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Flucht und Migration nach EuropaDer andere Weg nach Spanien

58 Menschen aus Gambia sind vor der Küste Mauretaniens beim Kentern ihres Bootes ertrunken. Sie waren unterwegs zu den Kanarischen Inseln.

Damals kamen noch sehr viele: Geflüchtete im Hafen von Santa Cruz, Teneriffa 2006 Foto: Arturo Rodriguez/ap

BERLIN taz | Bei einem Bootsunglück vor der Küste Mauretaniens sind am Mittwoch mindestens 58 Menschen ertrunken. Das gab die Internationale Organisation für Migration (IOM) bekannt.

Demnach befanden sich etwa 140 Menschen an Bord des Bootes. 87 der Insassen retteten sich schwimmend ans Ufer. Das Unglück ereignete sich etwa 50 Kilometer südlich der Stadt Nouadhibou, ganz im Norden Mauretaniens.

Bei den Insassen handelt es sich den IOM-Angaben zufolge um gambische Staatsangehörige. Das Boot hatte nach Aussagen Überlebender den kleinen Staat an der westlichen Spitze Afrikas am Mittwoch, dem 27. November, in Richtung Kanarische Inseln verlassen. Dorthin sind es etwa 1.600 Kilometer.

In den sieben Tagen bis zum Schiffsunglück am Mittwoch legte das Boot rund die Hälfte der Strecke zurück. Dann ging der Treibstoff aus und es kenterte. Die Überlebenden wurden von der IOM in das Krankenhaus der Stadt Nouadhibou gebracht.

Anstieg der Flüchtlingszahlen auf den Kanaren

Die Zahl der Ankünfte von Flüchtlingen und irregulären MigrantInnen auf den Kanarischen Inseln ist seit einiger Zeit deutlich angestiegen. 2019 erreichten auf diesem Weg nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex 1.987 Menschen auf 109 Booten spanisches Territorium, das waren etwa fünfmal so viele wie zwei Jahre zuvor.

Grund dafür war vor allem die restriktive Politik des mittlerweile aus dem Amt geschiedenen italienischen Innenministers Matteo Salvini, der die Route übers Mittelmeer zu blockieren versuchte. Trotzdem ist der Weg von der westafrikanischen Küste zu den Kanaren die am schwächsten frequentierte Migrationsroute. Von 2010 bis 2017 kamen so jedes Jahr nur einige Hundert Menschen in die EU – ein Bruchteil der Zahlen im Mittelmeer.

Das liegt nicht nur an dem langen und entsprechend beschwerlichen Weg über das Meer. Es hat vor allem damit zu tun, dass Spanien sehr früh in der Region interveniert und die Route effektiver blockiert hat, als es der EU irgendwo sonst gelungen wäre.

Ab 2005 hatte die Regierung in Madrid zunächst die Sperranlagen der Enklaven Ceuta und Melilla deutlich verstärkt. Im folgenden Jahr kamen rund 31.000 Flüchtlinge und MigrantInnen an den Küsten der Kanaren an – für damalige Verhältnisse eine extrem hohe Zahl.

Für Westafrika gibt es Geld samt Guardia Civil aus Spanien

Madrid stockte die Entwicklungshilfe für Westafrika deutlich auf und erkaufte sich damit das Recht, vor allem in den Küstengewässern Senegals zu patrouillieren.

Seither ist die spanische Grenzschutztruppe Guardia Civil dauerhaft im Hafen der senegalesischen Hauptstadt Dakar stationiert und fängt Boote, die ihr verdächtig erscheinen, einfach ab. Senegal stellte gar den Versuch, das Land zu verlassen, um ohne Papiere nach Europa zu reisen, unter Strafe.

Spanien bekam ab August 2006 europäische Hilfe für diesen Einsatz: Die gerade ge­gründete EU-Grenzschutzagentur Fron­tex beteiligte sich an der Überwachung der Kanaren.

Geräuschlose „Operation Hera“ von Frontex

Die „Operation Hera“ genannte Mission war die längste, die Frontex bis heute unternommen hat. Sie lief zwölf Jahre lang, weitgehend geräuschlos, bis 2018. Unter anderem bekam die Guardia Civil Unterstützung durch französische Hubschrauber.

Die Grenzschützer beschränkten sich allerdings nicht darauf, Boote nur aufzuhalten und zurückzuschicken. Jene, die schon weit in Richtung Kanaren vorgedrungen waren, wurden jahrelang in einem eigens errichteten Internierungslager eingesperrt. Das befand sich in der mauretanischen Stadt Nouadhibou – genau dort, wo sich nun das Unglück ereignete.

Die Aufgehaltenen wurden von dort auf Lkws der mauretanischen Armee durch die Wüste zurück nach Süden gefahren und an der Grenze zu Mali abgesetzt. Dabei wurde offenbar keine Rücksicht darauf genommen, ob es sich bei den Menschen um Schutzbedürftige handeln könnte. Die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, wurde ihnen verweigert – ein klarer Rechtsverstoß.

Kein Einblick in Einsatzdokumente

2016 versuchte das in Berlin ansässige Europäische Zentrum für Grund- und Verfassungsrechte, die entsprechenden „Hera“-Einsatzdokumente zu erhalten. Doch Frontex gab diese nur geschwärzt heraus.

Seit 2013 haben etwa 61.000 GambierInnen einen Asylantrag in der EU gestellt. Das sind angesichts der Einwohnerzahl des Landes von nur gut 2 Millionen sehr viele. Denn obwohl Gambia eines der wenigen Reiseziele für Pauschaltouristen in Westafrika ist, ist die politische Situation angespannt.

Foto: infotext

Besonders viele GambierInnen verließen das Land in den Jahren 2014 bis 2017 – den letzten Jahren der Herrschaft von Yahya Jammeh. Der hatte einen autoritären Polizeistaat errichtet, Gambia zur „islamischen Republik“ erklärt und sich nach 21 Jahren geweigert, die Macht abzugeben.

Der Konflikt war Ende 2016 so weit eskaliert, dass die Armee Senegals einmarschierte und die Machtübergabe an den Nachfolger Adama Barrow durchsetzte.

Seither hat sich die Menschenrechtslage etwas verbessert, und auch die Flüchtlingszahlen gingen deutlich zurück. Gleichwohl leidet die Wirtschaft des Landes bis heute unter den Folgen der Ära Jammeh, so dass viele junge Menschen das Land verlassen. Auf Asyl können sie dabei allerdings nicht hoffen. 2018 wurden nur rund 5 ­Prozent aller Asylanträge von gambischen Staatsangehörigen in der EU anerkannt.

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