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Wahlerfolg der AfD in ThüringenNicht alle Klischees stimmen

In einer neuen Studie analysieren Experten den Erfolg der AfD bei den Wahlen in Thüringen. Ihre Ergebnisse sind teils unerwartet.

Höcke Anhänger in Zeulenroda Foto: Christian Jungeblodt

Dresden taz | Der typische AfD-Wähler in Thüringen wohnt in einer eher schrumpfenden Landgemeinde, ist männlich, berufstätig und hat früher entweder nicht gewählt oder aber seine Stimme der NPD gegeben. Zu diesem zugespitzten Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena unter dem Titel „Rechtsradikale Landnahme“, die am Dienstag vorgestellt wird.

Das Institut hatte schon vor der Landtagswahl vom 27.Oktober zutreffende Prognosen und eine Analyse der Kommunalwahl Ende Mai herausgegeben. Nun beleuchtet es Gründe für den Wahlerfolg der AfD bei den Landtagswahlen, in denen die Partei 23,4 % der Stimmen erhielt.

Die Forscher bescheinigen der Thüringer AfD mit ihrem Frontmann Björn Höcke eine besondere Radikalität, aber zugleich auch eine „erhöhte Anschlussfähigkeit der AfD an politikverdrossene, ethnozentrische und traditionalistische Teile der Bevölkerung“. Ihr Gesamterfolg in Thüringen fällt aber regional sehr unterschiedlich aus, sowohl in den Städten als auch in den Landgemeinden.

Während sie beispielsweise in der seit Jahren von sozialen und finanziellen Problemen geplagten Stadt Gera 28,8 Prozent der Stimmer erreichte, kommt sie in der Forschungs- und Universitätsstadt Jena nur auf 12,7 Prozent. Geografisch lässt sich die Wählerklientel der AfD also klar eingrenzen: Vor allem Bewohner schrumpfender Gemeinden oder Regionen suchen Trost bei den Rechten. In den boomenden Großstädten hat die Partei umgekehrt nur schlechte Chancen.

Früher NPD, heute AfD

Die Bindungen an die Partei haben sich laut Studie indes verfestigt. Wo früher die NPD überdurchschnittliche Anteile verbuchte, ist heute die AfD stark. Sozioökonomische Faktoren beeinflussen das Wahlverhalten aber kaum, die Annahme, die Alternative werde vor allem von abgehängten Modernisierungsverlierern gewählt, trifft also nicht zu.

Auch die Vermutung, dass ein hoher Anteil nichtdeutscher Einwohner an einem Ort die Zustimmung zur AfD befördert, konnten die Forscher nicht bestätigen. Die generelle Zustimmung zu fremdenfeindlichen und nationalistischen Aussagen korreliert hingegen direkt mit Unterstützung für die AfD. Sie profitierte unter allen Parteien auch am stärksten von Stimmen aus der bisherigen Nichtwählerschaft.

Und wer ist Schuld? Die Jenaer Autoren machen vorallem die Schwächen der anderen Parteien dafür verantwortlich, dass die AfD überall dort Fuß fassen kann, wo es Abstiegsängste oder tatsächlich materiellen Rückschritt gibt. Eine weitere Erkenntnis: Gegen diese Abstiegsängste, die Wähler in die Arme der AfD treiben sind insbesondere Frauen und ältere Bürger offenbar resistenter, als andere Bevölkerungsgruppen.

All das ist durchaus besorgniserregend. Rechnerisch stagniert die AfD allerdings auf hohem Niveau. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 erhielt sie in Thüringen nach absoluten Zahlen 34 000 Stimmen weniger. Sie bleibe dennoch eine langfristige Erscheinung und damit „eine extreme Belastungsprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, schreiben die Autoren.

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14 Kommentare

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  • Da machen mich die Wahlforscher des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft richtig glücklich, denn bisher dachte ich, es sind ehemalige CDU- Wähler, die massenhaft AfD wählen.

  • Haben alle AfD-Wähler auch genau geguckt, wie es um ihren Ariernachweis steht? Manch einer könnte eine böse Überraschung erleben...

  • Zukunftsträchtig: Die Jugend und die werktätige Klasse wählt AfD.

    Schon mal überlegt, was das bedeutet?

    • @Frank Erlangen:

      Klar, Deutschland's Tod.

  • Wahrscheinlich gäbe es in Thüringen heute so um die 50% Zustimmung für die AfD, wenn das Bundesverfassungsgericht seinerzeit die NPD verboten hätte. So konnte das Gericht aber im letzten Moment noch sehr eindrucksvoll zahlreiche Trotzwähler am ultra-rechten Rand verhindern. «(º¿º)»

    • @Rainer B.:

      Wusste gar nicht, dass die NPD schon über 20% in Thüringen hatte.

      • @TAZ_Emil:

        Wusste ich auch nicht. Die NPD jetzt ja auch nicht, aber große Teile ihres Programms offensichtlich schon.

    • @Rainer B.:

      Also ich wähle auch AfD (aber nicht in Thüringen) und wohne nicht in einer schrumpfenden Landgemeinde (würde ich aber vielleicht gerne), männlich, stimmt, berufstätig stimmt auch und hat früher entweder nicht (ist vorgekommen) gewählt oder aber seine Stimme der NPD gegeben (das sicher nie).



      Ich wähle AfD vor allem wegen der direkten Demokratie nach schweizer Vorbild, für die sie sich einsetzt. Das hatte die NPD nie im Programm und leider eben auch nicht die anderen Parteien. Das Schweiz System ist das demokratischste weltweit (-> Wiki) und es hat eine lange Tradition. Eine krisenfeste Demokratie eben. Was besseres kenne ich nicht.

      • @TAZ_Emil:

        Was in der kleinen Schweiz noch halbwegs funktioniert, würde in der BRD die Parlamente lahmlegen und die Gewaltenteilung aushebeln. Mit mehr Demokratie hat das bei der AfD doch nichts zu tun. Die möchten ihre Partikularinteressen nach dem Motto „Wer zuerst am lautesten schreit, macht das Rennen“ nur damit besser durchboxen können. Vergessen Sie's!

  • Moment mal, also gerade die schrumpfenden Gemeinden neigen zur AfD, aber sozioöokonomische Faktoren spielen kaum eine Rolle? Was verstehe ich daran nicht?

    • @Katev :

      kann man auch nicht verstehen, da Landgemeinden in Thüringen wohl überwiegend schrumpfen und auch andere Parteien daher nicht unerhebliche Stimmen aus schrumpfenden Landgemeinden, Männern und Berufstätigen rekrutieren. Bleiben noch die Nichtwähler und die wenigen ex-NPD-Wähler. Entschuldigung, aber es ist doch nur demokratisch, wenn eine Partei Nichtwähler anspricht. Dann hat da etwas gefehlt. Und gerade CDU und CSU rühmten sich doch immer damit, der NPD die Wähler abzugraben (das klappt erst seit 2015 nicht mehr). Also kann es bei der AfD auch keine Problem sein.

  • "Auch die Vermutung, dass ein hoher Anteil nichtdeutscher Einwohner an einem Ort die Zustimmung zur AfD befördert, konnten die Forscher nicht bestätigen."

    Die Vermutung setzt auch voraus, dass es einen Realitätsabgleich bei der Wahlentscheidung gegeben hat. Fragwürdige Prämisse!



    Sich überfremdet fühlen, weil im TV mal ein Beitrag mit nichtdeutschen Menschen läuft und sowas.