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Arbeitsbedingungen bei ZulieferernFirmen an die Lieferkette

Deutsche Unternehmen sollen die Rechte von Beschäftigten in ausländischen Fabriken garantieren, fordern NGOs. Die Bundesregierung ist sich uneinig.

Hände eines Zehnjährigen, der in einer Ziegelfabrik in Bangladesch arbeitet Foto: rtr/Andrew Biraj

Berlin taz | Die Globalisierung ist für deutsche Unternehmen auch deshalb so praktisch, weil sie einen Teil ihrer Produktion aus dem Wirkungsbereich hiesiger Gesetze auslagern können. Kinderarbeit, Armutslöhne, baufällige Fabriken, Umweltsauereien – in China, Bangladesch, Pakistan, Kambodscha, Uganda oder Peru kommt man damit eher durch als in Europa. Die „Initiative Lieferketten-Gesetz“ will das nun ändern: Sie fordert von der Bundesregierung, die Menschenrechte in ausländischen Zulieferfabriken einheimischer Firmen gesetzlich zu schützen.

In der Initiative kooperieren unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund, Entwicklungs- und Umweltverbände wie Oxfam, Greenpeace, Germanwatch, die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt, sowie Menschenrechtsanwält*innen der Organisation ECCHR. Sie wollen weltweit ökologische, soziale und politische Rechte für Beschäftigte und Anwohner der Zulieferindustrie durchsetzen.

Das Gesetz würde alle großen und kleinen Unternehmen in Deutschland betreffen, die Produkte im Ausland einkaufen oder dort fertigen lassen, sagt Franziska Humbert von Oxfam. Ähnliche Vorschriften gebe es bereits in Frankreich und anderen Staaten. Beispielsweise könnte im Handelsgesetzbuch (HGB) festgelegt werden, dass alle Firmen menschenrechtliche Risiken in ihren Lieferketten analysieren müssen.

Außerdem sollen die Unternehmen diese Risiken ausschalten, indem sie etwa mit den Zulieferern vereinbaren, bessere Löhne zu zahlen. Darüber müssten sie auch öffentlich Rechenschaft ablegen. Schließlich wären sie gehalten, Beschwerdemechanismen einzuführen, damit die ausländischen Beschäftigten ihre Anliegen in Deutschland vorbringen können.

Gesetz soll zivilgerichtliche Klagen erleichtern

Sanktionen im Falle von Vorstößen fordert die Initiative ebenfalls. Laut ECCHR-Jurist Christian Schliemann wären das Bußgelder, die deutsche Behörden verhängen können. Vor allem aber will man zivilrechtliche Klagen von Betroffenen vor hiesigen Gerichten ermöglichen und erleichtern. Unternehmen, ihre Eigentümer und Kapitalgeber müssten dann gegebenenfalls mit Schadensersatzforderungen rechnen.

Einen Entwurf für ein solches Gesetz hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bereits erarbeiten lassen. Nun ist ein gemeinsamer Text mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Vorbereitung. Während einige Unternehmen wie Nestlé, Kik, Ritter Sport, Tchibo und Hapag-Lloyd das Vorhaben unterstützen, ist Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) skeptisch. Auch der mächtige Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt ein Gesetz ab.

Vorher will die Regierung aber noch überprüfen, ob die Unternehmen ihren Verpflichtungen auch schon ohne Gesetz nachkommen. Per Umfrage unter den 7.100 größten bundesdeutschen Firmen wird derzeit kontrolliert, ob diese die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte der Regierung einhalten, der einheitliche und überprüfbare Standards festlegen soll. Die erste Runde der Befragung deutete daraufhin, dass das nicht funktioniert. Wahrscheinlich folgt nun eine zweite Umfrage.

Bis zum Sommer soll klar sein, ob ein Lieferketten-Gesetz nötig ist. Fraglich, ob die Bundesregierung vor dem Ende der Legislaturperiode noch die Kraft hat, ein solch umstrittenes Vorhaben auf den Weg zu bringen.

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6 Kommentare

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  • Ich bin gespannt, mit welchen hoheitlichen Befugnissen (noch dazu im Ausland durchzusetzen) das Gesetz die Unternehmen ausstatten wird, um in den Betrieben ihrer Vertragspartner mal nach dem Rechten zu sehen. Denn ich kann ja nur für etwas haften, was ich auch beeinflussen kann, Ausnahme: Versicherungen.

    Und da ja Gesetze abstrakt-generell gefasst werden müssen, kommt dann als Anlage eine Länderliste von "Schurkenstaaten" dazu oder gilt das für jegliche "Lieferketten"? Die gibt es nämlich auch und vor allem im Inland...

