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Albanien und die EUDie verkannte Nation

Unendlich cool: Albanien könnte Europa noch etwas mehr Gelassenheit lehren. Warum es falsch wäre, dem Land die EU-Mitgliedschaft zu verwehren.

Einer der Gründe, warum Albanien Probleme beim EU-Beitritt hat: Drogenhandel. Hier verbrennt Cannabis Foto: dpa

Es ist, als betrete man das unentdeckte Italien, als sei man in Griechenland gestrandet, derweil man sich inmitten des unterschätzten Balkan befindet: Albanien muss man sich als kulturellen Hybrid, als buntes Zwischen, vorstellen. Nachdem das Land am Mittelmeer schon seit Jahren auf den Eintritt in die Europäische Union hofft, hat es just von einigen westlichen Regierungschefs zumindest eine vorläufige Absage erhalten.

Dabei sprechen inzwischen mehr und mehr begründete Argumente für dessen Aufnahme in den Staatenbund. Wer dieses touristisch bislang nur in kleinen Teilen wirklich erschlossene Land besucht, begegnet gleich mehreren Albaniens: Da ist der sonnengeflutete Süden mit seinen herrlichen Stränden zwischen Saranda und Himarë, wo das Wasser bis zum Grund transparent bleibt, oder der Norden mit seinem Gebirge, in dessen Täler man allenfalls mit guten Geländewagen gelangen kann. Ganze Naturstriche sind unbewohnt, ganze Seen sind in den Reiseführern nicht vermerkt.

So vielfältig die Landschaft, so differenziert fallen indes die Lebensverhältnisse aus. Trifft man in Tirana oder Elbasan schon auf ein westliches Lebensgefühl, dominieren in der Provinz teils noch archaische Strukturen. Hirten wohnen in kleinen Verschlägen bei ihren Schafen, Imker verkaufen unmittelbar an den Straßen neben ihren Bienenstöcken frischen Honig. Es gibt offenbar viel Armut.

Das Prinzip Gelassenheit

Dass das Zusammenleben trotzdem weitestgehend gelingt, ist ein kulturelles Glanzlicht, das gerade für ein poly­fones, allzu oft zerstrittenes Europa erhellend sein könnte. Das Prinzip lautet Gelassenheit. In Albanien wartet man – ob als Tischler vor der eigenen Werkstatt, als Maisverkäufer an der Autobahn oder als Betreiber von tatsächlich unzähligen Tankstellen. Gelassenheit stellt ebenso die maßgebliche Haltung in Fragen der Religionen dar.

Obwohl der säkulare Mittelmeerstaat mehrheitlich muslimisch geprägt ist, fällt dies einem indoeuropäischen Reisenden kaum auf. Ja, man hört die Muezzins und sieht allenthalben Moscheen, genauso wie christliche Kirchen. Viele Menschen pflegen eine moderne, undogmatische Façon de vivre. Frauen mit Kopftüchern kann man in manchen Regionen gar an einer Hand abzählen.

Warum sich allzu viele Probleme machen, wenn es auch so geht – so das Credo der meisten Albaner. Stay cool, setz dich zu uns. Selbst vor der billigsten Kaschemme kann der Albaner abends glücklich sein, solange er sich in Gesellschaft befindet.

Brücken schlagen

Es ist eine Kultur der unkomplizierten Versöhnlichkeit, eine, die Brücken zu schlagen vermag über religiöse, ethnische und ökonomische Grenzen hinweg. Das Mediterrane und Osmanische, italienische Mondänität und alter Postsowjetcharme treffen aufeinander. Sicher könnten die europäischen Völker einiges von dieser kleinen, selbstgenügsamen und offenherzigen Nation lernen.

Umgekehrt bietet ein Beitritt immer auch die Chance, dem neuen Mitglied basale Grundsätze des westlichen Zusammenlebens zu vermitteln. Demokratisierung, Bekämpfung der Korruption, Ausbau der Rechtsstaatlichkeit verhelfen der Europäischen Union zu einer größeren Reichweite und festigen die Übergangszone zum Nahen Osten.

