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CDU und Rechte in Sachsen-AnhaltNach rechts gekippt

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Die Affäre Möritz zeigt: Der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt ist der Bundespartei entglitten. Wie der gesamte Osten.

Hakenkreuze gehen nicht, heißt es aus der CDU-Zentrale. Sonnen gehen offenbar Foto: dpa

M an muss die CDU nicht mögen und nicht wählen. Aber dass diese Partei zur unsicheren Variabel der parlamentarischen Demokratie wird, sollte man ihr und dem Land nicht wünschen. Wenn die CDU nicht mehr weiß, wofür sie steht – und wofür ausdrücklich nicht -, gerät die politische Tektonik ins Wanken. Eine CDU-Führung, die sich nicht klar gegen rechts abgrenzt, kann nach Hause gehen. Sie wird nicht mehr gebraucht, um die Mitte der Gesellschaft zu repräsentieren.

Als Anfang dieser Woche der Streit um einen bestens vernetzten Rechtsausleger im Landesverband Sachsen-Anhalt hochkochte, meinte man noch, das sei eine klare Sache. Spätestens am Montagmittag würde sich der Generalsekretär an die Öffentlichkeit wenden und erklären, was die CDU mit Nazis zu schaffen hat: Nichts. Kürzlich hatte Annegret Kramp-Karrenbauer ja beim Parteitag an den ermordeten Parteifreund Walter Lübcke erinnert und über die Rechten gesagt: „Das sind die Brandstifter, und wir dürfen nie die Biedermänner sein, die ihnen auch noch die Streichhölzer geben.“

Am Ende dieser Woche steht zu befürchten, dass Teile der CDU nicht nur die Streichhölzer weiterreichen. Robert Möritz musste erst selbst austreten – seine Parteifreunde hätten ihm eine „zweite Chance“ eingeräumt. Soweit ist es gekommen bei der CDU. Die Kreis- und Landesverbände können das, weil die Führung dieser Partei zwar dauernd mit großer Geste beteuert, so was von gegen Nazis zu sein.

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„Ohne Wenn und Aber: Hakenkreuze gehen gar nicht“, hat CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff gesagt, als verstehe sich das nicht von selbst. Und Annegret Kramp-Karrenbauer beteuerte: „Wir gehen gegen jede Form von Rechtsextremismus entschlossen und kompromisslos vor.“ Wie, sagte sie nicht. Floskeln dieser Art sind folgenlos für Parteifreund Möritz und seine Getreuen. Es sind Wortstanzen, die Faschismus zur Privatmeinung verzwergen und praktizierten Extremismus zur akzeptierten Vereinstätigkeit.

Der Landesverband Sachsen-Anhalt ist der Bundespartei entglitten. Wie eigentlich der ganze Osten. Im Konrad-Adenauer-Haus kann man nichts dafür, wenn in Sachsen-Anhalt der Landesparteitag beschließt, die CDU sei unterhalb einer Koalition bereit für eine Zusammenarbeit mit der AfD. Wenn zwei Vizefraktionschefs eine „Denkschrift“ veröffentlichen, in der es heißt: „Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen.“ Aber die Bundespartei muss entschlossen Haltung zeigen und darf sich nicht aus Angst vor dem Koalitionsbruch wegducken.

Der ganze Vorgang illustriert, wie zerfasert die Verbindung der Bundes-CDU in den Osten ist. Wer in dieser Partei unterwegs ist, trifft häufig auf Augenrollen und Ratlosigkeit, wenn es um Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen oder Sachsen-Anhalt geht. Allein das Saarland hat dreimal mehr CDU-Mitglieder als Brandenburg – so muss man sich auch die Kräfteverhältnisse und Interessenlagen in der Partei vorstellen.

Dreißig Jahre hat man die kleinen Landesverbände mitgetragen. Sie haben sich tragen lassen. In die Verantwortung kamen ihre Vertreter nie, sieht man einmal von der Ostdeutschen Merkel ab. Aber die Ost-CDU richtete sich in ihrer Zweitklassigkeit ein und freute sich über Westbesuch, der pünktlich zu den Landtagswahlen einschwebte. Und wenn so ein Mini-Landesverband wie in Sachsen-Anhalt demokratiefeindliches Zeug beschloss, wurde irgendwas von breit aufgestellter Volkspartei erzählt.

