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Alternative zum FliegenDas Comeback des Nachtzugs

Österreichs Bahnen bauen wegen der großen Nachfrage Angebote für Reisen im Schlafwagen aus. An der Deutschen Bahn geht der Trend völlig vorbei.

Anders als die Deutsche Bahn investiert die österreichische kräftig in Schlafwagenzüge Foto: dpa

Hamburg taz | In München einsteigen, zu Abend essen, dann ins Bett – und morgens nach dem Aufstehen ausgeruht in Rom frühstücken: Das ist möglich mit einer Nachtzugverbindung der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Immerhin 14 europäische Städte verbinden die ÖBB mit Schlafwagenzügen – die Deutsche Bahn dagegen hat kein einziges solches Angebot.

Die ÖBB investieren in den Ausbau der Verbindungen mit Schlafwagen. „Nachtzüge müssen innerhalb der Infrastruktur priorisiert werden“, sagte Sven Pöllauer, ÖBB-Beauftragter für den Auslandsverkehr, auf der Konferenz „Die Zukunft der Nachtzüge“ in Hamburg. Sie wurde von dem europäischen Netzwerk „Back on track“ initiiert, das klimafreundliche Mobilitätsangebote als Alternative zum Fliegen fordert.

Im Zuge der Klimadebatte werden Flüge wegen der Umweltbelastung immer kritischer gesehen, vor allem die innerhalb Europas. Doch der grenzüberschreitende Bahnverkehr wird gegenüber dem Flugverkehr bei Steuern und Abgaben stark benachteiligt. Deshalb ist Bahnfahren vergleichsweise teuer. Trotzdem ist die Nachfrage nach Nachtzügen groß. Nach Angaben von Pöllauer wurden bereits 12.000 Flüge durch die Nachtverbindungen der ÖBB innerhalb der Europäischen Union ersetzt. Das seien 5 Prozent der Flugbewegungen am Wiener Flughafen. Um die steigende Nachfrage nach Nachtverbindungen bewältigen zu können, schaffen die ÖBB in den kommenden drei Jahren 13 neue Züge für 230 Millionen Euro an.

Neben dem Preis spielt der Komfort eine große Rolle. „Besonders bei beruflichen Reisen ist der Komfort wichtig“, sagte Pöllauer. Die ÖBB plant bis 2020 eine Verbesserung der Abteile und der einzelnen Schlafkabinen, kündigte er an. Dafür investiere die Eisenbahngesellschaft 20 Millionen Euro.

Mehr Verbindungen zwischen europäischen Städten

In der Schweiz gibt es derzeit vier Nachtzugverbindungen der ÖBB, dazu kommt der „Euronight Kálmán Imre“ von München und Zürich nach Budapest. Greta Stieger von der Kampagne „Zug statt Flug“ der verkehrspolitischen Umweltorganisation Umverkehr fordert eine Flugticketabgabe (FTA) nach dem Verursacherprinzip: Die Passagiere der Luftfahrt sollen für die Klimaauswirkungen, die sie selbst verursachen, auch zahlen. Der Schweizer Nationalrat stimmte vergangene Woche der Einführung zu, im Dezember vergangenen Jahres wurde sie noch abgelehnt. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) wollen mit den ÖBB weitere europäische Städte durch Nightjets verbinden.

Die Angebote zwischen Zürich und Prag, auf der derzeit nur ein Schlafwagenangebot existiert, sollen mithilfe der tschechischen Bahn erweitert werden. Ab Ende 2020 wollen die SBB zwischen Zürich, Bregenz und München sechs Verbindungen pro Tag schaffen, bestehende sollen ausgebaut werden. Sie haben aufgrund der hohen Nachfrage bereits ihre Kapazitätsgrenzen erreicht.

Neue Reiseziele hat der ÖBB schon gesetzt: Ab Januar nächsten Jahres erreichen Fahrgäste auch Brüssel mit Nightjets, 2022 folgt Amsterdam. Brüssel ist innerhalb der EU ein wichtiger Standort, immerhin müssen viele Abgeordnete, Mitarbeiter und Lobbyisten dorthin pendeln. Künftig soll das im Nachtzug von Wien nach Brüssel statt im Flieger geschehen können. Mehr wird auf der Pressekonferenz am kommenden Mittwoch zu den neuen Fahrplänen bekannt gegeben.

