piwik no script img

Lithium-Abbau in BolivienDer Hoffnungsträger

Es in den Akkus von Elektroautos, Laptops und Mobiltelefonen: Lithium. Doch nun ist ein deutsch-bolivianisches Projekt geplatzt.

Hier unter dem Salzsee Uyuni sollen sie liegen, die Lithium-Vorräte Foto: dpa

Llipi taz | Die Salzkristalle knirschen wie gefrorener Schnee unter den Schuhsohlen von Marco Antonio Condoretty. Der Ingenieur des bolivianischen Staatsunternehmens YLB ist wie jeden Tag rund um die Kaliumfabrik in Llipi unterwegs. Sonnenbrille, Sicherheitskleidung und Helm sind obligatorisch, die Sonne steht hoch am knallblauen Himmel über dem schneeweißen Salzsee von Uyuni. Eine dicke Salzkruste bedeckt den auf 3.650 Meter über dem Meeresspiegel liegenden See im Südwesten Boliviens, an dessen Rand ein paar hundert Techniker damit beschäftigt sind, den größten Schatz des Landes zu heben: Lithium.

Der Rohstoff, ein Alkalimetall, wird weltweit benötigt, um Akkus für Mobiltelefone, Laptops und Tablets herzustellen, Batterien für Autos und Co. Bolivien will mitspielen im Konzert der großen Hersteller.

„Das ist realistisch. Wir haben in den letzten Jahren die Grundlagen dafür gelegt, produzieren Lithium-Carbonat, stellen Kathoden und Batterien her und stehen an der Schwelle zur industriellen Produktion“, sagt Condoretty.

Der 36-jährige Ingenieur ist verantwortlich dafür, dass am Rande des riesigen Salzsees von Uyuni alles nach Plan läuft. Er koordiniert die Abläufe in der modernen Kaliumfabrik, die Düngemittel nach Brasilien und Chile liefert, sorgt dafür, dass in der Pilotanlage rund 400 Tonnen hochreines Lithium-Carbonat im Jahr produziert werden, und kümmert sich um den Ausbau der gigantischen Schwimmbäder.

„Acht Reihen mit Becken von bis zu 30 Hektar Größe haben wir derzeit, wo wir die Sole mithilfe der Sonne konzentrieren. Dieses Potenzial bauen wir aus“, erklärt er. Aus 30 Bohrlöchern wird derzeit rohstoffreiches Salzwasser nach oben gepumpt, in der Sonne verdampft und konzentriert, um daraus Lithium neben anderen Salzen und Metallen wie Magnesium oder Bor zu gewinnen.

Batterien für den Weltmarkt

Komplizierte Prozesse sind das, so Condoretty. „Jedes Bohrloch liefert eine andere, spezifisch konzentrierte Salzlösung mit anderen Bestandteilen, die regelmäßig vom Labor überprüft werden muss“, so der mittelgroße Mann. Mehrere Jahre hat er in Japan gelebt, bei Nissan und Maxell gearbeitet und alles von der Batteriefertigung bis zum Lithiumeinsatz in der Keramikindustrie wie ein Schwamm in sich aufgesaugt.

Seit 2014 ist er zurück und in der Hierarchie der YLP (Bolivianische Lithiumvorkommen) weit aufgestiegen. Die verfolgt ein hochgestecktes Ziel: „Wir wollen in Bolivien Batterien für den Weltmarkt produzieren. Das ist unser Schlüsselprojekt für die Zukunft, und dabei sind wir eine strategische Partnerschaft mit einem deutschen Player, ACI Systems, eingegangen“, sagt Condoretty.

Die Deutschen sollen das liefern, was den bolivianischen Experten noch fehlt. Das Quäntchen Technologie, um aus der Restsole das Lithium-Hydroxid zu extrahieren, woraus dann sowohl Kathoden für die Batterieproduktion als auch Batterien selbst produziert werden sollen. Nicht irgendwo, sondern in Bolivien. Da sind sich die beiden strategischen Partner auch einig.

