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Ein Virunga-Ranger guckt aus dem Auto Foto: Alexis Huguet

Militarisierter Naturschutz in AfrikaDeutsche Gelder außer Kontrolle

Artenschutz ist teuer. Für Nationalparks in Afrika werden immer kreativere Finanzierungen entwickelt. Einige davon sind dubios.

S imon Counsell ist ist nicht besonders gut auf die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu sprechen. In seinen 23 Jahren als Direktor der britischen Rainforest Foundation hatte er wiederholt mit der Bank zu tun, die für die Abwicklung der meisten Zahlungen deutscher Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit, auch im Naturschutzsektor, verantwortlich ist. „Es ist meistens sehr schwer nachzuvollziehen, wie viel Geld in welchen Projekte für genau welche Dinge ausgegeben wird. Es gibt da einen sehr ernsten Mangel an Transparenz.“

Counsell geht davon aus, dass ohne parlamentarische Nachfragen wie die von der Bundestagsabgeordneten Eva-Maria Schreiber (Linke) noch viel weniger über die genauen Geldflüsse zugunsten des Naturschutzes in Afrika bekannt wäre. Für Counsell und andere Aktive hat die Transparenz in der Entwicklungshilfe unter anderem deshalb einen so hohen Stellenwert, um Verantwortlichkeiten auch in Europa ausmachen zu können für die unzähligen Menschenrechtsverstöße von Wildhütern gegen die lokale Bevölkerung im Umfeld der afrikanischen Schutzgebiete.

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Tatsächlich beantwortet die KfW nur ungern Anfragen, weder journalistische noch parlamentarische. Im Zweifelsfall beruft man sich gern auf das Bankgeheimnis. Auch das Transparenzportal der KfW im Netz hält nur sehr basale Informationen zur Verwendung der Fördersummen bereit. Dort wie auch beim üblicherweise bewilligenden Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fehlen außerdem praktisch durchgehend Angaben zum Ablauf der geförderten Projekte. Nachvollziehbare Erfolgskontrolle bleibt so auf der Strecke – und das bei Summen im vielfachen Millionenbereich.

Mittlerweile ist die Bundesrepublik weltweit führend in der Finanzierung von Schutzgebieten. Das BMZ gibt an, mit seinem Budget mittlerweile Schutzgebiete im Umfang der vierfachen Fläche Deutschlands zu finanzieren. Aktuell fördert allein die KfW 636 Naturschutzgebiete in 54 Ländern mit einer Gesamtfläche von knapp 1,5 Millionen Quadratkilometern. „Das ist mehr als die Fläche Deutschlands, Frankreichs und Spaniens zusammen genommen“, heißt es auf ihrer Internetseite.

Die meisten dieser Schutzgebiete liegen in Afrika mit dem besonderen Fokus auf das Kongobecken: Deutschland finanziert in der DR Kongo über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die KfW die Naturschutzmaßnahmen der kongolesischen Naturschutzbehörde Institut Congolais pour la Conservation de la Nature (ICCN). Darin mit inbegriffen ist auch der Kahuzi-Biéga-Nationalpark in der krisengeplagten Provinz Süd-Kivu im Ostkongo. Im Auftrag des BMZ leitet der WWF Deutschland mit dem ICCN den Salonga-Nationalpark im Westen der DR Kongo mit einer Fläche so groß wie Belgien, berühmt für seine Bonobo-Affen-Population. Dafür wurden seit 2016 rund 5,4 Millionen Euro ausgegeben.

Holzkohle zum Überleben

Acht Pygmäen stehen vor einem Militärgericht in der Demokratischen Republik Kongo. Sie sollen 400 Hektar Wald im Kahuzi-Biéga-Nationalpark gerodet haben. In ihrem Dorf hält man die Vorwürfe für übertrieben und klagt über brutale Repressionen durch Parkwächter und Militär.

Offiziell hat die Bundesregierung 2016 zwar alle Zusammenarbeit mit Kongos Regierung eingestellt, nachdem die anstehenden Wahlen verschleppt wurden, doch auf unterer Ebene läuft die Zusammenarbeit weiter. In Berlin geben die Verantwortlichen im BMZ im Hintergrundgespräch zu, dass dies nicht ganz „unproblematisch“ sei, doch die deutschen Gelder seien für den Erhalt der Gorillas lebensnotwendig, lautet das schlagende Argument. Seit Jahrzehnten finanziert Deutschland Kongos Nationalparks so über alle Kriege und Korruptionsvorwürfe hinweg weiter. Derzeit beläuft sich das Engagement der Bundesregierung für Biodiversität und Waldbewirtschaftung in der DR Kongo auf 24 Millionen Euro.

