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Rummelsburger BuchtViel Rummel, wenig Hoffnung

Obdachlose und Initiativen trommeln gegen die Bebauung am Rummelsburger See – ohne Erfolg. Ein Investor will dort ab Frühjahr ein Aquarium bauen.

Bote statt Beton steht auf diesem Hausboot, das an der Rummelsbucht vor Anker ist Foto: RubyImages/F. Boillot

Berlin taz | Von den Hochglanz-Visionen der Coral-World-Betreiber ist an der Rummelsburger Bucht noch immer nicht viel zu spüren. Statt exotischer Fische, gläserner Tunnel und Touri-Massen haben auf der Brache zwischen Ostkreuz und Rummelsburger See vor allem Obdachlose Zuflucht gefunden, die dem nahenden Baubeginn mit Sorge entgegenblicken.

Obwohl mit dem Beschluss des umstrittenen Bebauungsplans XVII-4 „Ostkreuz“ im April die letzte große politische Hürde für die Neugestaltung des letzten noch unentwickelten Uferstücks des Rummelsburger Sees genommen wurde, bedeutet das nicht, dass bald Ruhe in die Bucht einkehren wird. Denn an kaum einem anderen Ort in Berlin treten so viele stadtpolitische Konflikte offen zutage wie hier.

Auch für den Kulturwissenschaftler Iver Ohm, der sich in der Initiative „Bucht für alle“ gegen den Bebauungsplan engagiert, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: „Derzeit bereiten wir uns auf die Anhörung im Senat vor“, sagt er. Denn bevor die ersten Bagger anrücken, wird der Bebauungsplan noch einmal Thema im Abgeordnetenhaus. Über 35.000 Unterschriften sammelten die Aktivistist*innen gegen das Bauvorhaben. Nun soll sich der Hauptausschuss am 22. Januar mit dem Thema noch einmal befassen.

„Wir fordern weiterhin einen Rückkauf der landeseigenen Flächen und eine Rückabwicklung der Verträge für den Park von Coral World, der eigentlich öffentlich sein sollte“, sagt Ohm. Selbst wenn die Anhörung im Abgeordnetenhaus geringe Aussichten auf Erfolg haben sollte, geht es der Initiative auch darum, dass sich die enormen Fehler, die an der Rummelsburger Bucht passieren, in Berlin nicht so schnell wiederholen.

Möglichst viel Zeit schinden

„Wir wollen effiziente, verbindliche und direkt-demokratische Strukturen für Bürger*innenbeteiligung stärken“, sagt Ohm. Dazu fordern die Aktivist*innen eine neue „Schiedsstelle für akute Problemfälle in Stadtentwicklungsprozessen“, die in städtebaulichen Angelegenheiten ein aktives Bürger*innenveto und eine größere Transparenz ermöglichen sollen.

Darüber hinaus bereiten die Aktivist*innen noch eine Normenkontrollklage vor, mit der sie den B-Plan aufgrund formeller Fehler stoppen oder zumindest verzögern wollen. „Wir versuchen, jede Möglichkeit zu nutzen“, so Ohm.

Gegen das Vorhaben, den letzten noch unentwickelten Teil am Ufer der Rummelsburger Bucht mit einem Aquapark, Büros und vor allem hochpreisigen Mietwohnungen zu bebauen, entwickelte sich in den letzten Jahren viel Widerstand.

Angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum, Schul- und Kitaplätzen in Lichtenberg stießen die Pläne des Bezirks bei vielen Anwohner*innen auf Unverständnis – besonders, weil es sich bei der Fläche um ein vormals landeseigenes Grundstück handelt, das deutlich unter Marktwert an verschiedene private Investoren verkauft wurde. Dazu kommt, dass mit der Kulturstätte „Rummelsbucht“ ein weiterer Bezugspunkt der alternativen Szene verdrängt werden würde.

Widerstand am „Widerstrand“

Drei Großdemonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern, ein alternativer Bebauungsplan und eine erfolgreiche Volksinitiative schafften es allerdings nicht, die Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Lichtenberg umzustimmen. In einer turbulenten, immer wieder unterbrochenen Sitzung stimmten die Verordneten für den Bebauungsplan.

Das Argument des Bezirks, trotz aller Widerstände am B-Plan festzuhalten, war nicht etwa, dass man von der geplanten Bebauung überzeugt sei, sondern dass man mit dem Grundstücksverkauf des Landes vor vollendete Tatsachen gestellt worden sei – und Verzögerungen seien angesichts des langen Leerstands nicht zu verantworten.

Derartig endgültig klingende Sachzwänge motivierte einige radikalere Aktivist*innen, eine andere Ebene der politischen Auseinandersetzung zu suchen. Die queer-feministische Wagengruppe DieselA besetzte Ende Juni eine der Investa GmbH gehörende Brache an der Hauptstraße 2. Zur Überraschung der Besetzer*innen wurde die Besetzung nicht geräumt. Grund: Der Grundstücksverkauf war bis dato noch nicht abgewickelt; die Fläche gehörte formell noch dem Land. Das hatte wenig Interesse an einer Räumung.

