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CDU und AntikommunismusGefangen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Einigung von Erfurt ist für die CDU keine Lösung: In der Praxis ist ihr Antikommunismus überholt, für die Partei bleibt er aber lebenswichtig.

Der Thüringer Plenarsaal sieht selbt fast wie ein Hufeisen aus Foto: Martin Schutt/dpa

S cheinbar ist die CDU in Erfurt doch noch irgendwie davongekommen. Kein Christdemokrat musste einen Linken zum Ministerpräsidenten wählen. Die CDU-Fraktion enthielt sich. Bodo Ramelow hat der Union diesen Ausweg im letzten Moment weitsichtig geöffnet.

Ist die Erfurter Affäre damit vorbei? Ein Desaster mit mildem Ausgang? Der Versuch der CDU, mit der Höcke-AfD klammheimlich gemeinsame Sache zu machen, wäre der Türöffner für konservativ-rechtsradikale Allianzen im Osten gewesen. Das ist gescheitert, aber nur wegen massiven Drucks von außen. Nun gibt es immerhin eine handlungsfähige Notregierung. Das ist etwas wert – denn eine fortgesetzte Selbstblockade der demokratischen Parteien hätte der AfD genutzt.

Für die CDU aber ist gar nichts gut. Ihre Widersprüche sind nur für den Moment überdeckt. Man betreibe in Erfurt nun „konstruktive Opposition“, heißt es. Das ist eine Täuschung. Die Vereinbarung mit Rot-Rot-Grün umfasst den Wahltermin, das Abstimmungsverhalten der Fraktionen, einzelne Projekte und den nächsten Haushalt. Das ist vernünftig, und es ist das Beste, was die CDU tut kann. Aber faktisch duldet sie damit Rot-Rot-Grün. Keine rhetorische Nebelkerze kann den Blick darauf verstellen, dass die CDU in Erfurt genau das tut, was sie im Bund kategorisch verboten hat: Sie arbeitet mit der Linkspartei zusammen. Solche Selbstwidersprüche zersetzen die Glaubwürdigkeit jeder Partei.

Dieses Dilemma ließe sich auflösen: Die CDU müsste die tumbe Gleichsetzung von AfD und Linkspartei aufgeben, mit den Rechtsextremen jede Kooperation strikt ausschließen und mit der Linkspartei eine Zusammenarbeit erlauben, wo es gar nicht anders geht. Wenn die Praxis nicht zum Beschluss passt, ist es ja naheliegend, den Beschluss zu ändern.

Doch genau das kann die CDU nicht. Dafür müsste sie sich von der Hufeisentheorie, wonach linker und rechter Extremismus gleich demokratieschädlich sind, verabschieden. Damit aber bekäme ihr Selbstverständnis als Kraft der Mitte zwischen den Extremen einen Riss. Und: In der Ära Merkel wurden viele alte Überzeugungen auf den Sperrmüll der Parteigeschichte entsorgt: Wehrpflicht, Atomkraft, ein traditionelles Familienbild, die bockige Behauptung, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Nur hinten in der Ecke steht noch ein alter Sessel, der schon lange nicht mehr benutzt wurde.

Die Union aber kann sich von dem von reichlich Spinnweben überzogenen Antikommunismus nicht trennen. Dann würde erst recht auffallen, wie leer der Raum ist. Ole van Beust, ein liberaler Christdemokrat, hat recht: „Der Antikommunismus ist nun mal ein Gen der CDU.“ Die Klügeren in der Union wissen, dass der historische westliche Antikommunismus nicht nur Ausweis wehrhafter Demokratie war, sondern sehr hässliche Seiten hatte. Er war eine Ideologie, die Ex-Nazis half, sich lautlos in die Elite der Bundesrepublik zu integrieren. Kurzum: Dieser Antikommunismus, zumal ohne echte Kommunisten als Gegner, gehört auf den Müll. Doch die Union braucht ihn.

Die Lage ist vertrackt. Die Frage, ob man eher mit der AfD oder mit der Linkspartei zusammenarbeitet, teilt die eigene Klientel in der Mitte. Und Teile der CDU zwischen Pirna und Rostock stehen den Rechten ziemlich nahe. Die Union muss eine grundsätzliche Entscheidung fällen. Das Grundsätzliche war allerdings nie ihre Stärke – erst recht nicht nach 15 Jahren Merkel. Und das politische Besteck der Merkel-Ära – Probleme isolieren, in handliche Portionen zerlegen und, wenn sie sich nicht lösen lassen, vertagen – wird nicht helfen.

