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Initiative „Land schafft Verbindung“Großagrarier führt Bauernprotest an

Dirk Andresen ist an einem überdurchschnittlich großen Agrarunternehmen beteiligt. Dennoch glaubt er, für alle Bauern sprechen zu können.

Davon hat Bauernführer Andresen jede Menge: Ferkel in einer Schweinezuchtanlage Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin taz | Der bekannteste Sprecher der Bauernprotest-Bewegung „Land schafft Verbindung Deutschland“, Dirk Andresen, hat eine überdurchschnittlich große Sauenhaltung. Laut dem beauftragten Ingenieurbüro, Baukonzept Neubrandenburg, wurde die Anlage der Andresens im vorpommerschen Siedenbollentin im Jahr 2008 für 1.250 Sauen umgebaut. Das ist mehr als fünfmal so viel wie der durchschnittliche Sauenbestand in Deutschland, der nach Angaben des staatlichen Thünen-Agrarforschungsinstituts nur 244 Tiere beträgt. Die größeren ostdeutschen Betriebe verdrängen zunehmend mittelständisch-bäuerliche vor allem im Westen.

Auch die landwirtschaftliche Fläche ist groß: Die Andresen Siedenbollentin GmbH & Co. KG erhielt laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Jahr 2018 Direktzahlungen von der EU für 1.325 Hektar. Der Durchschnittsbetrieb in Deutschland hat nur rund 60 Hektar.

Andresen wollte der taz nicht mitteilen, wie groß die Anlage in Mecklenburg-Vorpommern ist. „Das ist der Betrieb meines Vaters“, begründete Andresen das. Deshalb wisse er nicht, zum Beispiel wie viele Sauen dort gehalten werden. Es seien „auf jeden Fall nicht 1.800 Sauen, eher 1.500“. Damit bestätigte er zumindest, dass die Anlage bei weitem überdurchschnittlich groß ist. Auf erneute Nachfrage räumte er ein, dass er an dem Betrieb beteiligt ist, was auch auf der Internetseite von „Land schafft Verbindung“ steht.

Auf die Frage, ob Andresen überhaupt für den durchschnittlichen Landwirt sprechen kann, antwortete er, dass in Ostdeutschland die Betriebe aus historischen Gründen größer seien: „Die Probleme der neuen Bundesländer sollen sich natürlich auch in ‚Land schafft Verbindung‘ wiederfinden.“ Sein Ko-Sprecher, der Bayer Sebastian Dickow, ergänzte: „Wir stehen ja für die Landwirtschaft als Ganzes und da gehören auch größere Betriebe dazu.“

Überdüngung: Forscher widersprechen Bauernführern

„Mit der Betriebsgröße ist eine bestimmte Interessenlage verbunden“, sagte dagegen Ulrich Jasper, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, zur taz. Wenn mehr Bauern wüssten, wie groß Andresens Betrieb ist, würden sich viele nicht von ihm vertreten lassen, meint er.

Tausende Landwirte der Bewegung wollen am Freitag erneut gegen Umweltvorschriften für ihre Branche demonstrieren. Veranstaltungen mit Traktoren würden zum Beispiel am Rande der Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin sowie in Bayern, Niedersachsen, Bremen und Hessen stattfinden, kündigten die Organisatoren an.

Sie wenden sich vor allem gegen einen Entwurf des Bundesagrarministeriums für eine Reform der Düngeverordnung. Er soll besonders die Düngung mit Stickstoff einschränken. Denn die potenziell gesundheitsschädliche Stickstoffverbindung Nitrat belastet das Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.

Der durchschnittliche Bauer würde aber gar nicht überdüngen, sagte Sebastian Dickow, Sprecher der Bewegung, der taz. In den jüngsten Stickstoffflächenbilanzen für Deutschland hatte die Universität Gießen jedoch festgestellt, dass die Landwirtschaft ihren Feldern von 2008 bis 2017 pro Hektar im Schnitt 77 Kilogramm mehr Stickstoffdünger zugeführt hat, als die Pflanzen aufgenommen haben, Tendenz: steigend.

„Die haben nicht den Rückgang der Tierhaltung berücksichtigt“, argumentierte Dickow. Der Überschuss sei deshalb geringer. „Das ist völliger Quatsch“, antwortete der Agrarwissenschaftler Martin Bach, Ko-Autor der Gießener Studie. „Das steckt natürlich da drin.“ Für die Bilanzen würden Daten vom Statistischen Bundesamt zu Flächennutzung, Erträgen, Mineraldüngung und Viehhaltung genutzt. „Die Methodik ist langjährig eingeführt und erprobt“, so Bach.

Bauernsprecher Dickow ergänzte, der Überschuss in den Gießener Bilanzen enthalte zudem Stickstoff, der gar nicht ins Grundwasser ausgewaschen werden könne. „Was nicht auswaschungsgefährdet ist, geht in die Luft“, schrieb dazu der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube der taz. Dort belasten Stickstoff-Verbindungen das Klima, über den Niederschlag gelangen sie wieder in den Boden. 30 bis 40 Prozent der Flächenbilanzüberschüsse landeten kurzfristig im Sickerwasser oder mittelfristig im Grundwasser, so Taube. „Ein Teil geht in die Luft“, sagte auch Bach. „Längerfristig bauen sich in unseren Acker- oder Grünlandböden keine Stickstoffreservoirs auf.“

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13 Kommentare

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  • Massentierhalter, also Besitzer von Agrarfirmen mit dem Potential in Massen Tiere zu quälen und abzuschlachten, sollte endlich das mörderische Handwerk genommen werden. Zudem heizen Sie mit ihrem Tun das Klima an und schädigen massiv die Umwelt ( Ein VIERTEL aller Klimagase kommen aus der Tierhaltung !!!! )



    Insgesamt ist das ein Verbrechen. Das solche Leute wie Andresen sich wichtigtuerisch in die Politik einmischen ist ein Skandal.



