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Sie will für die QUH Berger Bürger­meisterin werden: Elke Link Foto: Quirin Leppert

Kommunalwahl in BayernEne, mene, muh, keine CSU

Die Wählervereinigung QUH macht am Starnberger See progressive Kommunalpolitik. Am Sonntag will sie die Bürgermeisterwahl gewinnen.

E lke Link ist mutmaßlich Deutschlands einzige Literaturübersetzerin, die Werbung für sich auf dem Fußballplatz aufgehängt hat. Beim MTV Berg bringt sie aber nicht ihre Bücher ins Spiel, sondern sich selbst, als Bürgermeisterkandidatin.

In der 8.000-Einwohner-Gemeinde Berg am Ostufer des Starnberger Sees sitzt Link seit zwölf Jahren im Gemeinderat für die Wählervereinigung QUH – gesprochen „Kuh“. Schon zweimal hat sie den seit 20 Jahren amtierenden Bürgermeister und ehemaligen Landwirt Rupert Monn von der Wählervereinigung EUW herausgefordert – und gegen ihn verloren. Jetzt kandidiert sie wieder. „Da geht was“ ist das Wahlmotto. Nicht ganz zu Unrecht, denn Rupert Monn tritt nicht mehr an.

In der ganzen weitläufigen Gemeinde Berg mit ihren 15 Ortsteilen stehen lebensgroße Kühe aus Holz, auf deren Köpfen Kronen sitzen und auf deren Bäuchen mal „Quer“, mal „Unabhängig“, mal „Heimatverbunden“ steht. Es ist die Wahlwerbung der QUH, Links Liste– und deren Selbstverständnis.

Elke Link kennt in Berg so ungefähr jeder. Nicht, weil sie zahlreiche Bestseller, darunter Michelle Oba­mas Autobiografie „Becoming“, übersetzt hat. Sondern, weil sie irre engagiert ist. Ihr Alltag als Jugendleiterin bestand aus: „Jugendtrainer finden, Spielgemeinschaften gründen, anmelden, ummelden, stempeln, Kinder zum Sportplatz fahren, Kuchen backen, Tränen trocknen, Spielberichte ausfüllen.“

Die 57-Jährige ist zweite Abteilungsleiterin des MTV Berg, war 15 Jahre im Elternbeirat, hat das Schulmuseum gegründet, ist im Vorstand der Volkshochschule. Jugendschöffin beim Landgericht München, dritte Bürgermeisterin von Berg dazu. Als solche ist sie im Aufsichtsrat der Berger Windräder, gratuliert manchmal Jubilaren, ist auf Landkreissitzungen zum Thema ÖPNV und hilft, Gemeinderatssitzungen über Straßenausbaubeiträge, Kabel- und Kanalverlegung oder Bauprojekte vorzubereiten. Im Vorstand des deutschen Übersetzerverbands ist sie ebenfalls. Das alles ehrenamtlich, mit klitzekleinen Aufwandsentschädigungen. „Mir macht das eben Spaß“, sagt sie. Elke Link ist Ehrenfrau.

Am 15. März ist in Bayern Kommunalwahl. Wechsel stehen an: Etwa die Hälfte aller Bürgermeister in den 2.056 Gemeinden in 71 Landkreisen stellt sich nicht mehr zur Wahl. Vielerorts werden es nicht die CSU-Kandidaten sein, die nachrücken. Die bayerische Traditionspartei hat ihre Herrschaft in den Kommunen eingebüßt.

Fast ein Drittel der bayerischen Bürgermeister wird jetzt schon statt von ihr von Wählervereinigungen gestellt. Diese Listen sind oft Abspaltungen der CSU, oft sind sie populistisch und haben lokale Klientelthemen im Angebot: den Protest gegen einen geplanten Tunnel durch ein Wohngebiet, eine nicht erteilte Baugenehmigung für ein Autohaus. Manchmal sind sie auch einfach aus Überdruss an der Klüngelei und den traditionellen Flügelkämpfen innerhalb der CSU entstanden.

In Touristenführern werden Gemeinden wie Berg verschlafenes Nest und „pittoresk“ genannt. Daran, dass es hier so aussieht, wird allerdings hart gearbeitet

Die CSU in Berg steht exemplarisch für die Probleme der Partei. Ihr Ortschef Klaus Gröber hatte dem Laden durch Intrigen, Spendenaffären und Sympathien für den österreichischen Rechten Jörg Haider jahrelang sogar bundesweite Aufmerksamkeit verschafft. Deshalb musste er aber irgendwann aus der Partei austreten. Immer weniger Leute scheinen die Selbstherrlichkeit eines Lokalsepps hinnehmen zu wollen. Und so sitzen in Berg heute sieben verschiedene Fraktionen im 20-köpfigen Gemeinderat. Seit 2006 ist die QUH mit vier Sitzen zweitstärkste Partei.

