 2019).
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10 Kommentare

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  • Die vielen Haushaltshilfen werden sicher gerade von ihren Auftraggebern vermisst. Nun haben diese Zeit, sich um ihre Angelegenheiten selbst zu kümmern.

  • Zitat: "Eine Arbeit, die kein Produkt hervorbringt. Und deshalb selbst von Karl Marx himself null Wertschätzung erhielt. Aber fußt der von ihm kritisierte Kapitalismus nicht gerade auf dem unbezahlten Putzen und Ficken?"



    Unbezahltes Putzen und Ficken? Soll das ein verspäteter Aprilscherz sein? Soll ich mir jedes geputzte Fenster und jeden Sex jetzt von meiner Partnerin bezahlen lassen? Oder von wem?

    • @Adam Weishaupt:

      Wussten Sie nicht, dass Frauen grundsätzlich nur Sex haben, weil sie vom Patriarchat dazu genötigt werden? Und dass alles, was Ihre Frau scheinbar freiwillig für Sie macht, eigentlich Emotions- und Sorgearbeit ist und von Ihnen bezahlt werden müsste?

      • @Thomas Friedrich:

        Alles klar.

  • Wie kommt die gesamte deutsche Medienwelt eigentlich darauf, dass die Leute sich langweilen? Habt ihr alle keine Kinder zu betreuen? Die meisten Menschen müssen auch in Corona-Zeiten ihren Lebensunterhalt verdienen.

  • Der Volksmund sagt Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit und ich denke das trifft auch in diesem Fall zu. Kinder kennen keine politische Korrektheit und geben die Wahrheiten, die sie erkannt haben, oft ungefiltert wieder. Diese rücksichtslose Ehrlichkeit sozialisieren wir den Kindern mit der Zeit ab, weil niemand gerne ungefilterte Wahrheiten über seine Unzulänglichkeiten hört.

    Putzfrau zu sein ist in der tat nicht schlimm, genauso wie es nicht schlimm ist Kassiererin, Fießbandarbeiter oder Taxifahrer zu sein. Es ist aber eben auch nichts außergewöhnliches, was einem viel Achtung oder ein hohes Ansehen einbringt und das ist mit dem Wunsch nach Anerkennung, der auch bereits in Kindern schlummert, kaum zu vereinbaren.



    Vermutlich kommt die geringe Wertschätzung dieser und vieler anderer Berufe und Tätigkeiten primär daher das man davon ausgeht diese Tätigkeiten mit etwas Übung selber auch ausüben zu können.

  • Ist das ein Schreibfehler: "... unbezahltes Putzen und Ficken"? Ich würde ja auf Flicken tippen. Falls doch die Handlung Ficken gemeint ist, wäre ich etwas verwundert, diese als Hausarbeit betitelt zu sehen.

    • @Hampelstielz:

      Ich glaube fast, dass das ernst gemeint ist.

      • @Hansen:

        Wenn das so ist, bildet das ein weiteres Beispiel für ein grundsätzlich sexistisches Mindset einer Taz-Autorin. Auch die Behauptung, dass der Großteil der Reinigungskräfte weiblich sind, stimmt nicht. Fassadenreiniger sind ausschließlich männlich, in der Gebäudereinigung befinden wir uns bei 50/50. Haltestellen, Bahnhöfe, Busse und Züge werden auch fast ausschließlich von Männern gereinigt. Die Entlohnung ist erbärmlich. Wie in vielen Berufsfeldern, die fast nur von Männern ausgeübt werden. Kein Anlaß zur Solidarität natürlich. Sind ja Männer, immer selbst Schuld und Teil des Patriarchats. Die Autorin hat, als priviligierte Person sicher nie in einem der von ihr aufgeführten Berufsfelder gearbeitet.

      • @Hansen:

        Sie meint es mit Sicherheit Ernst. PartnerInnen sollen sich gegenseitig für Hausarbeit und Sex entlohnen. Kapitalismus at its best.Ich hoffe allerdings, dass sie dann wenigstens nicht zu den Prostitutionsgegnerinnen gehört.