    Die Folgekosten von dieser Art der Massentierquälerei zahlt der Steuerzahler, auch wenn er sein Schnitzel noch spottbillig eingekauft hat.



    Der Konsument hätte es hingegen auch in der Hand diesen Verbrechern das Handwerk zu nehmen. Mit dem Boykott von Massentierhaltungsprodukten.



    Die Realität sieht leider anders aus. Trotz allem Wissen wird weitergekauft bei Aldi, Edeka, Lidl und Co, die Das Grauen aus den Argrarfabriken hauptgewinnbringend verkaufen.

    • @Traverso:

      Ich bin froh und hoffnungsvoll, dass es noch mehr Menschen gibt, die die Massentierhaltung als Verbrechen ansehen, denn laut Tierschutzgesetz ist es so nicht erlaubt. Man duldet es aber, weil es schon immer so gemacht wurde. Vielen Dank für Ihren Kommentar!

  • Ich bin verwirrt ehrlich gesagt.



    Für welche Bauern spricht nun "Land schafft Verbindung" (was für ein Name ist das eigentlich)



    Sind das von der Agroindustrie gesponserte und gesteuerte Agrarunternehmer die im Schlepptau andere unzufriedene Bauern mitziehen. Oder ist es wirklich eine Mehrheit der Bauern ?



    Was ist eigentlich mit den früher öfter mal erwähnten AFD Verbindungen von "Land schafft Verbindung".



    Mir fällt nur unangenehm auf, dass sie mit martialisch mit ihren nagelneuen Riesentraktoren kurz in irgendwelche Städte einfallen, wenig konstruktive Vorschläge machen und dann wieder verschwinden.



    Ich konnte bisher nie einen Hinweis auf zarte Selbstkritik hören, dass Bauer wie Städter vielleicht beide Fehler machen . Von einem Bauernvertreter hab ich das noch nie gehört dass auf Bauernseite vielleicht auch was nicht richtig läuft.

    • @Opossum:

      Für wem spricht dann der NABU mit über 16000 ha Besitz, wenn er Umstellung für die Landwirtschaft fordert ?

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @Opossum:

      》Sind das von der Agroindustrie gesponserte und gesteuerte Agrarunternehmer die im Schlepptau andere unzufriedene Bauern mitziehen. Oder ist es wirklich eine Mehrheit der Bauern ?《



      Ich glaube sowohl als auch. Die Sache kommt eindeutig aus der Industrielobby, die als einzige profitiert, aber viele Bauern ziehen willig mit, weil sie diese Verflechtungen zwischen Industrie und Bauernverbänden nicht durchschauen. Ich will niemand zu nahe treten, aber in allen Diskussionen mit Bauern in meinem Umfeld habe ich erlebt, dass eher emotional statt rational gedacht wird. Und dann sehen sie, wie sie als kleine Betriebe am Minimum entlang wirtschaften, während großindustrielle Bauern politisch gewollt und mit massiver EU-Förderung expandieren können. In Wahrheit handelt es sich auch bei den großen um Sklaven der chemischen Industrie, die ihr Land und unsere Umwelt kaputt machen müssen, um das technisch mögliche Maximum raus zu pressen.



      Solange die Bauern nicht lernen, dass ihre Feinde nicht bei den Grünen und den Umweltverbänden sitzen, sondern in den allein dem Geld verpflichteten Agro-Chemie-Konzernen, wird sich leider nur mit "politischem Druck" was ändern lassen.

      • @84935 (Profil gelöscht):

        Wie kommen Sie zu dem Glauben, die Mitglieder der Facebook-Gruppe seien von der Agroindustrie gesponsort?

        • @Chutriella:

          Weil ein Sprecher der Organisatin eine riesen Schweinemast besitzt und sicher arm dran ist. Weil immer wieder CSU und AFD in der Nähe dieser Organisation auftauchen und der Bauernverband auch immer in der Nähe ist wenns um diese Organisation geht.



          Und wenn wir schon mal dabei sind dann nervt kollosal dass dieser Organisation jegliche Selbstreflektion ihres Handlelns zu fehlen scheint.

        • 8G
          84935 (Profil gelöscht)
          @Chutriella:

          Gefällt ihnen "von der Agroindustie infiltriert, moderiert und aufgehetzt" besser?

  • Der Betrieb von Dirk Andresen müsste hier eigentlich als Vorbildlich gelten, was den Viehbesatz pro ha betrifft. 1250 Sauen ( ob Mast oder Zucht kann man aus dem schwammig geschriebenen Beitrag nicht entnehmen ) auf 1325 ha ist je nach GV (www.landwirtschaft...em-tabelle-gve.pdf ) nicht gerade viel.



    Ist das nicht das was verlangt wird, weniger Tiere pro ha ? Wenn es jetzt VIER Betriebe mit 312 Sauen auf 331 ha währen, würde sich beim Gülleanfall nullkommanull ändern.



    Nach der Logik des Herrn Maurin, dürfte auch ein Gewerkschaffts Vertreter nicht mehr verdienen als der durchschnittliche Arbeiter, um ihn angemessen zu vertreten.

    • @Günter Witte:

      Ein bisschen weniger Tierquälerei ist und bleibt Tierquälerei. Vorbildlich ? Oje

      • @Traverso:

        Wenn jemand ein Feindbild hat, bleibt alles was damit zutun hat ein Feindbild, auch eine Einstellung