Ihre Partei sei keine Abspaltung der CSU und auch keine, die irgendein Partikularprojekt durchsetzen oder verhindern wolle, sagt Elke Link: „Die QUH ist eine Protestpartei, die querdenken und Querverbindungen schaffen will.“ Mit populistischen Parolen geht sie nicht auf Bauernfang. Damit ist sie erfolgreich: 160 Mitglieder hat die QUH mittlerweile, während die Grünen große Probleme hatten, die 20 Kandidat*innen für ihre Wahlliste zusammenzubekommen.

Im Gemeinderat werde wenig diskutiert, nur abgenickt, sagt Elke Link. „Oft sind es nur unsere Stimmen, die eine andere Meinung ausdrücken. Aber auch, weil wir diese ganzen Unterlagen und Anträge auch wirklich lesen.“

Auf das Konto der QUH gehen aber auch Dinge wie die Erneuerung des Seeabstiegs, die Tage der offenen Tür der Berger Betriebe und das Oskar-Maria-Graf-Festival. Die QUH stand außerdem von Anfang an hinter den vier Windrädern, die der Bürgermeister gegen heftigen Widerstand bauen ließ.

Pittoreskes Bayern: Am Eingang des Ortsteils Aufkirchen steht eine Wahlplakatkuh der QUH Foto: Quirin Leppert

Die Windräder im Rücken, guckt Elke Link von ihrem Garten aus auf eine 300-jährige Eiche und über den Park des Wittelsbacherschlosses hinweg auf den See. 1995 zog sie mit ihrem Mann, dem Hörspiel- und Filmemacher Andy Ammer (Listenplatz 3), und den zwei Kindern aus München nach Berg.

Seit der Märchenkönig Ludwig II. 1886 hier ins Wasser ging und als Leichnam zurückkehrte, hat der fünftgrößte See Deutschlands Promistatus. An seinen Ufern herrscht Vollbeschäftigung, gibt es die höchste Millionärsdichte, das höchste Pro-Kopf-Einkommen, die höchste Lebenserwartung und eine durchschnittlich sehr hohe Bildung. Schlagersänger wie Peter Maffay, Philosophen wie Jürgen Habermas, Schauspieler wie Sepp Bierbichler, Fußballer wie Michael Ballack, Politiker wie Peter Gauweiler und auch ein König, Thailands Maha Vajiralongkorn, wohnen hier. Leni Riefenstahl, Heinz Rühmann und Hans Albers haben es mal getan.

„Wir leben im Slum von Berg“, scherzt der 59-jährige Andy Ammer. Sicher, die Doppelhaushälfte der beiden ist weder eines der urigen Bauernhäuser noch eine der schmucken Millionärsvillen mit riesigem Grundstück. Ihr Heim ist einfach und klein; aus der ehemaligen Garage haben sie eine Küche mit Essbereich gemacht, der in einen winzigen Sofabereich mit Kamin übergeht, vor dem ein in Plastik eingewickelter Strohballen neben abstrakten Holzskulpturen steht – alles von Künstlern der Gemeinde. „In den Münchner Künstlerkreisen hieß Elke früher immer ‚Andys Freundin‘. Hier draußen aber bin ich ‚der Herr Link‘ “, erzählt der Regisseur des ARD-Literaturmagazins „Druckfrisch“.

Hier draußen, im „Fünfseenland“, gerade mal 25 Kilometer von der Landeshauptstadt München entfernt, sieht es so aus, wie man sich die bayerische Heimat vorstellt. Zwischen sanften Hügeln liegen Wälder, Wiesen, Äcker und Bilderbuchdörfer, aus denen die Zwiebelkirchtürme des Bayerischen Barocks herausragen. Im Süden das Alpenpanorama in Breitwandformat.

Durch die Gemeindegebietsreform 1975 wurden zahlreiche Ortschaften zur Gemeinde Berg zusammengeschlossen: Pfarrdörfer, Kirchdörfer, einfache Dörfer, Weiler und Einöden, die jeweils zwei bis vier Hügelhöhen mit bis zu 700 Höhenmetern voneinander entfernt sind und von Seegrundstück bis Moorlandschaft reichen. Es gibt fünf Feuerwehren, zwei Fußballvereine, zig Kirchen. Das Ostufer des Starnberger Sees hat keine Bahnanbindung. Erst seit Kurzem verkehrt jede Stunde ein Bus. Hier fährt keiner Fahrrad außer Ausflüglern. Aber alle haben ein Auto. Mindestens.