„Wir haben Bodo Ramelow nicht gewählt. Die Bürger wissen also, woran sie bei der CDU sind“, sagte CDU-Mann Mario Voigt in Erfurt. So ist es nicht. Die CDU weiß selbst nicht, woran sie bei sich ist. Das Drama ist nicht zu Ende. Es gibt nur eine Pause, ein Atemholen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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18 Kommentare

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  • Die Hufeisenstrategie können sie ja beibehalten und eine linksextreme Partei zum Feind erklären die tatsächlich extrem ist oder ebenfalls im Blockdenken des Kalten Krieges hängen geblieben ist. Das Problem dabei diese Parteien sind so marginal dass sie kaum jemand kennt. Nun können sie aber erst mal aus Thüringen lernen was nicht linksextrem ist. Der in Thüringen starke Höcke und sein rechter Flügel sind rechtsextrem sagt auch der Verfassungsschutz dem die CDU ja sonst auch alles glaubt sogar dass massenhaftes Aktenschreddern "ein Versehen" war. Die Linke ist in Thüringen in Teilen konservative Partei der Mitte, der Selbstständigen, der Unternehmer:innen fischt also im wenn man weiter den alten Westen als Vorlage nimmt was die CDU ja tut in klassischer CDU Wählerschaft. Zugleich übernahm die Linke in Thüringen und auch sonst im Osten aber auch die Rolle der SPD (die mit ihrem neoliberalen Kurs seit den 90er Jahren als Partei aller die nicht reich geboren werden und keine Sozialpolitik brauchen) nicht mehr wählbar ist. Die Behauptung die Linkspartei sei extremistisch ist ein Schachzug um die stärkste Konkurrenz wie dargelegt auch im konservativen Wählerklientel schlecht zu machen. Letztendlich und das zeigte Thüringen auch war das einzige Wahlziel von CDU und FDP die Linke zum (extremistischen) Feind zu erklären und koste es was es wolle aus der Regierung zu drängen ein grandioses Eigentor. Bei sofortigen Neuwahlen hätten beide stark verloren die FDP wäre an der 5 Prozent Hürde vermutlich gescheitert. All jene Wähler:innen für die die rechtsextreme AfD eben keine Alternative ist werden in nächster Zeit sicher nicht CDU und FDP wählen die gerade demonstriert haben dass sie sich nicht scheuen mit einer rechtsextremen Partei zu kooperieren und wider aller Fakten die Thüringer Linke "extrem" nennen. Also mein Tipp an die CDU, Hufeisen ja aber die linksextremen "Parteien" die man verteufeln will gibts halt gerade nicht bzw. sind marginal wie z.B. die MLPD Ortsgruppen.

  • "Die CDU müsste die tumbe Gleichsetzung von AfD und Linkspartei aufgeben"

    Ich konnte keine Aussagen seitens der CDU finden, wo diese die AfD und die Linkspartei dummdoof als das Gleiche ansieht. Was man allerdings finden kann sind Aussagen seitens der Linkspartei bzw. Teile derselben , wo diese sich mehr oder weniger deutlich ebenfalls von Linksextremen und den üblen bekannten kommunistischen Eskapaden distanziert.

    Ich habe den Eindruck, die unterstellte dumme Gleichsetzung ist eine Behauptung aus einer Abwehrhaltung heraus um sich mit Linksextremismus nicht auseinandersetzen zu müssen. Die Diskussion wird regelmäßig immer wieder aufs Tablet gebracht, wenn es konkret um linke Gewalt geht. Das war gut zu beobachten bei den linken Entgleisungen in Leipzig.

    • @Rudolf Fissner:

      Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich.

      Die Moderation

  • Angesicht der globalen Auswirkungen des Neoliberalismus ist der verstaubte Antikommunismus der CDU lächerlich. Wo bedroht der Kommunismus zu Zeit ernsthaft irgendetwas? China und Süd Korea mag ich nicht ernsthaft als kommunistisch bezeichnen, wenn man striktes Schwarz Weiß-Denken ablehnt. Der CDU geht es darum, wie allen Neoliberalen, den Status Quo zu erhalten. Antikapitalismus wird generell als Kommunismus abgestempelt und die Interessen des Kapitals bleiben gewahrt. Ob das eine für die Zukunft tragfähige Politik ist, wage ich mal zu bezweifeln. Nicht alle Leute lassen sich auf Dauer für dumm verkaufen.

  • Der liberale Antikommunismus war nie überholt. Gegen das, was über 100 Jahre von Lenin über Stalin und Mao bis in die heutige Zeit in China im Namen des Kommunismus verbockt wurde gibt es eine breite Koalition mal mehr mal weniger bis in Teile der Linkspartei hinein.