Biodiversität in Afrika macht zwar nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil der Ausgaben für Entwicklungshilfe aus, ist aber definitiv ein Wachstumsmarkt, wenn man auf die Entwicklung der europäischen und deutschen Ausgaben auf diesem Gebiet schaut. Laut den Zahlen der Europäischen Kommission und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die etwas großzügiger als BMZ und KfW mit der Bereitstellung von Daten sind, vervierfachte sich zwischen 2007 und 2019 die Summe der Förderungen für Projekte, die das Siegel Biodiversität tragen: zuletzt auf mehr als 160 Millionen Euro jährlich. Mehr als 100 Millionen Euro davon kommen direkt aus Deutschland und verteilen sich auf etwa 800 Einzelposten. Der Anstieg des deutschen Engagements ist dabei noch viel drastischer als im europäischen Vergleich. Während sich die deutsche Entwicklungshilfe in Afrika zwischen 2007 und 2018 auf gut vier Milliarden Euro jährlich verdoppelte, versiebenfachte sich der Anteil des für Biodiversität ausgeschütteten Topfes.

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Die meisten der Gelder sind zunächst sehr spezifischen Einzelprojekten zugegangen, darunter fallen die Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen, Büromaterialien, die Unterstützung lokaler Selbstorganisation und vor allem sehr viele Forschungsvorhaben. Die Hälfte der Posten erreicht einen Umfang von jeweils bis zu 150.000 Euro, ein Großteil deutlich weniger. Lediglich ein Fünftel der geförderten Projekte erhielt Summen von mehr als einer Million Euro. Das BMZ besteht darauf, dass keine Waffen oder militärisches Gerät von den Geldern bezahlt würden, Gehälter-Prämien für bewaffnete Wildhüter aber gehören zum förderungswürdigen Paket.

Diese Prämien sind als Aufstockung auf das mickrige Staatsgehalt gedacht, werden aber nach Leistungen ausbezahlt. Sprich: Wer mehr patrouilliert und mehr Erfolge aufweist, bekommt mehr Prämie. Da gilt auch für die Verhaftung von mutmaßlichen Wilderern – was letztlich dazu führt, dass mehr Verhaftungen und Operationen gegen Wilderei unternommen werden. Zumindest mittelbar beteiligt sich Deutschland also an der Militarisierung im Naturschutz.

Eine Informationstafel am Kahuzi-Biéga-Park weist unter anderem die deutsche Förderung aus Foto: Alexis Huguet

Hedgefonds für den Artenschutz

Der größte Einzelposten aus dem vergangenen Jahrzehnt ist die Auszahlung von 25 Millionen Euro mit dem Überweisungszweck „Gestion durable des forêts dans le Bassin du Congo, FTNS“. Die Abkürzung FTNS steht dabei für „Treuhandfonds für den trinationalen Sangha-Park“. Es handelt sich dabei um einen Treuhandfonds, der Renditen aus Investitionen am Kapitalmarkt in Naturschutzprojekte investiert. Das Einsatzgebiet umfasst das Schutzgebiet Dzangha Sangha in der Zentralafrikanischen Republik, den Nationalpark Nouabalé Ndoki in der Republik Kongo sowie den Nationalpark Lobéké in der Republik Kamerun.

Der 2000 gegründete FTNS steht beispielhaft für einen noch relativ jungen Trend in der Finanzierung von Naturschutzprojekten. Als erstes noch immer aktives Projekt dieser Art gilt der 1992 in Kooperation zwischen Bhutan, dem WWF und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen gegründete Bhutan Trust Fund for Environmental Conservation (BTFEC).

Zunächst vor allem aus den USA und von der Weltbank befördert, interessierte die Idee schließlich auch das BMZ und die KfW-Bank. Schließlich versprach das Konzept eine mögliche Lösung des Problems langfristiger und nachhaltiger Finanzierung der Schutzgebiete. Die fortgesetzte regelmäßige Alimentierung des Naturschutzes auf dem afrikanischen Kontinent aus dem Entwicklungshilfebudget bindet schließlich große Summen. Alternativen wie die Finanzierung durch Safari-Tourismus funktionieren nur für einige wenige Parks und auch das selten in voller Höhe der entstehenden Kosten. In Botswana geht man inzwischen so weit, Lizenzen für die Großwildjagd verkaufen zu wollen, Simbabwe setzt auf Private-public-Partnerships zur Finanzierung der Parks.

