Gesetzesinitiative gegen Onlinemedien: Falsche Kontrolle

Albaniens Premierminister Edi Rama fordert, Onlinemedien stärker zu regulieren. Zwei Gesetzesinitiativen werden dazu im Parlament diskutiert.

Der albanische Premierminister Edi Rama auf einer Pressekonferenz in Rom.

Seit der Beitrittsabsage von der EU arbeitet Premier Edi Rama verstärkt an seinem Machtausbau Foto: Maurizio Brambatti/ap

In Albanien diskutiert das Parlament derzeit zwei Gesetzesinitiativen, die darauf abzielen, Onlinemedien stärker zu kontrollieren. Laut Premierminister Edi Rama von der Sozialistischen Partei (SP) sei es nötigt, „Onlinemedien zu regulieren.“ Seine Parteikollegin Klotilda Bushka sagte der Nachrichtenplattform BIRN, dass die Rechte von Individuen mit jenen der Medien ausbalanciert werden müssten. Onlinemedien müssten die „Würde und Privatsphäre“ der Bürger:innen schützen, heißt es in dem Entwurf.

In Zukunft soll die Medienaufsichtsbehörde (AMA) Onlinemedien dazu verpflichten können, Inhalte von ihren Webseiten zu entfernen oder etwa Entschuldigungen zu veröffentlichen. Sollten Medien dem nicht nachkommen, drohen bis zu 830.000 Euro Strafe. AMA wäre laut dem Gesetzesentwurf außerdem berechtigt, auf den Webseiten Pop-ups zu installieren. Möglich wäre dann, dass Leser:innen beim Aufrufen von Websites zuerst Regierungsmitteilungen sehen.

Medien und NGOs fürchten eine staatliche Überwachung und sehen die Meinungsfreiheit im Internet gefährdet. 15 Organisationen forderten deshalb kürzlich das Parlament in einem gemeinsamen Schreiben auf, Ramas Gesetzesentwurf abzulehnen. Vertreter:innen von Reporter ohne Grenzen (RSF) hatten bereits im Juni bei einem Treffen mit Rama ihre Bedenken ausgesprochen. Das Vorhaben sei „beispiellos für einen demokratischen Staat“. Die Medienaufsichtsbehörde würde zu einer Zensurstelle werden.

Gjergi Erebara, Journalist bei der Nachrichtenplattform BIRN, wäre direkt von diesen Gesetzen betroffen. „Redefreiheit gibt es in Albanien nur Online, weil Mainstreammedien von der Regierung kontrolliert werden“, sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin.

Relikte der Diktatur

Mit der Privatisierung des Medienmarktes seit 1991, hat die albanische Regierung ihr Monopol über Zeitungen und Radiosender eingebüßt. Zwar ist der Zeitungsmarkt deshalb in Albanien heute breit gefächert, die Auflagen erreichen aber laut Atlas Medienfreiheit Osteuropa durchschnittlich nur 80.000 Exemplare.

Hinzu kommt ein lückenhaftes Vertriebsnetz: Zeitungszustellungen gelangen oft nicht über die städtischen Zentren hinaus. Die Marktkonzentration ist laut RSF groß.Journalist:innen, die über Korruption lokaler Politiker:innen berichten, laufen Gefahr bedroht zu werden. Die politischen Parteien üben starken Einfluss aus, indem die PR-Abteilungen maßgeschneiderte Nachrichtenstücke bereitstellen, die von vielen Redaktionen so auch häufig übernommen werden, berichtet die Plattform BIRN.

Diese Praktiken sind Relikte aus der kommunistischen Diktatur Albaniens. Unter Enver Hodscha, Diktator von 1944 bis 1985, und auch danach überwachte der Staat bis 1990 alle Medien. Zeitungen dienten in erster Linie dem Regime. Erst nach den ersten freien Wahlen 1992 öffnete sich der Medienmarkt. Bis heute vertrauen Albaner:innen den Medien deshalb wenig.

Im Westen gefeiert

Ministerpräsident Rama – in Deutschland oft als Künstler und linker Bürgermeister der Hauptstadt Tirana wahrgenommen – informiert die Öffentlichkeit gerne selbst: In seiner nach sich selbst benannten TV-Show ERTV auf Facebook rühmt er einmal die Woche die Errungenschaften seiner Regierung. Regelmäßig beschimpft er kritische Journalist:innen als „Scharlatane“, „Mülltonnen“ oder „Staatsfeinde“.

Mit dem jetzigen Gesetzesentwurf arbeitet Rama weiter daran, seine politische Macht auszubauen. Dass die Opposition seit Monaten das Parlament boykottiert, hat seine Alleinstellung bereits gefestigt.

Albanien steht nach der Entscheidung der EU im Oktober, die Beitrittsgespräche nicht zu eröffnen, an einem entscheidenden Punkt. „Dass die EU den Beitrittsprozess vorerst beendet hat, ist in dieser Situation sicher nicht hilfreich“, sagt der osteuropapolitische Sprecher der Grünen Manuel Sarrazin. Mit einer realistischen Beitrittsperspektive hätte die EU die Möglichkeit gehabt, Rama unter Druck zu setzen. Die EU hat die Gesetzesentwürfe zwar kritisiert, zugehört hat ihnen die albanische Regierung aber nicht mehr.

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