Das ist passiert

Boliviens Regierung hat Anfang des Monats ein Joint Venture zur Lithiumgewinnung mit einem deutschen Unternehmen annulliert. Der Gouverneur des Departements Potosí erklärte, die Regierung von Präsident Evo Morales habe das Projekt per Dekret gestoppt. Das im vergangenen Dezember vereinbarte Joint Venture des Staatsunternehmens YLB und der baden-württembergischen Firma ACI Systems zielte darauf ab, Lithium aus dem Salzsee Uyuni zu gewinnen. Geplant war von 2022 an eine Förderung von 30.000 bis 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid im Jahr. Damit ließen sich Hunderttausende E-Autos mit Lithiumbatterien ausstatten. (dpa)

Die deutsche ACI-Systems aus Zimmern ob Rottweil in Baden-Württemberg hatte den Zuschlag bekommen, weil sie, so Geschäftsführer Professor Wolfgang Schmutz, einen ganzheitlichen Ansatz gewählt hat. „Bei uns gehört die Ausbildung von Bolivianern in den einzelnen Verfahrenstechniken genauso dazu wie die Energiegewinnung durch Photovoltaik – wir wollen unseren CO2-Fußabdruck so klein wie irgend möglich bei der Lithium-Gewinnung halten.“ Das hat die bolivianische Seite genauso beeindruckt wie die Tatsache, dass ACI-Systems gut vernetzt in der deutschen Forschungslandschaft ist und Rückendeckung von der Bundesregierung genießt.

Bei der Unterzeichnung des Vertrags über das Gemeinschaftsunternehmen Acisa im Dezember 2018 war Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit von der Partie, der sich freute, dass die deutsche Wirtschaft nun den Zugang zum Lithium erhalte. 50.000 Tonnen Lithium-Hydroxid, so ACI-Chef Wolfgang Schmutz, wolle man aus den vertraglich fixierten 1,8 Millionen Tonnen Restsole gewinnen, die Partner YLB aus den Schwimmbädern in Llipi liefern soll. In einer Anlage, die gleich gegenüber von der Düngemittelfabrik entstehen sollte, hinter der Condoretty sein Büro hat. 2021, spätestens 2022 sollte die Anlage die Produktion aufnehmen, so lauteten die Pläne.

Doch die sind nun Makulatur, nachdem die Regierung von Evo Morales vergangene Woche per Gesetz die Aufhebung des Gesetzes 3738 beschlossen hat, in dem die Kooperation mit dem deutschen Unternehmen fixiert worden war. Gegen dieses Gesetz war vor allem das Zivilkomitee von Potosí (Comcipo), Hauptstadt des Verwaltungsbezirks, in dem der Salzsee von Uyuni liegt, auf die Barrikaden gegangen.

„Zu Recht“, so Pablo Solón, ehemaliger UN-Botschafter Boliviens und Leiter der im Umwelt und Nachhaltigkeitsbereich aktiven Stiftung Solón. „Das Gesetz 3738, dem der Vertrag mit dem deutschen Unternehmen zugrunde liegt, ist für Bolivien wenig vorteilhaft. Weder verpflichtet sich ACI-Systems, gemeinsam mit YLP Batterien en gros in Bolivien herzustellen, noch garantiert es den sicheren Absatzmarkt für die Batterien in Europa. Das hatte der zuständige Minister angekündigt.“

José Alberto Echazú heißt der zuständige Vizeminister im Energieminister, der den Vertrag mit der deutschen ACI-Systems ausgehandelt hat. „Wir haben den Bau einer 10-Gigawatt-Batteriefabrik in Bolivien vereinbart, die 200.000 bis 300.000 Batterien für Autos produzieren soll. Für deren Absatz ist der deutsche Partner verantwortlich“, sagte der Minister gegenüber der taz im Interview Ende Oktober.

Doch davon steht im Gesetz eben nichts drin, monieren Kritiker wie Solón. Hinzu kommt, dass in dem Gesetz keine Gewinnabgaben für die Region von Potosí für die Förderung von Lithium-Hydroxid aus der Restsole aufgeführt sind – die Region geht also leer aus.