Der Charme der Idee aber, statt permanent einzelner Projektförderungen einmalig Basiskapital zur Verfügung zu stellen, scheint KfW und BMZ besonders überzeugt zu haben. Seit 2007 sind aus der für Biodiversität in Afrika vorgehaltenen Summe mehr als 230 Millionen Euro in Treuhandfonds geflossen.

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18 dieser Fonds haben sich 2011 in einem Konsortium zusammengeschlossen. Darunter sind der FTNS und auch der erst seit 2019 aktive Okapi-Fonds, der zugunsten der Parks Kahuzi-Biéga und Garamba in der Demokratischen Republik Kongo operieren soll. Die erste Kapitalspritze für den Okapifonds setzte die Weltbank mit 9 Millionen Euro, das BMZ ließ über die KfW 15 Millionen Euro überweisen.

Ein Gorilla im Kahuzi-Biéga-Nationalpark Foto: Simone Schlindwein

Die Treuhandfonds werden in der Regel von einem Aufsichtsgremium kontrolliert, das sich aus Vertretern der Parks, der betroffenen Länder und der Geberparteien zusammensetzt. Im Falle deutscher Kofinanzierung ist das üblicherweise ein Vertreter der KfW. Manager des Okapi-Fonds ist im Kongo Jean Mbuyu, heute Universitätsprofessor für Jura in Kinshasa, bis Ende 2018 jedoch Berater des damaligen Präsidenten Joseph Kabila, dessen Regime für Korruption und Misswirtschaft bekannt war. Die KfW sagt dazu: „Basierend auf einem Medien- und Listenscreening (u. a. im einschlägigen Riskcenter) liegen uns keine Negativeinträge oder Informationen über eine etwaige Involvierung in strafbare Handlungen zu Herrn Mbuyu vor.“

Das Investmentportfolio bleibt für Journalisten ein Geheimnis. In welche Art Hedgefonds unter welchen Nachhaltigkeitskriterien da investiert wird – das ist für interessierte Bürger oder Journalisten, die wissen wollen, welche Wege diese Gelder nehmen, nicht nachvollziehbar. Bei konkreten Anfragen mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz beruft sich die KfW auf das Bankgeheimnis als privatrechtliche Person. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 2019 wird jedoch klargestellt, dass die KfW-Bankengruppe eine Behörde und damit verpflichtet ist, Zugang zu ihren Informationen zu gewähren.

Die öffentliche Kontrolle über die Verwendung der gegebenenfalls erwirtschafteten Gewinne entfällt. Counsell von RFUK nennt dieses Verfahren „eine Art umgekehrter Geldwäsche“. Schließlich würden Mittel, die einer ohnehin nur mäßig rigiden öffentlicher Kontrolle unterliegen, so in noch undurchsichtigere Kanäle umgeleitet.

Koloniales Erbe im Naturschutz

Viele der heute noch aktiven Schutzgebiete sind bereits während der Zeit der Kolonialreiche gegründet worden, nicht selten als Jagdreservate für die Besatzer aus Europa. Die dort ansässige Bevölkerung wurde einfach vertrieben. Der Naturschutzgedanke nahm erst mit der Dekolonialisierung so richtig Fahrt auf, wiederum inspiriert von den alten Kolonialherren. Dieses ambivalente Erbe wirkt bis heute fort und wird von vielen als Geburtsfehler des Nationalparksystems und als Grund für aktuelle Konflikte und Widersprüche angesehen.

FTNS und Okapi-Fonds sind aus steuerlichen Gründen als wohltätige Organisationen in Großbritannien registriert, was immerhin eine gewisse Transparenz erzwingt. Beide Fonds sind unter derselben Adresse im Herzen Londons zu finden, nur einen Steinwurf von der St.-Pauls-Kathedrale entfernt in einem unauffälligen Bürogebäude. Von dort aus wird mit Millionensummen an internationalen Finanzmärkten spekuliert. Geld, das als Entwicklungshilfe deklariert ist und von dem eigentlich erwartet werden dürfte, dass es direkt in Artenschutzprojekte fließt.

