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Lübeck spricht gendersensibelMach mal ’nen Doppelpunkt

„Diskriminierungsfrei kommunizieren“: Seit 1. Januar gelten neue Sprachregeln für Lübecks Verwaltung. Statt Stern nutzt die Stadt den Doppelpunkt.

Ist das noch das Deutsch von Goethe und Grass? Lübecks Verwaltung gendert jetzt per Doppelpunkt Foto: dpa

Hamburg taz | Mancher – und die exklusiv männliche Form ist hier genau richtig – wittert vielleicht eine günstige Stunde. Weil es doch Stefan Schostok war, damals noch SPD-Oberbürgermeister, unter dem sich die Stadt Hannover vorgenommen hatte, künftig auf eine „geschlechtergerechte Verwaltungssprache“ zu achten. Wenn aber dieser Schostok jetzt aus dem Amt ist, mit Untreue-Vorwurf und so: Kann man dann nicht auch diesen „Genderwahn“ gleich mitent­sorgen?

„Geschlechtsumfassende Formulierungen“ nämlich sollten da verwendet werden, also „Redeliste“ statt „Rednerliste“ oder „das Protokoll schreibt“ anstelle von „Protokollführer ist“. Wo das aber nicht gehe, so die Handreichung aus Hannover weiter, „ist der Genderstar (z. B. Antragsteller*innen) zu verwenden“.

Warum aber der kleine Ausflug an die Leine und ins vergangene Jahr? Weil dieser Tage auch an der Trave solche Regeln, oder besser: Empfehlungen gemacht worden sind. Mit dem Jahreswechsel trat nämlich ein „Leitfaden für gendersensible Sprache bei der Hansestadt Lübeck“ in Kraft. Und dessen Autor*innen – beziehungsweise: Autor:innen, dazu gleich noch mehr – berufen sich ausdrücklich auf die Vorarbeiten in Hannover, ferner auch auf die Flensburger Verwaltung: Auch da gibt es seit vergangenem Juni eine entsprechende Leitlinie.

Sprache sei „keine stabile Einheit“, teilte in diesem Zusammenhang nun Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau mit, sondern vielmehr „in ständiger Veränderung“. Und weiter: „Lübeck als tolerante und offene Stadt muss diskriminierungsfrei kommunizieren. Mit dieser Regelung für die Stadtverwaltung wollen wir einen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit leisten.“

Die Folge: Seit 1. Januar wird „in der Verwaltung der Hansestadt Lübeck so formuliert, dass sich alle Geschlechter angesprochen fühlen (z. B. Beschäftigte)“, erklärt das neue Verwaltungspapier. Und abweichend von den erwähnten hannöverschen Regularien: „Ist so eine umfassende Formulierung nicht möglich, wird der Gender-Doppelpunkt verwendet (z. B. Bewohner:innen).“

Ob nun aber Sternchen oder Doppelpunkt: Die Stadt Lübeck kann sich des Shitstorms selbsternannter Sprachverteidiger sicher sein – wenn sich die Sache erst herumgesprochen hat.

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13 Kommentare

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  • Hallo?



    Was ist das für ein Artike, der nicht erwähnt, das ist immerhin ein Verfassungsgerichtsurteil gibt, nach dem juristisch das dritte Geschlecht eingeführt wurde. Das muss ja auch in Sprache abgebildet werden. Insofern ist es hier keine Befindlichkeitsfrage in Lübeck, sondern Umsetzung einer Rechtslage.

    Immerhin ist Verwaltung jetzt auch gefragt, Statistiken zu erstellen wie viele Menschen mit welchem Geschlecht es gibt z.b. unter den Nutzer:innen von Tafeln oder denen von Bürger:innenbüros, bei Studierenden oder Zugezogenen in Lübeck. Zur Erfassung derartiger Statistiken brauche ich eben auch eine Sprache, in der ein drittes Geschlecht erscheint in der Schriftform.

    Klar ist das Ganze gewöhnungsbedürftig beim Lesen, Aussprechen, Formulieren von Texten, Schreiben von Romanen... Aber ohne Herausforderung keine Kreativität und Entwicklung.

