Ibiza-Affäre vor der Aufklärung: Die Drahtzieher fliegen auf
Die „SOKO Ibiza“ nimmt drei mutmaßliche Initiatoren des Strache-Videos fest. Ihr Motiv war wohl nicht, einen korrupten Politiker zu enttarnen.
Das undurchsichtige Geflecht von Intrigen hinter dem berüchtigten Ibiza-Video steht offenbar vor der Entflechtung. Am Dienstag nahm die SOKO Ibiza des österreichischen Bundeskriminalamtes drei Personen in Wien und Salzburg fest. Ihnen werden verschiedene Straftaten in Zusammenhang mit dem Video vorgeworfen, das im vergangenen Mai zum Rücktritt von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache geführt und schließlich die gesamte Bundesregierung zu Fall gebracht hatte.
Strache ist im Video in einer Villa auf der Balearen-Insel Ibiza zu sehen, wie er einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte vollmundig Staatsaufträge und andere Goodies verspricht, wenn sie ihn durch verdeckte Parteispenden in die Regierung bringt.
Die Spenden sind nie geflossen weil die angebliche Aljona Makarowa eine serbische Schauspielerin war, die den Lockvogel spielte. Ihre wahre Identität ist weiterhin unbekannt. Bekannt sind mittlerweile allerdings die Drahtzieher, deren volle Namen aus rechtlichen Gründen nicht genannt werden dürfen. Darunter der Detektiv J.H., der am Dienstag neben der Übersetzerin V. und ihrem Chef, dem Consulter M., in Haft genommen und verhört wurde.
J.H. ist auf dem Video verpixelt als Begleiter des Lockvogels zu sehen. Er hat die Begegnung auf Ibiza über Johann Gudenus, den damaligen Wiener Vizebürgermeister und Strache-Vertrauten, angebahnt. Strache urlaubt regelmäßig auf der Party-Insel.
Beschuldigt wird auch der Wiener Anwalt M., dem im Zusammenhang mit der Anbahnung des Videos Urkundenfälschung vorgeworfen wird. Er hatte den misstrauischen Mittelsmännern von Strache einen gefälschten Pass der angeblich lettischen Staatsbürgerin Aljona Makarowa gezeigt. Außerdem soll er Verkaufsgespräche über das Video geführt haben.
Nur aus schnöder Geldgier
Motiv für das geheim aufgenommene Video, das aus über sieben Stunden Aufnahmen in verschiedenen Räumlichkeiten der Villa besteht, dürfte nämlich nicht die lautere Absicht, einen korrupten Rechtspopulisten auffliegen zu lassen, gewesen sein, sondern schnöde Geldgier. Bisher gibt es keine Hinweise, dass unbekannte Auftraggeber mit einer anderen Agenda dahinterstecken könnten.
Ursprünglich hatte man das brisante Bild- und Tondokument, das im Sommer 2017 entstand, für 5 Millionen Euro angeboten. Aber weder Politiker noch Medien wollten es kaufen. Schließlich landete es – unentgeltlich, wie die Beteiligten versichern – bei Spiegel und Süddeutscher Zeitung. Nach sorgfältiger Prüfung auf dessen Echtheit stellten die beiden Medien am 17. Mai ein Best-of von sieben Minuten online.
Strache, der um seine politische Rehabilitierung bemüht ist, hat seither viel Zeit und Energie in die Aufdeckung dessen, was er als Politskandal sieht, investiert. Geholfen hat ihm dabei der Blog EU-Infothek von Gert Schmidt, der schnell die jetzt im Visier der Ermittler stehenden Personen als Beteiligte ausgeforscht hatte.
Die sind auf ihren Investitionen von geschätzten 60.000 Euro Minimum sitzen geblieben und wollten ihr Produkt auch nach dem politischen Erdbeben in Österreich noch zu Geld machen. Der Detektiv J.H. soll laut an die Medien geleakten Ermittlungsakten über den Bosnier K. an Strache herangetreten sein und ihm die nicht veröffentlichten Passagen angeboten haben. Dabei, so sein Auftrag, sollte er nicht unter 400.000 Euro erlösen. Strache, der sich von den unbekannten Passagen Entlastung verspricht, soll bereits Sponsoren gesucht haben, dementiert aber per SMS sowohl das Angebot als auch die Kaufabsicht.
Im Laufe des Donnerstags muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Festgenommenen in Untersuchungshaft genommen werden. Voraussetzung ist Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Tatbegehungsgefahr.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Waffenlieferungen an Israel
Es geht nicht ohne und nicht mit
Wirtschaft aber für junge Menschen
Das Problem mit den Boomer-Ökonomen
Wahlverhalten junger Menschen
Früher wählte die Jugend links
Ex-Chefinnen der Grünen Jugend
„Wir dachten, wir könnten zu gesellschaftlichem Druck beitragen“
Krieg im Nahen Osten
Das Personal wächst nach
Wagenknechts Koalitionsspiele
Tritt Brandenburg jetzt aus der Nato aus?