Anfang der Nullerjahre rechneten die Verfechter des Modells mit den Treuhandfonds noch mit jährlichen Renditen von etwa 10 Prozent. Nach der Finanzkrise ist diese Erwartung inzwischen auf durchschnittliche 4 Prozent korrigiert. Zum Erreichen dieses Ziels beschäftigen die Fonds Finanzberatungsfirmen. FTNS arbeitet dabei mit dem französischen Unternehmen Indosuez Wealth Management zusammen, der Okapi-Fonds mit dem britischen Finanzberater Smith & Williams. Beide Firmen waren 2016 im Zuge des Skandals um die sogenannten Panama Papers im Visier von Steuerfahndern.

Die Idee, dass der Artenschutz in Afrika kein dauerhaftes Zuschussgeschäft sein soll, ist derweil nicht gar so neu. Schon in der Kolonialzeit wurden afrikanische Jagdreservate vor allem als Einkommenswelle für die europäischen Verwaltungen angesehen. Im Vordergrund stand damals Artenschutz lediglich als Mittel zum Zweck einer nachhaltigen Bewirtschaftung, weniger eines altruistischen Naturschutzideals.

Ganz außer acht gelassen wurden damals wie auch heute die Interessen der vor Ort lebenden Menschen. Die Erfahrung mit rücksichtslosen Parkrangern, die teils jahrhundertealte Landrechte von Indigenen im Umfeld der Parks missachteten, sind es denn auch, was Simon Counsell und Rainforest in den vergangenen Jahren besonders beschäftigte: „Es geht doch darum, die Menschen, die in den Wäldern leben, ins Zentrum der Naturschutzbemühungen zu stellen, um deren Traditionen für effektiven Naturschutz nutzen zu können.“

Entwicklungshilfe gegen Wilderei

Von den Geldgebern erwartet Counsell eine klare Verpflichtung, gegen die immer wieder berichteten Menschenrechtsverstöße rund um die afrikanischen Nationalparks vorzugehen. Die zunehmende Militarisierung im Naturschutz beobachtet er mit Sorge. Das Problem ließe sich jedoch nicht kurzfristig zum Beispiel mit dem kompletten Einfrieren von Entwicklungsgeldern beheben: „Da gibt es jetzt eine große Zahl Ecoguards, 12.000 bis 15.000 vielleicht. Das sind schlecht ausgebildete, aber schwer bewaffnete junge Männer. Einfach aufzuhören, die zu bezahlen, würde sehr ernste neue Probleme schaffen.“

Eine Demobilisierung könne deshalb nur langfristig und gemeinsam mit den Organisationen vor Ort und den internationalen Geldgebern angegangen werden. Die müssten allerdings aufhören, Probleme zu ignorieren und für den Anfang transparenter mit den Geldern für Entwicklungshilfe umgehen, als es zum Beispiel die KfW bislang tut.

Militarisierung im Naturschutz

Drohnen, Hochsicherheitszäune, Biometrie: Zur Sicherung und Überwachung von Nationalparks wird immer mehr auf hochmoderne Technik gesetzt. Während am Boden häufig noch schlecht ausgerüstete Ranger patrouillieren, testen Behörden und Parkleitungen teure Technik, vorgeblich um Wilderei, organisierte Kriminalität und sogar den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.

Auffallend in der Gesamtübersicht der aus Deutschland geförderten Projekte ist entgegen der nötigen Demilitarisierung aber die zunehmende Konzentrierung der deutschen Vorhaben auf gegebenenfalls brachiale Maßnahmen der Wildereibekämpfung. Das BMZ hat 2018 die Wildereibekämpfung in ihren „Marshallplan mit Afrika“ aufgenommen und rund 190 Millionen Euro dafür weltweit vorgesehen; davon fließen 142 Millionen Euro nach Afrika. Ein Großteil geht in die sogenannte Kapazitätsbildung afrikanischer Parkbehörden, also Ausbildung und Ausrüstung der Wildhüter, aber auch in den Ausbau der Strafverfolgungsmaßnahmen.