Dieses Machtprinzip kommt nun an sein Ende. CDU-ler zu sein bedeutet seit dem Erstarken der AfD nicht länger, automatisch bei den politischen Gewinnern zu sein. Parteifreunde, die in diesen politisch unübersichtlichen Zeiten nach rechts kippen, müssen wieder auf die Werte der Partei verpflichtet werden. Das ist jetzt Aufgabe der ganzen Partei, vor allem ihrer Führung. Es wäre ein Dienst am ganzen Land.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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19 Kommentare

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  • ich erinnere mich angesichts dieses CDU-OST-Zustandes immer wieder an meine Wetten mit damaligen und heutigen Freunden, als ich die 10 Jahre in Brandenburg unterwegs war und in schätzungsweise 100 Gemeinderatssitzungen war. Ich hatte um jeweils eine Kasten Wein oder Bier gewettet, dass meine Freunde nicht erraten würden, von welcher Partei der/diejenige war, die/ der gerade jeweils sprach. Das Beeindruckendsten war , dass man meist die CDU-Blockflöten für alt-SED-GenossenInnen hielt und die SED-GenossenInnen für OST-Blockflöten.Das ging hoch bis zum damaligen InnenChef des Focus/Michael Jach.Der konnte es sbsolut nicht fassen, das er einen SED-Ler für einen CDU-ler gehalten hatte - und er hätte es sogar geschworen. Was das soll? Westler denken imm er CDU ist gleich CDU. Ist es aber absolut nicht und JournalistenInnen vermitteln das auch irgendwie nicht so, dass es im Westen deutlich genug wird.

  • Ein ehemaliger Nazi erkennt, dass er auf dem Holzweg war und wird CDU-Mitglied...finde ich gar nicht so schlecht, geht besser aber naja, zumindest kein Nazi mehr. Ihn jetzt zu verurteilen, um sich selbst als engagierten Antifaschisten zu beweihräuchern finde ich lächerlich! Wie soll denn ein aufeinander Zugehen in einer Gesellschaft funktionieren nach der Doktrin: "Einmal Nazi, immer Nazi"? Dann bleibt nur noch das gegenseitige Zerfleischen, welches nur der Selbstvergewisserung und moralischen Selbstdarstellung dient und zur weiteren Polarisierung beiträgt.

    • @Queek:

      Wenn er ein geläuterter Nazi ist, warum hat er dann behauptet sein Sonnenrad-Tattoo sei seinem Interesse an keltischer Kultur geschuldet? Warum hat er verschwiegen als Ordner auf einer Nazidemo mitgelaufen zu sein?

      Ihre Lesart ist ganz nett, aber genauso ist es doch möglich dass ein Nazi erkannt hat, dass es keine Machtperspektive mit der NPD gibt und er sich dann der CDU angeschlossen hat um seine diskremenierenden Ideen mit dieser Partei umzusetzen.



      Auf Nazis geht man nicht zu, Nazis schließt man aus.

      • @Hauke:

        "Auf Nazis geht man nicht zu, Nazis schließt man aus."



        Sehe ich ganz genauso.

    • @Queek:

      Solange, wie in diesem Fall keine klare Distanzierung erfolgt, kann man eben nicht von einem *ehemaligen* Nazi sprechen.

      Und von Möritz kam eben keine Distanzierung, nur Ausflüchte. Er hätte nicht gewusst, wofür die schwarze Sonne steht, zb. Das ich nicht lache. Und als die CDU Sachsen-Anhalt ihm dann Gelegenheit geben wollte sich endlich glaubwürdig zu distanzieren, da zog er es dann doch vor auszutreten.

      Also nochmal, wie kommen Sie bitte darauf dass es sich bei dem Typen um einen *ehemaligen* Nazi handeln sollte? Und sollte ein Nazi desen "Ex-Status" derart zweifelhaft ist ihrer Meinung nach auch eine zweite Chance bekommen?