In Touristenführern werden solche Gemeinden wie Berg „verschlafenes Nest“ und „pittoresk“ genannt, ihnen wird ein „reges und uriges Dorfleben“ attestiert. Daran, dass es hier so aussieht, wird allerdings hart gearbeitet. Den Dorfcharakter bewahren, möglichst klimafreundlich sein, das wollen hier alle. Die einen nennen sich deshalb konservativ, die anderen nennen es Verantwortung.

Sie alle müssen einem enormen Zuzugsdruck standhalten: 1871 lebten im Starnberger Landkreis 13.000 Menschen. Heute sind es über 136.000. Die Grundstücke sind für die meisten Alteinwohner unerschwinglich. Immer mehr Grundstücke werden von den Erben an meistbietende Investoren verkauft, die dann wiederum mehrere Wohneinheiten auf einem Grundstück bauen, auf dem mal ein Bauernhaus stand.

Im Landkreis Starnberg erhalten die Grünen die meisten Stimmen in Bayern. Sie wurden hier quasi erfunden: Am 25. April 1978 wurde der erste Kreisverband der Partei in einem Starnberger Wohnzimmer unter diesem Namen gegründet. Im Berger Gemeinderat haben sie trotzdem nur einen Sitz. „Ich bin grüner als die Grünen“, antwortet Bürgermeister Monn auf die Frage, warum es die Grünen hier so schwer haben. „Berg hat zum Beispiel die erste öffentliche Photovoltaikanlage auf einem Parkplatz gebaut.“

1871 lebten im Starnberger Landkreis 13.000 Menschen. Heute 136.000. Grundstücke sind für viele Alteinwohner unerschwinglich

In grüner Krawatte und Trachtenjanker sitzt der 64-jährige scheidende Bürgermeister in seinem aus den 60er Jahren stammenden bescheidenen Rathaus in seinem bescheidenen Büro vor einem Gemälde mit der Wallfahrtskirche von Aufkirchen. Monn erzählt, dass er nicht die weithin sichtbaren vier Windräder zu seinem größten Vermächtnis zählt und auch nicht, dass er die Ortseinfahrten von Tankstellen, Supermärkten und Industriegebieten frei gehalten hat. Es sei der „Frieden“, den er im Gemeinderat gestiftet habe, auf den er sehr stolz sei.

Dennoch sieht er Probleme. „Man findet schnell einige engagierte Bürger, die sich einer Bürgerinitiative anschließen, die für oder gegen irgendwas sind. Aber man findet kaum Leute, die in einen Vereinsvorstand gehen.“ Monn glaubt, das hänge damit zusammen, dass die Leute sich nicht mehr auf längere Sicht binden wollen.

Der Zweitjüngste der QUH, der 25-jährige Jonas Goercke (Listenplatz 4), hat eine andere Erklärung für das sinkende Interesse an der Vereins- und Gemeindearbeit: der immer größer werdende Bürokratieaufwand. Allein, was an Genehmigungen anfallen würde, um einen Baum mit einem Trecker auf die andere Straßenseite zu transportieren, schrecke schon ab.

Goercke ist im Ortsteil Allmannshausen geboren. Michael Ballack wohnt dort auch, aber der letzte Laden, ein Blumengeschäft, hat gerade aufgegeben. Das Wahllokal ist einen Kilometer, der nächste Bäcker in Berg oder Münsing drei Kilometer entfernt.

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Goercke arbeitet in einem Berger Luft- und Raumfahrtunternehmen, studiert nebenbei Management, ist Jugendausbilder der Feuerwehr und hat als „Oberbursch“ die Maibaumfeier mit Tausenden Besuchern organisiert. Er, der einzige QUH-Kandidat in Lederhosen, findet es „katastrophal“, dass sich im Gemeinderat alle verstehen. „Ohne Streit kommt nichts Fruchtbares raus.“ Anders als in den „etablierten Parteien“ werde in der QUH kon­tro­vers diskutiert, und er müsse seine Meinung nicht hinter der Parteilinie verstecken. Im Gemeinderat will er vor allem diskutieren, warum die Bürokratie den Spaß am Ehrenamt kaputtmacht.