Allein für Namibia wurden 15 Millionen Euro für die Ausbildung und Ausrüstung der Anti-Wilderei-Truppen ausgegeben. Gemeinsam mit dem BMU hat das BMZ für den Zeitraum 2017 bis 2021 die „Partnerschaft gegen Wilderei und illegalen Wildtierhandel in Afrika und Asien“ aufgesetzt und rund 15 Millionen Euro dafür bereitgestellt. Mehr als 200 Mitarbeiter von Polizei, Zoll und Justiz aus über 20 Ländern in Afrika und Asien werden geschult, um verdächtige Sendungen zu identifizieren und Ermittlungen gegen Schmuggler aufzunehmen und so die Handelswege des Elfenbeins zu zerschlagen. Als Entwicklungshilfe vorgesehene Gelder fließen so in die Ausbildung von Strafverfolgungsbehörden.

Elefanten im Virunga-Nationalpark Foto: Alexis Huguet

Private Spenden für den Artenschutz

Zu den staatlichen Geldern hinzu kommen Milliarden Euro privater Spenden für den Artenschutz an weltweit agierende NGOs; unter anderem an den WWF oder die ZGF. Medienwirksam stellen sie ständig neue Kampagnen auf, die privates Geld akquirieren, um Pandas, Tiger, Elefanten oder Gorillas zu retten. In der deutschen Spendenstatistik liegt Tierschutz auf Platz zwei, direkt nach der humanitären Hilfe.

Einige Parks und NGOs wie der WWF entwickelten jüngst Finanzierungsideen über direkte Kundenbindung: Tierfreunde können sich beispielsweise auf der Facebook-Seite der ugandischen Wildtierschutzbehörde Uganda Wildlife Authority (UWA) per Mausklick mit einem ugandischen Gorilla für 90 Cent befreunden und erhalten regelmäßig Status-Updates.

Auf der Internetseite des kongolesischen Virunga-Nationalparks kann man sich unter der Kategorie Spenden den Zweck aussuchen: 7 Euro für Gummistiefel für einen Ranger, 45 Euro zur Unterstützung einer Frau und ihrer Kinder eines verstorbenen Parkrangers, 137 Euro für zweiwöchige Verpflegung eines Waisengorillas, 275 Euro für eine Stunde Rundflug, um Wilderer aus der Luft aufzustöbern, oder 458 Euro für eine eintägige, „taktische“, also militärische, Elefantenschutz-Operation. Auf der WWF-Homepage kann man per Kreditkarte sogar die Ausbildung eines Rangers /einer Rangerin finanzieren, sprich: Selbst Privatleute können nun dabei helfen, die Wildhüter militärisch fit zu machen.

Rundflug über den Virunga-Park. Holzkohlerohdungen verursachen den Rauch Foto: Alexis Huguet

Der lange Weg zum Geschäftsmodell

Ein einziger Mensch – zugegebenermaßen ein sehr wohlhabender – könnte buchstäblich die Lösung für die Herausforderungen eines ganzen Kontinents darstellen“, kommentierte Peter Fearnhead, Geschäftsführer der African Parks, eine Studie über den Finanzierungsbedarf und kommt zum Fazit: „Das macht Hoffnung.“

Fearnhead meinte mit diesem „einzigen Menschen“ seinen guten Freund, den niederländisch-britischen Milliardär Paul Fentener van Vlissingen. Bei seinem Tod 2006 galt er als einer der reichsten Europäer. Seine niederländische Familie war im 19. Jahrhundert mit einem Schifffahrtsunternehmen wohlhabend geworden. Der bekannte Klimaaktivist und Tierliebhaber unterhielt in den 1990er Jahren in Schottland ein Modell-Wildtierschutzgebiet und ging in Afrika auf Großwildjagd.

Sein größter Coup gelang ihm 1998 in Südafrika, wo er in den 1980er Jahren einen Großteil seines Kapitals in Unternehmen investiert hatte, die das Apartheidregime unterstützten. Als Nelson Mandela und der ANC an die Macht kamen, musste van Vlissingen seine Anlagemodelle ändern und wendete sich dem Naturschutz zu. Die Nationalparks befanden sich in einem miserablen Zustand, die Regierung war pleite. Die Frage stand im Raum, ob die Parks überhaupt zu erhalten seien.

Mandela erklärte van Vlissingen bei einem Treffen 1998, dass die sozialen Bedürfnisse der Menschen wichtiger seien als der Artenschutz. Daraufhin schlug van Vlissingen dem Präsidenten vor: „Der Staat könnte Expertise, Wissenschaftler und Tiere von anderen Parks und Ländern beschaffen, während ich die Verwaltung und den Willen mitbringe, es zu realisieren.“ Mandela willigte ein. „Ich strebe nicht nach Wohlstand, sondern ich will etwas Gutes für den Planeten und die Menschheit tun“, erklärte van Vlissingen sein Engagement.

