Verschärfung des Strafgesetzbuchs: Beleidigungen werden teurer
Das Bundeskabinett will Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität beschließen. Es geht vor allem um rechten Hass im Netz.
FREIBURG taz | Die Bundesregierung will Beleidigungen im Internet schneller und effizienter bestrafen. Die entsprechende Verschärfung des Strafgesetzbuchs ist Teil eines Maßnahmenpakets gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität, das das Kabinett an diesem Mittwoch beschließen will.
„Den Tatbestand der Beleidigung werden wir an die Besonderheiten des Netzes anpassen. Dabei berücksichtigen wir insbesondere dessen unbegrenzte Reichweite und die aufgrund vermeintlicher Anonymität oft sehr aggressive Begehungsweise“, heißt es im Maßnahmenpaket, das der taz vorliegt.
Bei Beleidigung droht bisher eine Geldstrafe oder ein Jahr Freiheitsstrafe
Eine Beleidigung ist strafrechtlich definiert als Angriff auf die Ehre durch Kundgabe der Missachtung. Ob „du Wichser“ eine strafbare Beleidigung ist, kommt immer auf den Anlass und die Vorgeschichte an. Die Justiz muss dabei in der Regel das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit der Meinungsfreiheit des Äußernden abwägen. Beleidigung ist auch gegenüber abwesenden Personen möglich.
Bei einer Beleidigung droht bisher eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Zum Vergleich: Beim Diebstahl oder der Körperverletzung reicht der Strafrahmen bis zu fünf Jahren Gefängnis. Vermutlich wird der Strafrahmen für Beleidigungen im Internet nun auf zwei Jahre erhöht.
Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung erhöhen
Wahrscheinlich wird im Strafgesetzbuch nicht das „Internet“ erwähnt, sondern technikneutral formuliert. Naheliegend ist eine Strafschärfung für den Fall, dass die Beleidigung „öffentlich“ erfolgt. Eine solche Strafschärfung gibt es schon bei der Verleumdung und der üblen Nachrede. „Öffentlich“ ist eine Äußerung, wenn eine unüberschaubare Zahl von Menschen Kenntnis erlangen kann. Das gälte in der Regel also auch für Äußerungen im Netz.
Die Strafverschärfung wird vermutlich kaum jemand von Beleidigungen abhalten. Schließlich gilt die erhöhte Strafdrohung für öffentliche Verleumdungen schon seit Jahrzehnten. Viel wichtiger ist es, die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung zu erhöhen.
Hier kommt nun die im Maßnahmenpaket ebenfalls enthaltene Anzeigepflicht für soziale Netzwerke ins Spiel. Facebook und Twitter müssen strafbare Hasspostings künftig nicht nur löschen, sondern auch der Polizei melden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) soll entsprechend geändert werden.
Allerdings gilt das NetzDG bisher nicht für Beleidigungen, weil diese von der Polizei nur auf Antrag verfolgt werden. Hier sind deshalb noch zwei Änderungen erforderlich: Erstens muss für öffentliche Beleidigungen das Antragserfordernis im Strafgesetzbuch gestrichen werden. Zweitens müssen öffentliche Beleidigungen dann ausdrücklich im NetzDG erwähnt werden.
Das Maßnahmenpaket, das jetzt beschlossen werden soll, ist erst mal nur ein Eckpunktepapier. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) will bis Ende des Jahres konkrete Gesetzentwürfe vorlegen.
Leser*innenkommentare
Wagenbär
Ich sehe das größte Problem in der Tatenlosigkeit der Verfolgungsfbehörden.
Obwohl es den Tatbestand "Beamtenbeleidigung" im Strafgestetzbuch gar nicht gibt, werden von den Staatsanwaltschaften pratisch ausschließlich Beamtenbeleidigungen verfolgt.
Wen Herr B. seine Nachbarin z.b. öffentlich als "Arschloch" beleidigt, wird das Opfer mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf den "Privatklageweg" verwiesen, der nahezu aussichtslos ist.
Hat aber z.b. ein Demonstrant einen Polizeibeamten derart bezeichnet, dann kann dessen Vorgesetzter sogar gegen den Willen des Beleidigten den erforderlichen Strafantrag stellen, und die STA verfolgt diese Tat in 100% aller Fälle.
Zven
Ja genau, die Internetpolizei wird dann aber viel zu tun bekommen. Ich glaube den Verantwortlichen ist immer noch nicht klar wie das Internet funktioniert. Accounts kann man faken. IP-Adressen werden nicht unbefristet gespeichert. Wer haftet eigentlich, der Inhaber des Anschlusses - oder jeder der den Anschluss bzw. Computer nutzt.
fvaderno
Es ist gut, wenn Aufrufe zur Gewalt, Beleidigungen usw. verfolgt und ggf. bestraft werden. Aber bei manchen 'Vergehen', die unter die neuen verschärften Bestimmungen fallen werden müsste die Toleranz der Meinungsäußerung und -freiheit gelten! Das mag zwar in manchen Fällen schwer zu tolerieren sein, aber das muss unsere Demokratie aushalten. In einem seriösen Medium las ich, dass beispielsweise dir sicher miese Äußerung 'Ich finde, dass Juden zuviel über den Holocaust reden' schon mit Strafe bewehrt sein würde. So aggressiv diese Äußerung auch ist, aber darin dürfte man noch keine Straftat sehen.
grim
Es gibt schon zahlreiche gute Gründe, warum eine Beleidigung (§185 /§194 StGB) nicht nur kein Offizialdelikt ist, sie ist – im Gegenteil sogar – ein „absoluter“ Antragsdelikt. Das heißt, ohne Antrag kann eine Beleidigung nicht verfolgt werden. Mit der gleichen Kraft einer Verjährung ist Strafverfolgung dann unmöglich und nicht mal z. B. ein „besonderes öffentliches Interesse“ führt zur Strafverfolgung.
Ich bezweifle, dass dieses gereifte, sinnvolle System aus tagespolitischen Gründen aufgegeben wird.
Man stelle sich z. B. die absurde Situation vor, in der der Staat reihenweise seine Bürger verfolgt, nachdem ein Facebookalgorythmus angebliche Beleidigungen erfasst hat.
Wagenbär
@grim Bei Polizeibeamtinnen kann der Vorgesetzte sogar gegen den Willen des/ der (angebllich) Beleidigten den Strafantrag stellen.
Und "Beamtenbeleidigungen" sind praktisch die einzigen Beleidigungen, die überhaupt von den Staatsanwaltschaften verfolgt werden.
(Übrigens /genau/ umgekehrt-proportional zu Beleidigungen /durch/ Beamte: diese werden NIE verfolgt)
D.h. mit dieser Gesetzesinitiative wird praktisch noch einmal die Polizei rechtlich /noch weiter/ privilegiert.
Der Erwin
Was passiert dann eigentlich mit de.indymedia? Das Portal ist voll von Haß und Gewaltaufrufen.
Wagenbär
@Der Erwin Blödsinn!
Indymedia ist eine unabhängige Informationsplattform.
Hannes Petersen
@Der Erwin Es gibt keinen linken Hass, da für die gute Sache. :-)
CarlaB.
@Der Erwin Wie immer, erstmal passiert garnichts. Die Möglichkeit zur Bestrafung ist eingeleitet - wie die technische Lösung dahinter aussehen soll ist ungewiss!