Das Osmanische, italienische Mondänität und Postsowjetcharme treffen aufeinander

Und wer beispielsweise effektiven Klimaschutz als paneuropäische Ambition auffasst, kann mithilfe der Erweiterung tatsächlich wichtige Erfolge erzielen. Denn zu den größten Problemen Albaniens gehört zweifelsohne die eklatante Umweltverschmutzung. Man fährt durch die schönsten Landschaften und wird stets durch allgegenwärtige Müllberge desillusioniert. Plastikberge, Schutt, alte Autoreifen. Aufklärungsarbeit, Investitionen in die Infrastruktur und Reformen sind also dringend vonnöten.

Dies betrifft im Wesentlichen auch die Bildung. Ein schlecht ausgebautes Schulsystem sowie unzureichende Forschungskapazitäten an Hochschulen und Universitäten lähmen Entwicklungsprozesse auf zahlreichen Ebenen. Kurzum: je weniger das Land in seine Köpfe investiert, desto weniger wird es den Übergang in eine Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft schaffen (obgleich – das nur am Rande – das Netz in vielen Regionen besser ausgebaut ist als in Deutschland.)

Hinzu kommt: Nur auf diesem Weg können die im Land ausgebildeten Fachkräfte auch zum Bleiben bewegt werden. Derzeit wandern etwa zu viele Ärzte in westeuropäische Staaten aus. Gerade der Jugend fehlt die Perspektive. Daraus folgen Abwanderung und eine bedenkliche demografische Entwicklung. Überaltete Dorf- und Familienstrukturen zeichnen in manchen Regionen ein trauriges Bild.

Deutliche Erfolge bei Menschenrechten

Und doch hat der Staat in den vergangenen Jahren vieles geleistet. Aus dem EU-Report 2019 gehen deutliche Erfolge hervor, insbesondere was die Ratifizierung der meisten Menschenrechtskonventionen, die „entschlossene Umsetzung weitreichender Justizreformen (einschließlich des Aufbaus von Institutionen für die Selbstverwaltung der Justiz)“ und die Erhöhung der Wirtschaftskraft anbetrifft.

Was jedoch all die erfreuliche Leistungsbilanz nach wie vor eintrübt, ist der noch immer intensive Drogenhandel und -anbau. So stelle Albanien etwa „zunehmend ein Transitland für Kokain und Heroin“ dar. Beklagt wird darüber hinaus die noch immer zu weit verbreitete Korruption, die weiterhin „Anlass zur Sorge“ gäbe.

So fordert die EU-Kommission in ihrem aktuellen Bericht allen voran, dass das öffentliche Beschaffungswesen transparenter werden muss. „Albanien“, so der Einstieg und vielleicht auch das Fazit des Berichts, „hat das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen weiter umgesetzt“.

Albanien liegt mitten in Europa

Durch die Beitrittsgespräche ist es der EU bereits gelungen, zur Verbesserung der Lebensverhältnisse und einer demokratischen Kultur beizutragen. Dadurch hat sie die nachhaltige Kontrolle übernommen. Nun sollte sie auch zu ihrem Versprechen stehen und dem Kandidatenland eine Perspektive aufzeigen. Nicht zuletzt die eigenen sicherheitspolitischen Erwägungen sollten Skeptiker wie Macron & Co zum Nachdenken bewegen. Denn sowohl Albanien als auch Mazedonien liegen mitten in Europa.

Sollte etwa der türkische oder russische Einfluss, wenn zum Beispiel die Beitrittsverhandlungen weiter ins Stocken geraten, zunehmen oder die innere Stabilität ins Wanken geraten, könnten Schieflagen und Probleme in dieser geopolitischen Lage auch auf Nachbarstaaten übergreifen oder diese in Bedrängnis geraten. Europa muss ein veritables Interesse an einer gefestigten Balkanregion haben. Und vielleicht könnte die EU gerade in ihrer aktuellen Vertrauenskrise unter Beweis stellen, wie ernst es ihr mit Werten wie Solidarität, Dialog und Freiheit ist.

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6 Kommentare

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  • Landschaftlich interessant mit einigen sehenswerten historischen Stätten (Weltkulturerbe).



    Moderne Bauten ( nicht immer gelungen), akzeptabele Hotels und Preise.



    Es ist eine Reise wert.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Albanien hat europäische Wurzeln, ist ein europäisches Land und hat ein Bekenntnis zu europäischen Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, Menschenrechte und Good Governance abgelegt.

    Es ist ein riesiger Fehler, auch wenn die EU erst Machtbewußtsein lernen muß, das Dänemark, Niederlande und Frankreich den Beitritt Albaniens zur EU behindern und damit die fortschreitende Demokratisierung



    und die Etablierung eines Rechtsstaates in Albanien auf eine harte Probe stellen.