  • Der gesamte Osten ist entglitten, lese ich in der Überschrift. Genau. Gut, wenn man Vorurteile hat. Das erleichtert die Weltsicht.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    der osten ist entglitten, nachdem seine bewohner in den 1990er jahren für die konservativen, westdeutschen wirtschaftsinteressen verraten und verkauft wurden, während gleichzeitig ebenfalls westdeutsche nazis in jugendzentren und fußballvereinen die jugendarbeit finanziert haben.



    dieses pulverfass würde ohne die fleißige, westdeutsche förderung nicht existieren.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @90118 (Profil gelöscht):

      Das Dümmste in einer solchen Situation (Sie leisten da schon prächtige "Aufbauhilfe") noch Öl ins lodernde Feuer kippen.

      So ein Pech aber auch, dass es Menschen gibt, die da nicht mitmachen.

      • 9G
        90118 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        hä?

  • „Man muss die CDU nicht mögen und nicht wählen. Aber dass diese Partei zur unsicheren Variabel der parlamentarischen Demokratie wird, sollte man ihr und dem Land nicht wünschen“



    Genau! Nachdem Herr Möritz die CDU verlassen hat (und sich möglicherweise der AfD oder gar NPD anschließt), muss auf ihn auch keine Rücksicht mehr genommen werden. Die CDU sollte sich auf Wähler konzentrieren, denen Linkspartei, Grüne und SPD zu links und AfD und NPD zu rechts sind. Mehr Möglichkeiten gibt es inzwischen nicht mehr für diese ehemalige „Volkspartei“!

  • Genau. Den rechten Rand einfach nicht mehr bedienen und damit der AfD den Weg in die Mitte frei machen. Die Merkel-CDU ist ein Scheinriese. Wenn der Rechts-nationale Rand endgültig wegbricht und der soziale Aspekt vernachlässigt wird, dann werden kaum mehr als 20% für die CDU stimmen. Wer will das?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    OK, da war also ein Nazi in der CDU. Böse Sache. Aber der ist jetzt weg.

    Mir macht ehrlich gesagt mehr Sorgen, wenn CDU-Formationen dieser Landesverbände auf welcher Ebene auch immer anfangen mit der AfD Bündnisse zu machen.

    Den Dampf dieser Kacke würde man weit sehen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Nicht nur sehen ... vor allem: riechen!

  • "Sie wird nicht mehr gebraucht, um die Mitte der Gesellschaft zu repräsentieren."

    Ausgerechnet die taz meint, die CDU hätte jemals die Mitte der Gesellschaft repräsentiert?

  • Gehts noch eine Nummer alarmistischer?

    Von dem ziemlich unwichtigen noch nicht einmal Kommunalpolitikerder CDU ist meines Wissens nicht bekannt, dass er je öffentlich zu Gewalttaten gegen andere Menschen (im Sinne der Leser geht es allerdings "nur" um Polizisten) aufgerufen hat oder gar selbst gewalttätig wurde. Ganz im Gegensatz zu höchsten Politikern der Grünen in ihren jüngeren Jahren.

    Und selbst die AfD ist bei weitem nicht so weit nach rechts "gekippt" um dort zu stehen, wo der mir über lange Jahre persönlich bekannte allgemein anerkannte ehemalige Fraktionsvorsitzende der CDU damals ziemlich fest stand.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @NN:

      Gwücklunsch!

      Wer NN (nicht nominiert) ist, kann auch nur mit nichtigen Hinweisen aus der Dunkelkammer "glänzen".

      Welche Relevanz haben noch mal 2019 Politiker der "Grünen in jüngeren Jahren"? Außer dem der Ablenkung?

      Nicht mehr auf der Pfanne???

    • @NN:

      Genau, das bischen Nazi! und dann so ein bohei! Is doch Weihnachten und haben wir nicht alle irgendwie ne nationalsozialistische Vergangenheit?



      Außerdem: Die Linken sind viel schlimmer!

      • @Hauke:

        Danke. Echt, danke

      • @Hauke:

        Hahaha... volle Zustimmung!