Die Besetzer*innen nutzten die Zeit, um die ursprünglich als symbolische Aktion gegen den B-Plan, Gentrifizierung und Verdrängung linker Projekte geplante Besetzung auszubauen. Neben grundlegenden Strukturen wie Toiletten und einer Küche öffneten die Be­set­zer*innen mit dem „Widerstrand“ einen Teil der Fläche für die Allgemeinheit. Auch ein „Ätschibätsch“ genanntes Baumhaus wurde von den Aktivist*innen errichtet.

Etwa 150 Obdachlose leben auf der Brache

Die neuen Eigentümer schickten zwar immer wieder Briefe, Sicherheitspersonal und Vertreter*innen, aber trotz mehrmaliger Ankündigung blieb eine endgültige Räumung des Wagenplatzes, der mittlerweile „Sabotgarden“ heißt, bis heute aus. Lediglich der Widerstrand wurde geräumt und ein neuer Zaun errichtet, den Securities bewachen.

Die Besetzer*innen von Sabotgarden sind nicht die einzigen Bewohner*innen der Fläche, die jederzeit mit einer Räumung rechnen müssen. Auch geschätzt 150 Obdachlose leben hier auf der Brache zwischen Rummelsburger See und Ostkreuz.

Einer von ihnen trägt den Spitznamen Mama. Er steht zitternd an einer kleinen Feuerstelle und wärmt sich die Hände. Das kleine Feuer reicht kaum, um gegen die winterliche Kälte anzukommen. „Wir wissen nicht mehr weiter“ sagt der 28-Jährige. Der Wintereinbruch und die schlechten hygienischen Bedingungen machten den Bewohner*innen zu schaffen, sagt Mama, „viele hier sind nervlich am Ende“.

Im vergangenen Winter hatte der Senat für das Camp noch Toiletten, einen Müllcontainer und ein beheiztes Zelt bereitgestellt. Im April lief die Förderung mit dem Ende der Kältehilfe aus, von einem auf den anderen Tag wurden die Toiletten und Zelte wieder abgebaut, der Müll nicht mehr geleert. Statt wie geplant die Bewohner*innen in feste Wohnungen zu vermitteln, wuchs das Camp stark an. Obdachlose, die anderswo in der Stadt vertrieben wurden, zogen auf die Fläche.

Ab dem Frühjahr sollen die Bagger kommen

In dieser Kältesaison passierte erst einmal nichts, Senat und Bezirk schoben sich gegenseitig die Verantwortung für die Versorgung der Obdachlosen zu. Währenddessen verschlechtern sich die Zustände im Camp täglich, unter anderem sind Ratten ein großes Problem.

Am 17. Dezember gab es erstmals eine Gesprächsrunde zwischen dem Bezirk Lichtenberg, der Senatssozialverwaltung, Street­worker*innen und anderen beteiligten Akteuren. Als vorläufige Lösung präsentierte ­Sozialsenatorin Elke Breitenbach den Brachen-Bewohner*innen eine Aus­weich­unterkunft in der Köpenicker Allee in Karlshorst, in die sie voraussichtlich in Kürze einziehen können. Allerdings ist das Angebot nur befristet bis zum Ende der Kältesaison am 30. April, danach müssten die Bewohner*innen wieder anderweitig Unterkunft finden. Fraglich ist daher, wie viele der Obdachlosen das Angebot annehmen werden.

Die Bauarbeiten für Coral World sollen im Frühjahr beginnen, spätestens dann müssten alle hier weg. Im Gespräch seien Ersatzflächen, sogenannte Safe Places, auf denen die ­Menschen zeitweise legal unterkommen können. „Das Land ist bemüht, aber es gibt bisher keine ­Ergebnisse“, erklärt Jörg Richert von der Karuna Sozialgenossenschaft, die das Camp betreut.

Mama hat das Vertrauen in die Politik verloren: „Wir sind wieder am Nullpunkt gelandet“, sagt der Sprecher des Camps, „es kann nicht sein, dass wir ein Jahr lang betteln müssen, um wie Menschen behandelt zu werden.“

Ein Platz für obdachlose Menschen ist im „Bebauungsplan Ostkreuz“ ebenso wenig vorgesehen wie für die bestehenden Wagenplätze oder den Kulturort „Rummelsbucht“. Das sind einige der Gründe, die aus dem B-Plan so ein brisantes Thema machen: „Die soziale Gemengelage ist hier so divers, dass sie viele Politiker*innen überfordert“, sagt Ohm, „an der Rummelsburger Bucht häufen sich daher viele städtische und soziale Fragen, die leider von der SPD und den Linken im Bezirk in diesem Fall grundlegend falsch beantwortet werden.“

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