    Der politische und wirtschaftliche Machtanspruch Chinas und der russischen Förderation wächst auf dem Balkan gewaltig - dort sollte die EU strategisch voraussschauend handeln um künftige Probleme frühzeitig zu vermeiden.

  • Ich empfehle mal den Wikipedia Artikel zu Homosexualität in Albanien zu lesen. Dieses Land gehört m. E. zum jetzigen Zeitpunkt definitiv nicht in die EU.

    • @Fallmanagerin:

      Demnach gehören Polen und Serbien in die EU?

  • War der Journalist wirklich im richtigen Land?



    Man merkt nichts vom Islam? Sobald man von Monte Negro aus nach Albanien kommt, trifft man gleich hinter der Grenze auf eine riesige Weiße Moschee aber nur auf verfallene Wohnhäuser. Dieser Kontrast ist prägt die gesamte Tour Richtung Griechenland. In Vlora gibt es eine Promenade, die es mit jeder am Mittelmeer aufnehmen könnte. Schon auf der ersten Parallelstraße sind die Fenster der maroden Häuser mit Zeitungen und Lumpen verhängt. Ich bin die so genannte Autobahn von Nord nach Südgefahren, eine Holperstrecke die nur stellenweise 4 Spurig ist. wo sind denn die angeblich so vielen Tankstellen die es dort geben soll?



    Politisch ist das Land alles andere als EU-reif.



    Es wird von Rama und seinen Anhängern mit fast mafiaartigen Strukturen reagiert. Repressalien ging die griechische Minderheit in Süd Albanien sind an der Tagesordnung und werden sowohl von der Bevölkerung als auch von Regierungsstelle gefördert und akzeptiert. Nicht zu vergessen die Gebietsansprüche an den Nachbarn und das EU Land Griechenland. Insgesamt hat Macron der EU einen riesigen Gefallen getan.

    • @Neidok:

      Im Norden Albaniens leben erstens einmal mehr Christen als Muslime, liegt wohl daran dass es dort sehr gebirgig ist und der osmanische Einfluss nicht so stark war wie in anderen Regionen. Zweitens ist in Shkodra, der nördlichsten Stadt, ein Kreuz auf einem Berg angebracht, dass an den Krieg der Montenegriner gegen die Albaner erinnern soll. Nenn mir mal ein land wo es das auch gibt! Ich denke nicht dass es ein Gedenkmal gibt in Paris, dass an die Belagerung der deutschen erinnert! Im Gegensatz dazu hast du bestimmt bemerkt dass in Montenegro an der grenze zu Albanien mehr Albaner leben. Kannst du hier bitte schreiben wie es da so aussah? Sah es aus wie im Rest von Montenegro? Ich denke eher nicht.. es sieht dort nämlich aus wie im Kosovo VOR! dem Krieg. Nichts wurde von Montenegro gemacht geschweige denn in die Infrastruktur Investiert! Albaner in Montenegro haben es deutlich schwerer als Montenegriner in Albanien. Ouh und die EU HAT DIE Beitrittsgespräche mit Montenegro eröffnet. Komisch oder? Die weiße Moschee dort, wurde gebaut weil davor keine Moschee dort war und die Muslime nach Shkodra gehen mussten um zu beten. Dort steht aber seit Jahrhunderten eine Kirche, eine sehr schöne alte Kirche. Ist dir wohl nicht aufgefallen😄. Und zu den Straßen will ich nur 1 sagen: Albanien hat bessere Straßen und das um LÄNGEN als Montenegro. Wir haben eine gute Autobahn die von westlichen Unternehmen gebaut wurde. Sie ist nicht durchgängig aber die Landstraßen sind genauso gut wie in Griechenland. Keine Schlaglöcher oder sonstiges. Jetzt kommen wir zum Süden. Ersteibmal will ich hier nennen dass Griechenland seit dem 2 Weltkrieg sich noch immer im Krieg mit Albanien befindet. Nur ein Waffenstillstand herrscht. Die Albaner in Griechenland wurden im 2Wk hundertausendfach ermordet oder vertrieben. In Albanien hingegen leben die Griechen heute noch. Straßenschilder sind griechisch beschrieben und alle leben gleich. 







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