    • @Malkah:

      Ihre Argumentation überzeugt nicht. Ein Gericht kann ein neues Geschlecht nicht einfach "einführen", wie Sie sich ausdrücken. Außerdem muß auch da überhaupt nichts "abgebildet" werden. Das wäre ja noch schöner, wenn Behörden uns vorzuschreiben hätten, wie wir zu sprechen haben. Und, überlegen Sie doch mal, stellen Sie sich vor, eine Regierung käme an die macht, die Sie nicht so toll fänden. Was würden Sie denn dann sagen, wenn die Ihnen vorschreiben würde, wie Sie zu sprechen haben? Na, da möchte ich Sie aber mal sehen.

    • @Malkah:

      Das ist ein Missverständnis. Das Verfassungsgericht stellte in seinem Beschluss (kein Urteil!) vom 10.10.2017 [BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16] nicht, dass ein Gendersternchen o.ä. verwendet werden müsse – vielmehr geht es hier um eine registertechnische Frage des Personenstandrechts, die nichts mit Sprachformen zu tun hat.

      Relevanter ist da schon ein Urteil des BGH am 18.03.2018 [BGH, Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 143/17, NJW 2018, 1671–1675], dass das generische Maskulinum im Zivilrechtsverkehr vollkommen ausreiche.

      • @mbert:

        Na - da schau her -

        VI ZR - d.h. 4. Zivilrechtssenat -



        Also nichemal by Thomas Fischer & Co.!



        Andererseits - “Erbrecht, Versicherungsvertragsrecht“ - Ach was!



        & Däh! derzeit -,



        Vorsitz - Frau:in & drei weitere! immerhin:innen! Von acht!



        (Besser als bei Uschi vd Lie-ing - wa!)

        www.bundesgerichts...ionFile&v=2#page25

        &



        Nochens - der steinalte Fitje&Tetje-Witz -



        “Beschäftigte beiderlei Geschlechts - ??!!



        Wer hett dat denn?!“ - funzt auch nicht mehr. Mist aber auch. Echte Baisse am Witzemarkt! Genderneutral - Aber Hallo



        Normal.

        Soweit mal -

    • @Malkah:

      Liggers. Schon

      “ Klar ist das Ganze gewöhnungsbedürftig beim Lesen, Aussprechen, Formulieren von Texten, Schreiben von Romanen... Aber ohne Herausforderung keine Kreativität und Entwicklung.“ - Jau. Auch in Romanen.

      & frauman ahnt es schon sojet mazepan:



      Klarheit Klarstellen - lübsche Tradition!



      & Däh - Er! - remember -



      Als ein Schnösel namens Thomas Mann



      “Buddenbrooks: Verfall einer Familie - “



      Veröffentlicht als Roman ganz ungenant



      Sich flugs & zum Skandal - passend mal



      Fanden sich Ausgaben - mit Klarnamen.



      & Däh - frogten …:innen sick - : -



      Was (& zudem bis heut) bei den Damen!



      Anstoß fand “Bün ik würklich soo dick?“

      unterm—- sah den alten Herrn - 1955 -



      Auf dem Schulhof - Arbeitgeberhut! grrr



      Fand ich & sei BankHupfperle - doof.



      Eh er - wie später bei Willy - nach lang Gewürge - kurz vor Tod - die Ehrenbürgerwürde - "verliehn“ bekam.

      & Däh! Chapeau! So -



      Souverän aber cool dorten dieser Mann.



      & lausige HonoratiorenFlegelei:



      Däh! 20 Reihen - aufgekauft - warn frei!!



      Zum Rest - “Kommens doch gern näher!“



      Er. Seine Rede begann! -:-:-:-

  • Ich bin für Gleichberechtigung und gleichzeitig gegen die lächerliche Verschandelung der deutschen Sprache.

    Ich schreibe nur Worte, die ich auch aussprechen kann. Deutsch ist eine schöne Kultursprache in der man sich differenziert ausdrücken kann.

    Lesersterncheninnen / Leserdoppelpunktinnen sind für mich keine Worte, die ich jemals in einer Diskussion aussprechen würde..

  • Ich halte es für diskrimierender und stärker ausgrenzend, die Sprache immer komplizierter zu machen, als die üblichen, verständlichen und allen bekannten generischen Formen zu verwenden, die alle einschließen. Ich empfinde das gendern eher als elitär, denn als gerecht.