Es war die Geburtsstunde von African Parks, dem größten, quasi privatwirtschaftlich verwalteten Naturschutzunternehmen auf dem Kontinent. Das im Jahr 2000 in Johannesburg gegründete, gemeinnützige Unternehmen ging aus van Vlissingens Firma African Parks Management and Finance Company hervor, die er damals zur Stiftung umstrukturierte und dieses Modell auf dem ganzen Kontinent vermarktet.

Mittlerweile verwaltet African Parks 16 Naturschutzgebiete in zehn Ländern als Public-private-Partnerships mit einer Gesamtfläche von über 10 Millionen Hektar. Bis 2020 will African Parks 20 Nationalparks auf dem Kontinent verwalten: „African Parks hat ein klares Geschäftsmodell“, heißt es auf der Internetseite, mit einem „starken Fokus auf wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung in den umliegenden Gemeinden, um sicherzugehen, dass der Park langfristig ökologisch, sozial und finanziell nachhaltig ist“.

Das Projekt

Naturschutz muss wehrhaft werden. Dieses Paradigma, geboren aus dem Kampf gegen Wilderei und illegalen Handel mit Tieren, hat besonders auf dem afrikanischen Kontinent dramatische Folgen. Immer wieder gibt es Zusammenstöße zwischen lokaler Bevölkerung und schwer be­waffneten Rangern. Menschenrechtsgruppen sprechen von systematischen Repressionen. Naturschützer und Geldgeber, darunter deutsche Behörden, tun die Exzesse als bedauerliche Einzelfälle ab. Mehr unter taz.de/GrüneArmee

Dieses taz-Rechercheprojekt will das Bild über die Militarisierung des Naturschutzes vervollständigen – über Vorortrecherchen und die Untersuchung der Geldflüsse im internationalen Artenschutz.

Gefördert vom Netzwerk Recherche, der Olin gGmbH und mit dem Kartographen-Stipendium des Vereins „Fleiß und Mut“.

Die Tür für private Geschäfte und internationale Entwicklungsgelder im Naturschutz steht so weit offen, da den Regierungen der meisten afrikanischen Staaten Bereitschaft oder Kapazitäten fehlen, Geld in den Erhalt der Biodiversität zu stecken. Steuereinnahmen decken oft genug nicht einmal die Ausgaben für Gesundheit und Bildung, investiert wird ohnehin lieber in Verteidigung und Sicherheit.

Zugänge zu internationalen Fördergeldern oder Kredite gibt es vor allem für große Infrastrukturprojekte wie Straßen, Eisenbahnverbindungen, Ölförderung oder Staudämme – Projekte, die zum Teil in Konkurrenz mit Natur- und Artenschutzgebieten stehen. So berichtete die Weltbank im Haushaltsjahr 2012, dass die Regierung der Demokratischen Republik Kongo für ihre Naturschutzbehörde ICCN rund 916.000 Euro vorgesehen habe. Letztlich seien jedoch nur rund 16.000 Euro ausbezahlt worden.

Der Unterhalt von Schutzgebieten ist unbestreitbar extrem kostspielig. Eine 2018 veröffentlichte Untersuchung kalkulierte das Defizit für Schutzgebiete in Afrika auf bis zu 1,8 Milliarden Euro – pro Jahr. Die Ergebnisse aus 23 verschiedenen Ländern Afrikas zeigen, dass rund 90 Prozent der Parks mit einem Budget operieren, das gerade einmal 20 Prozent der Mittel beträgt, die benötigt werden, um den Naturschutz effektiv zu gestalten. Pro Quadratmeter werden jährlich zwischen 350 und 700 Euro benötigt, zur Verfügung stehen allerdings nur 70 Euro, so der Bericht. Dies führe zu einem Aussterben geschützter Tiere aufgrund fehlender finanzieller Mittel.

Im Spannungsfeld zwischen den Interessen des Naturschutzes und dem Finanzierungsdilemma steht also stets die Frage, wie sich am meisten Geld aus den zu schützenden Gebieten extrahieren lässt. Der Betrag, den der Unterhalt eines Schutzgebietes kostet und welcher beispielsweise durch Einnahmen aus Eintrittsgebühren in den Nationalpark oder Trophäenjagd generiert werden kann, wird von lokalen Regierungen mitunter mit den Profiten aufgewogen, die durch die Exploration der natürlichen Ressourcen wie Erdöl oder Mineralien aus den Gebieten gewonnen werden könnten. Die meisten afrikanischen Regierungen stellen sich da ganz konkret die Frage: Wie lassen sich aus dieser Landfläche die größten Gewinne generieren?