    Unabhängig davon stehen Linkspartei und die CDU dabei in Thüringen in der Verantwortung in Sachfragen zueinander zu finden, wenn RRG Mehrheiten bei anstehenden Abstimmungen im Landtag nicht von der Zustimmung der AfD abhängig machen will.

  • Antikommunismus ist genauso wie Antifaschismus eine vernunftgesteuerte Geisteshaltung bzw. politische Einstellung. Wenn man bedenkt, dass der bisher umgesetzte Kommunismus mit Marx‘ Ideen unvereinbar ist , bleibt einem ja nur übrig, antikommunistisch zu sein. Siege hierzu auch von Erich Fromm „Haben oder sein“.

    • @Kagel :

      Alles richtig bis auf eines: es waren nicht die Ideen von Marx, sondern die von Lenin, welche diese Diktaturen erklären. Allerdings ist auch Marx mittlerweile überholt.

      • 6G
        68514 (Profil gelöscht)
        @Monika Frommel :

        Welche Ideen von Marx sind überholt? Was Marx' Analyse des Kapitalismus betrifft, so ist diese nach wie vor gültig.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Kagel :

      "Siege" ist ein schöner Vertipper.

      Ich wünsche Ihnen, dass die Komplexität Ihres Posts bei allen Lesern richtig 'ankommen' möge.

      Und mir wünsche ich, dass eines Tages - sicher nicht hier und jetzt - Marx und Engels Utopie Wirklichkeit wird.

  • Die Frage ist doch nicht: rechts oder links. Die CDU sollte eine antifaschistische und antikommunistische Partei bleiben. Sie sollte weder mit der AFD noch mit der Linkspartei zusammenarbeiten. Das hat nichts mit Gleichsetzung zu tun, sondern mit Prinzipien. Außerdem: Wenn links von der AFD alle mit allen können, gewinnt am Ende die AFD.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Jochen Laun:

      Ich befürchte, dann haben Sie zu Thüringen das Ein oder Andere an Kommentaren und Handlungen der CDU nicht mitbekommen. In Erfurt - und auch in Berlin.

      Die Realität der CDU: Gleichsetzung, wo nichts Gleiches existiert.

      Bei dem gerne benutzten Material der Blockflöten-CDU: für eine Kritik am Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze gibt es wahrlich glaubwürdigere Kritiker als Merkel & Friends.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Letztlich ist die Sachlage einfach:

    Der CDU kann niemand einen Vorwurf machen, wenn sie vorwärts in die 1950er Jahre will. Es liegt im Ermessen der Wähler, sie dafür abzustrafen, solange es noch Wahlen gibt.

    Die Jüngeren unter uns wären gut beraten, mal in die Historie (nicht die Hysterie) zu schauen.

    Auch ein gepflegtes Gespräch mit Zeitzeugen könnte allenfalls begrenzten Schaden anrichten.Bei der CDU.

    Unserem Land würde es bestimmt nutzen.

  • "tumbe Gleichsetzung"? Diese Gleichsetzung ist nach wie vor mehr als berechtigt. Es ist völlig egal, wo man die CDU verortet, aber was Linke und AfD anbelangt, so gibt es deutliche Parallelen. Beides sind radikale Parteien, beide haben Schwierigkeiten, sich von ihren extremistischen Rändern zu distanzieren und beide bewegen sich in Teilen außerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Daran ändern auch Wölfe im Schafspelz in beiden Parteien nichts. Wo die CDU steht, ist dabei völlig egal, interessiert übrigens auch immer weniger Leute, wenn man den Umfragen Glauben schenken darf.

    • @OutbackerAS:

      Da wünscht man sich eine Zeitmaschine. Ich würde Ihnen gern je 4 Wochen DDR und 3. Reich spendieren. Mal sehen, ob dann auch noch alles gleich aussieht...

    • @OutbackerAS:

      Die Gleichsetzung ist eben schon tumb. Es ist doch nicht "gleich" ob ein AfDler nach der Bundestagswahl ins Mikrofon trötet, man werde die Kanzlerin "jagen". Hat man so was von jemand von den Linken schon mal gehört, nur mal als eines von vielen Beispielen des unsäglichen Hasses, den diese Partei befördert, und dessen Auswirkungen mit Hanau wahrscheinlich noch lang nicht zu Ende sein werden. In der CDU gibt es wohl schon einige tumbe Leute, die es nicht schaffen, Unterschiede wahr zu nehmen.

      • @portolkyz:

        Letzte Woche Kassel schon wieder vergessen?

  • Brückenbauer sind sie, die demokratischen ChristInnen. Brückenbauer nach rechts. Ihre Brücken bestehen aus uraltem Rassismus und tief verwurzelter Selbstherrlichkeit, die jede ernsthafte Selbstreflexion meidet wie der Teufel das Weihwasser.