Widerstand des Bürgerkomitees

Diese Tatsache hat den Widerstand der Comcipo, des Bürgerkomitees, hervorgerufen. Über Wochen mobilisierte es auf der Straße gegen das Gesetz. Vaterlandsverrat und Ausverkauf der nationalen Ressourcen warfen sie der Regierung vor. Für Marco Antonio Condoretty haltlos. „In Bolivien überblickt kaum jemand die Komplexität der Förderung und Produktion von Batterien. Hier wird Stimmung gegen einen Vertrag gemacht, der Bolivien sowohl als Lithium-Produzenten als auch als Batteriehersteller erst auf die Weltkarte setzt“, ärgert sich der Ingenieur.

Für ihn ist das zentrale Zukunftsprojekt der Regierung von Evo Morales erst durch die Proteste ins Rutschen gekommen. Doch erklären, wie es zu den zahlreichen Ungereimtheiten zwischen den Aussagen aus den Ministerien und dem Gesetzestext kam, kann auch er nicht.

Die sind allerdings markant. So war beispielsweise von Investitionen von 1,3 Milliarden US-Dollar in die Produktionsanlagen im und um den Salzsee von Uyuni die Rede. „Doch das ist im Gesetzestext nicht fixiert und bis heute haben wir keinen Zugang zum eigentlichen Vertrag, der dem Gesetz zugrunde liegt“, kritisiert Pablo Solón. Dieses Fehlen von Transparenz hat dafür gesorgt, dass die Proteste gegen das deutsch-bolivianische Kooperationsprojekt im Laufe des Oktober anschwollen und auch Halbwahrheiten und Vermutungen die Runde machten.

Vor dem Scherbenhaufen des Kooperationsprojekts stehen nun beide Seiten: die deutsche ACI-Systems, die auf Hilfe aus der Politik hofft, um die Lithium-Förderung in Llipi am Salzsee von Uyuni auf den Weg zu bringen, und die bolivianische Regierung. Deren Traum von der industriellen Batterieproduktion in Bolivien hat vorerst einen Dämpfer erhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Vielleicht wäre es eine gute Idee, Juliane Ströbele-Gregor den Artikel an prominenter Stelle kommentieren zu lassen, sie hat zu den ökologischen und sozialen Folgen des Lithiumabbaus im Uyuni-Salzsee geforscht.



    www.desigualdades....egor_online_dt.pdf

  • Für Solaranlagen braucht man kein Lithium, sondern Silizium! Großer Unterschied!

    • @Der_Xte_Mensch:

      Danke, das wollte ich auch anmerken! Während die Gewinnung von Lithium einige Probleme verursacht und die Vorkommen rar sind, trifft beides auf Silizium nicht zu, das zu einem großen Anteil in der Erdkruste überall auf der Welt vorkommt. Der Titel ist in der Hinsicht irreführend und bestärkt denn Irrglauben, dass Lithium auf für Photovoltaik Anlagen benötigt werde, was diese problematisch mache. Ich bitte, dies zu korrigieren.



      Natürlich kann die gewonnene Energie in Lithium-Ionen-Akkus gespeichert werden, was aktuell auch die häufigste Technologie in dem Bereich ist, dies ist aber nicht grundsätzlich notwendig. Solarenergie kann völlig ohne Lithium erzeugt werden!

    • @Der_Xte_Mensch:

      Für die Speicherung der gewonnenen Energie werden Lithium-Ionen-Akkus verwendet.

      • @Hampelstielz:

        Im Teasertext heißt es: “Es steckt in Solaranlagen...“, das ist schlicht falsch.



        Leider sind diese Textschnipsel unter der Titelzeile sehr oft missverständlich, irreführend, oder wie hier, gänzlich falsch. Das ist nicht nur in der taz häufig so sondern in sehr vielen „Druck“medien. Bei der taz kommt allerdings hinzu, dass technische und naturwissenschaftliche Beiträge auffällig oft fragwürdige Aussagen enthalten. Offenbar mangelt es in der Redaktion an entsprechendem Allgemeinwissen in diesen Bereichen.

        • @Georg Schober:

          Das sört mich auch sehr, da es Solarzellen in ein schlechtes Bild rücken. Ich fordere auch eine Richtigstellung.