Werden die Interessen der im Umfeld der Schutzgebiete lebenden Menschen hinreichend beachtet? Foto: Alexis Huguet

Aus diesen Überlegungen speist sich wie beschrieben eine große Vielfalt an Ideen in Afrika wie auch Europa, die Experimente von Privatisierungen bis hin zu Finanzmarktspekulationen entstehen lassen. Ob so am Ende ziviler Artenschutz gefördert wird, der die Interessen der im Umfeld der Schutzgebiete lebenden Menschen hinreichend in Betracht zieht, bleibt eine offene Frage. Viele Indizien aber deuten darauf hin, dass stattdessen neokoloniale Machtstrukturen perpetuiert werden. Internationale Entwicklungshilfegelder, nicht zuletzt aus Deutschland, helfen unterdessen nicht dabei, Transparenz und echte Beteiligung vor Ort zu schaffen.

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4 Kommentare

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  • "Pro Quadratmeter werden jährlich zwischen 350 und 700 Euro benötigt, zur Verfügung stehen allerdings nur 70 Euro, so der Bericht."

    Diese mir abartig hoch erscheinenden Beträge kann ich beim besten Willen nicht mit dem als Referenz für die Aussage verlinkten Paper nachvollziehen.

    Bitte erklären Sie doch aufmerksamen Lesern, wie man von den Zahlen in Lindsey et al. 2018 (z.B. Fußnote unter Tab. 1 *Minimum funding requirement based on each method: African Parks Network, $978/km²; our study, $1,271/km²; and Packer et al. (5), $2,030/km²) auf die im Text genannten Beträge für Bedarf und Defizit in €/m² kommt!

    Danke.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Auffallend in der Gesamtübersicht der aus Deutschland geförderten Projekte ist entgegen der nötigen Demilitarisierung aber die zunehmende Konzentrierung der deutschen Vorhaben auf gegebenenfalls brachiale Maßnahmen der Wildereibekämpfung."

    In anderen Artikeln dieser Serie war davon die Rede, dass Wilderer gut organisiert und vor allem gut bewaffnet sind.

    Warum soll dann eine Demilitarisierung "nötig" sein? Wie sähen effektivere Maßnahmen zum Schutz der Parks aus?

  • Das AA schreibt über die DR Kongo:



    „In der DR Kongo ist die Wahrung grundlegender Menschenrechtsnormen und Prozessstandards nicht garantiert. Im Zuge der Krise um die Wahlen kam es zu massiven Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Medienfreiheit. Darüber hinaus steigt die Zahl der von internen bewaffneten Auseinandersetzungen betroffenen Menschen an. Willkür ist im Justiz- und Polizeiwesen und bei den Streitkräften verbreitet. Die Menschenrechtslage in den Konfliktregionen im Osten des Landes ist äußerst problematisch: Zivilisten werden häufig Opfer von Gewalt, auch sexualisierter Gewalt, verübt durch Regierungstruppen sowie Rebellengruppen. Viele Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender Nahrung, Bildung, und Gesundheitsversorgung“

    Dass die Wildhüter im Kongo wohl nicht so die Menschenrechte im Fokus haben werden, hätte ich auch ohne den Artikel angenommen. Enthüllungsjournalismus ist das nun nicht.

    Die Militarisierung des Naturschutzes in diesem Land zu beklagen, erscheint mir dabei als Heuchelei.

    Im CPI –Ranking von TI belegt die DR Kongo den Platz 168 von 180 und hat den gleichen CPI-Wert wie Libyen und Haiti.



    Die Transparenz bei der Verwendung der Gelder ist nicht gewährleistet? Echt jetzt? Na, das überrascht mich ja kolossal.

    Offenbar lebe ich in einer anderen Blase als die beiden Autoren.

    Dass diese Parks mit Gorillas und Bonobos überhaupt noch existieren, grenzt an ein Wunder. Offenbar hat die KfW etwas richtig gemacht.

    Wer die Parks will, muss mit der Situation vor Ort klarkommen.