  • Nachvollziehbar wäre ein solches Gesetz für Unternehmen, die in eigenen Fabriken im Ausland fertigen, denn hier besteht konkret die Möglichkeit zur Einflussnahme.



    Wenn dieses Gesetz jedoch auf für Produkte gelten soll, welche von mittelständigen Unternehmen im Ausland von anderen Unternehmen erworben wurden (als Inputgüter), wird das viele kleine Unternehmen ruinieren (Hinweise: auch ein Unternehmen mit 500 Angestellten ist heute kein großes Unternehmen, sondern Mittelstand). Für diese Unternehmen wäre es weder finanziell, noch bürokratisch möglich, irgendwelche Unternehmen im Ausland zu kontrollieren. Man möge hier auch beachten, dass das Inputgut sehr wahrscheinlich selbst aus verschiedenen Inputgütern besteht und damit die Lieferkette unüberblickbar wird.



    Oder werden dann uneigennützige NGOs Zertifikate - selbstverständlich gegen ein kleines Entgeld - zur Verfügung stellen?

    • 6G
      65940 (Profil gelöscht)
      @Schildbürger:

      Ich möchte, dass diese Importeure wegen Mittäterschaft in den Knast gehen. Nix Arbeitsplätze oder keine Schokolade kaufen @Traverso

      • @65940 (Profil gelöscht):

        Wie können diese Unternehmen Mittäter sein, wenn Sie nichts von den Machenschaften ihrer Lieferanten wissen (wovon vermutlich im Normalfall auszugehen ist)?



        Möchten Sie Käufer von Elektroautos (Stichwort: Batterie) ebenfalls im Knast sitzen sehen?

        Es ist die Aufgabe von Staaten und deren Polizei bzw. Gerichte, Verbrechen zu bekämpfen - nicht die Aufgabe von Unternehmen.



        Mit einer entsprechenden Gesetzgebung versucht der Staat diese Verantwortung auf Unternehmen zu übertragen (bzw. diese Verantwortung zu privatisieren)!

  • 6G
    65940 (Profil gelöscht)

    Kaum zu glauben, dass es dieses Gesetz noch nicht gibt und z.B. unsere Schokolade doch tatsächlich kleine Mengen Kinderblut und Tränen enthält.



    Wie kann er glauben, damit durchzukommen? Es spricht nicht nur Bände über seine eigene Moral, sondern auch über seine Ansichten, inwieweit der Wille der Bevölkerung in Bezug zum Regierungshandeln steht.



    Der alte Mann hat den Schuss nicht gehört. Es ist das Internet und macht dieser Farce früher oder später ein Ende. Noch kann er beeinflussen, wie dieses Ende aussehen wird.

    • @65940 (Profil gelöscht):

      Sie nennen das gute Beispiel Schokolade.



      Tatsächlich ist ein Großteil unserer Schokolade in den Regalen der Discounter mit Kinderarbeit hergestellt worden. Wenn kein Faretrade- Siegel draufsteht, kann der Konsument sicher sein Kinderblut in den Händen zu haltem.



      Auch der Konsument hat es in der Hand auf Fairtrade zu achten. Ich bin mir ziemlich sicher daß die Meisten das Siegel kennen.



      Wer dann trotzdem Ware von Ausbeutern kauft unterstützt dieses Ausbeutersystem.



      Wirtschaft steht immer in Wechselbeziehung von Angebot und Nachfrage. Die Wirtschaft wird sich nicht ändern wenn der Konsument sich nicht ändert. Und natürlich umgekehrt.



      Die Diskussionen um soziale und umweltpolitische Fragen richten sich hingegen sehr einseitig gegen Wirtschaft und Politik. Das ist erstmal recht bequem, weil man sich ja nicht an den eigenen Schopf greift.



      Werden Gesetzte wie das Lieferkettengesetz zum Schutze von Bauern wirklich konsequent eingeführt würde Schokolade um einiges teurer werden. Die Meckerer auf Konsumentenseite kann man schon hören. Das weiß die Wirtschaft und lehnt solche Gesetze ab aus Angst Kunden zu verlieren.



      Unser ganzer Billigkonsum und unersättliche Wohlstand basiert auf Ausbeutung von Menschen.



      Wir werden unseren Wohlstand stark einschränken müssen wenn die Ausbeutung aufhören soll. Das ist aber das Schreckgespenst unser Wachstumswirtschaft.



      Bei der Bereitschaft auf Verzicht in der konsumverwöhnten Bevölkerung bin ich überaus skeptisch.