„Wenn man am Ehrenamt keinen Spaß hat, darf man das nicht machen“, sagt André Weibrecht, Schriftführer – oder, wie er sagt, „Generalsekretär“ – der QUH. Der 54-Jährige ist „Business ­Developper“ eines Technologieunternehmens und viel unterwegs. Er könnte, wie so viele es in dieser Gemeinde mit ähnlichen, gut bezahlten Berufen tun, abends nach Hause kommen, die Füße hochlegen, auf den See gucken, eine Runde joggen und am Wochenende Münchner Freunde zum Grillen einladen. Macht er auch – aber er will das Dorf nicht zu einer Verwahranstalt verkommen lassen, sondern lebendig halten.

Richtig aufbrausend wird Weibrecht, wenn man die QUH eine Spaßpartei nennt. „Wir meinen das bierernst.“ Sagt es und nimmt einen Schluck aus seinem Bierglas mit der Aufschrift „Braue­rei Schloss Berg“. Die 1904 gegründete Brauerei ist von den QUH-Freunden vor einigen Jahren in einer ehemaligen Gaststätte als Craftbeerbrauerei wiederbelebt worden. „Das war hier früher mal eine Absturzkneipe“, erzählt Elke Link. „Heute gibt es keine Kneipe mehr, wo die Jugend überhaupt hinstürzen könnte.“ Eines ihrer Anliegen ist deshalb auch, „einen Ort für die Jugend“ zu schaffen.

Die Brauerei ist zumindest unter QUH-Freunden ein Treffpunkt. An der roh verputzten Wand des Brauraums hängt eine Urkunde, die die Liste als „klimaneutral“ ausweist. Darauf ist Elke Link sehr stolz. Allerdings gibt es ein Problem, sie hatten vergessen, die 27 Kilo Papier für ihre Wochenzeitung Berger Blatt in die CO2-Bilanz einzubeziehen. Da geht die Tür neben dem Zapfhahn auf, und Elisabeth Bayer-­Kalinke (Listenplatz 18), genannt „das Schweizer Taschenmesser“, kommt rein. „Ich hab alles nachgerechnet. Wir bleiben klimaneutral“, frohlockt sie.

Im Gasthof Zur Post stellen sich die vier Berger Bürgermeisterkandidaten und -kandidatinnen vor Foto: Quirin Leppert

Als „die Quotenfrau unter 1,60 Meter“ stellt sie sich vor und sagt, dass sie in der QUH sei, „weil es in der Partei auch jemanden braucht, der die Pfosten einschlagen kann“. Daher ihr Spitzname. Gerade kommt sie aus der Werkstatt: Sie hat die Pfosten für die Holzkühe angespitzt.

Am langen Holztisch sucht der Generalsekretär jetzt den Disput: „Warum steht in der SZ, dass wir Menschen sind, die in keiner der etablierten Parteien eine Heimat gefunden haben?“, fragt er. „Na, weil das doch so ist“, erwidert Elke Link. Weibrecht gibt nicht auf. Die Formulierung höre sich an, als wäre die QUH nur eine Notlösung, meint er, „dabei machen wir das aus Überzeugung“.

Dafür, dass es im Gemeinderat nicht ganz harmonisch zugeht, sorgt allerdings auch immer wieder die CSU. Die vier Windräder, auf die heute alle so stolz sind, wurden jahrelang bekämpft: von den Biobauern, weil sie tote Vögel fürchteten, und von der CSU, weil sie der gleichen Meinung wie Horst Seehofer war, der einst dem Bürgermeister Monn auf einem öffentlichen Podium sagte: „Lassen Sie die Finger von den Windrädern. Das wird nichts.“

Und als es 2015 darum ging, im Ortsteil Höhenrain eine zweite Unterkunft für Geflüchtete zu errichten, wurde so erbittert dagegen gekämpft, dass es schließlich bei dem einen Containerdorf zwischen Berg und Aufkirchen für 85 Geflüchtete blieb, was nach allem Bekunden hervorragend funktioniere und für das sich viele Berger leidenschaftlich engagieren. Einzig der CSU-Bürgermeisterkandidat musste im Gemeinderat querschießen. Er forderte dort: „Der Schandfleck muss weg.“

Als Schandfleck empfanden übrigens viele Berger Einwohner auch den prominentesten Sohn der Stadt, den Schriftsteller Oskar Maria Graf. Von Rainer Maria Rilke gefördert, von Thomas Mann verehrt, von den Nazis erfolglos umschwärmt, wurde Graf im New Yorker Exil weltberühmt.