  • Schade. In der Vorschau auf der Startseite verspricht der Titel "Sprich mal 'nen Doppelpunkt" Erklärung, wie man den Doppelpunkt denn nun bitteschön ausspricht. Auf der Artikelseite heißt es stattdessen "Mach mal 'nen Doppelpunkt" und inhaltlich macht sich ein "selbsternannter Sprachprofi" lediglich über "selbsternannte Sprachverteidiger" lustig, die sein eigentliches Metier ernster nehmen als er selbst.

  • Liggers. - “ Ob nun aber Sternchen oder Doppelpunkt: Die Stadt Lübeck kann sich des Shitstorms selbsternannter Sprachverteidiger sicher sein – wenn sich die Sache erst herumgesprochen hat.“

    Na - Si’cher dat. Dafür wird - kurz&knapp & keine - : - eine keine Petitesse - : - : - der lübsche -



    “ „Er ist einer der wenigen Talente, die die SPD noch hat“, erklärt Ex-Ministerpräsident Björn - der Ikea-Klappstuhl - Engholm - (grad der!;)) -



    Bürgermeister Jan who? - schonn sorgen

    kurz - “Freie Bahn für Mazepant:innen.“



    (Fa. Niederegger:innen macht’s möglich)



    & Däh! -



    unterm—— in der Glockengießer -



    Sind schon die ersten GraSS:innen - gesichtet worden.



    Dee Butt. Wat mutt - Datt mutt. Normal.

    Na Mahlzeit

  • Immer noch das Problem: Wie spricht man das?

    Doppelpunkt passt sich immerhin besser in das Schriftbild ein als der (hochgestellte) Stern.

  • Und erneut: in einer pluralistischen Gesellschaft ist vieles möglich (und auch legitim) - wenn die Mehrheit es wünscht. Die die Initative ergreifende Avantgarde in Siegen, Hannover und Lübeck mag sich auf ihre respektiven repräsentativen Mandate berufen, würden sie aber diese Fragen einfach mal dem Elektorat stellen, statt hinter verschlossenen Türen Tatsachen zu schaffen, bekämen sie wohl ziemlich sicher eine Abfuhr. Da fragt man (frau) dann doch lieber nicht, Basisdemokratie ist eh überschätzt :)

    Die besagten Tatsachen können u.a. auch deshalb bisher relative mühelos geschaffen werden, weil das Thema "Gendern" bei Wahlen üblicherweise im Windschatten einfach als wichtiger erachteter Themen segelt. Und da links der Mitte ein gewisser Anpassungsdruck von innen herrscht und so richtig offen nur die politische Rechte meckert, werden dann am Ende doch lieber die Köpfe eingezogen, wenn auch zunehmend widerwillig.

    Ich finde, ein offener Diskurs, ob im 21. Jahrhundert das Gendern wirklich noch zielführend ist, sollte selbst links von der Mitte nicht nur erlaubt sein, sondern auch stattfinden. Die Generation der Kinder, die ich nicht habe, scheint sich dafür erstaunlich wenig zu interessieren. Kann es vielleicht sein, dass die die Welt ganz anders wahrnehmen, als wir Ü-50er? Vielleicht sollten wir ganz einfach ihnen die Entscheidung überlassen, denn die müssen noch weit länger mit den Konsequenzen leben als wir.

    Ich selber habe vor rund 15 Jahren ganz ideologiefrei meine Schlüsse gezogen - gendererte zunächst immer weniger, mittlerweile gar nicht mehr. Und diese fast schon autoritäre Vehemenz, mit der das Thema jetzt von meinen in die Chefsessel beförderten Generationsgenossen (äh, 'tschuldigung, -Innen natürlich) vorangetrieben wird, stört langsam einfach nur noch.

    • @mbert:

      @MBERT Sie sprechen mir aus der Seele. Und wenn sich solch vernünftige Ansätze mal durchsetzen würden, gäbe es fast keine Gründe mehr AfD zu wählen. Wollen Sie nicht vllt. für ein politisches Amt kandidieren?

    • @mbert:

      Danke MBERT!