Doch in Berg gibt es bis heute nur eine Grafstraße. Zu groß war der Protest gegen den als „Kommunisten“ und „Nestbeschmutzer“ verteufelten Dichter der Münchner Räterepublik. Selbst den Oskar-Maria-Graf-Platz gibt es nur als Schild, nicht als Postadresse. Er ist eine kleine Straßenkreuzung, an der niemand wohnt. Noch bis vor einigen Jahren aber durfte auch dieses Schildchen nicht hängen. Eine mittlerweile verstorbene Bergerin behauptete, immer ohnmächtig zu werden, wenn sie den Namen lesen müsse.

1994 kam es zum vorläufigen Höhepunkt der Graf-Geschichte: Zum 100. Geburtstag sollte die erste Ausstellung über den Autor in Berg gezeigt werden. Während der Eröffnungsrede brach der damalige Bürgermeister zusammen und starb. Die Ausstellung trug den Titel „Menschen sterben, Geschlechter vergehen – ein Dorf bleibt“.

Einer der Gründe für die Unbeliebtheit des Schriftstellers ist seine schonungslose Darstellung sowohl der reichen Uferbewohner als auch der ärmeren Bauern im moosigen Hinterland, etwa in seinem großartigen Roman „Das Leben meiner Mutter“.

Immer noch ist in der Gemeinde Berg diese für Bayern typische Spannung zwischen Kosmopoliten und Traditionellen zu merken. So hat ­Höhenrain, der größte, am weitesten vom Seeufer entfernte und bäuerlichste Ortsteil, das ausgeprägteste Gemeinschaftsleben mit Trachtenverein, Schützenverein und Goaßlschnalzerverein. Es gibt dort aber nur einen Kiosk, das Gasthaus Alter Wirt und den mobilen Imbiss Döner Hendl.

Der scheidende Bürgermeister Rupert Monn (links) und sein Wunsch­nachfolgekandidat Foto: Quirin Leppert

„Die gehen in Stoibers Wolfratshausen einkaufen, weil die mit Berg nichts zu tun haben wollen“, meint der Berger Bohemien Andy Ammer. „Das Problem sind die Zugezogenen, die sich beschweren, wenn der Hahn frühmorgens kräht, und die wegen der Gülle sagen, der Landwirt vergiftet uns“, kontert Bürgermeister Monn, gebürtiger Höhenrainer.

Bevor Monn das Amt bekam sei es unvorstellbar gewesen, dass ein Höhenrainer es besetzt. 20 Jahre mit einem Höhenrainer als Bürgermeister haben dem Ort aber gutgetan, das muss auch die QUH einräumen. „Der Clash ist natürlich sehr anregend. Aber wir bleiben für die Höhenrainer Fremde, egal wie lange wir hier schon leben“, sagt Ammer. In diesem Sinne könne man von „Fremdenangst“ sprechen. „Wir sind schon bunte Hunde hier, aber das Bayerntum hat eine komische Toleranz gegenüber komischen Menschen“, ergänzt Elke Link.

Trotzdem: Sie weiß, dass auch sie immer noch als „Zuagroaste“ gelten. Dabei sind viele „Alteingesessene“ selber zugereist, aus Schlesien und dem Sudetenland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Außer ein paar Dorfnazis und zwei Drohbriefen gebe es hier aber kein großes Problem mit Rechten, heißt es. Allerdings habe es bei der Europawahl 427 Stimmen für die AfD gegeben, etwa 6 Prozent. Zu den Kommunalwahlen tritt die rechte Partei nicht an. „Die trauen sich noch nicht“, meint Andy Ammer. Das hört man hier in der Gegend öfter. Und auch, dass man in Berg genau wisse, „zu was Rechte fähig sind“. Verwiesen wird dann auf das Denkmal für den Todesmarsch aus dem KZ Dachau, der durch die Gemeinde führte.

1984 hatte die CSU eine große Austrittswelle zu verzeichnen. Der Grund: die Autokratie des Oberhäuptlings Franz Josef Strauß. Damals sagte er zu dem anstehenden Desaster seiner Partei bei den Kommunalwahlen: „Profilsucht, Gehässigkeit, Rivalität, übertriebener Ehrgeiz und die Sucht, von sich reden zu machen, führt in kleinkarierte Interessenklüngel.“

Während einer Wahlveranstaltung Ende Februar platzt der Saal im Aufkirchener Wirtshaus Zur Post aus allen Nähten. Die vier Bür­ger­meis­ter­kan­didat*innen stellen sich dem Wahlvolk. Im Blog der QUH ist ein Foto zu sehen, wie alle vier hernach beim Bier lachend an einem Tisch sitzen. Wer immer Bürgermeister werde, so das Fazit des Berichts, die Gemeinde Berg werde in den nächsten sechs Jahren in guten Händen sein. Strauß’ Analyse scheint hier nicht mehr ganz zuzutreffen.

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