An der Deutschen Bahn geht der Trend bislang komplett vorbei. 2016 stellte sie ihre „City Night Line“ein. Die ÖBB übernahm damals nur die Hälfte der Strecken. Gemeinsam mit den SBB und den ÖBB will sie jetzt mögliche Verbindungen immerhin prüfen.

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24 Kommentare

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  • Gerade für vielreisende Geschäftsreisende wären Nachtzüge hoch attraktiv. Ich persönlich kenne die ÖBB Züge gut und reisen mit ihnen, wann immer es passt.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Das Problem ist halt auch qualifiziertes Personal finden, Infrastruktur ausbauen, etc. die Bahn kann vllt. in 20-30 Jahren Flugzeuge und Autos auf innerdeutscher Langstrecke ersetzen aber bis dahin ist es ein langer Weg.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Ein Glück, dass man vor 150 Jahren in diesem Land etwas optimistischer war.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        vor 150 Jahren musste man nicht zehn Jahre mit Anwohnern streiten um eine Bahnlinie auszubauen, hatte man bei weitem weniger strenge Bau und Umweltvorgaben etc. Der Bahnausbau ist notwendig aber er wird lange dauern.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          Deshalb ist die Politik gefragt, den Bahnausbau zu beschleunigen. Häufig geht es ja nur darum, alte Strecken zu reaktivieren oder zu ertüchtigen.

          Mit etwas gutem Willen ist viel möglich. Bauverzögerungen sind keine Naturgewalt.

  • Der Trend mit mehr ÖBB Nachtzügen geht nun wirklcih nicht "an der Deutschen Bahn völlig vorbei", denn es werden die Schienenwege der Deutschen Bahn genutzt. Es ist die DB Fernverkehr, die ihr früheres Angebot aufgegeben hatte, als es gerade am Turnaround war.

  • TUI Sonderzüge, 1981, gearbeitet bei der Reisesonderzugbetriebsgesellschaft als Steward mit Uniformhose mit Streifen, Krawatte und Weste. Ein Steward pro Waggon. Freitags ab HH-Stellingen raus und in Dammtor die ersten Gäste eingesammelt, in Bebra die letzten. Tonnenweise Koffer gewuchtet, unzählige Kaffees in die Abteile serviert, tausende Betten aufgebaut und mit den Gästen abends in meinem Miniabteil tausende Liter Bier getrunken. Morgens in Klagenfurt: Frische, noch dampfende Brötchen, Helfer in weißer Bäckerkleidung laden um. Eine Szenerie wie aus einem Orient-Express-Film. Dann Meran, Triest, Rimini, ich hab´vergessen, wo ich überall schon gewesen bin. Ein paar Stunden Aufenthalt; wenn man Glück hatte sechs bis acht, und dann das ganze Retour. Hinter Hannover das letzte Bettenbündel verstaut und Trinkgeld gezählt. Mir hat´s prima gefallen.

    • @Thomas Schöffel:

      Hallo Kollege, Ich war in meiner Studentenzeit bei der SBG in Dortmund in den 80er und dann 90 noch bei der DSG. Gute alte Zeiten: Venedig, Innsbruck, Koper...:-)



      Heute fliegen die Leute lieber billig mit ryanair für 19€ und verpesten unsere Umwelt. Im Zug war es viel gemütglicher.



      Bin Bahnfan geblieben und fahre heute noch gerne mit der Bahn. Wenn man das Rad zurückdrehen könnte und die Bahn ent-privatisieren könnte und Personal und Mittel aufstocken würde, dann würde die Bahn auch wieder pünktlich fahren und wäre eine echte Konkurrenz zu Auto und Flieger!

      • @Andrew Bear:

        Schön von dir zu hören, Kollege. Ja, war eine schöne Zeit. Ich weiß noch, als ich einmal ganz früh in Meran ankam und ein Sänger ganz laut in der Stadt das Ave Maria gesungen hat. Oder einmal war ich auf einem Güterzug zu einem Nickerchen in der Sonne eingeschlafen und bin erst kilometerweit entfernt aufgewacht und mußt irgendwie wieder zurück. Einmal bin ich beim Becherwaschen erwischt worden und mußte zur Strafe mehrere Wochen auf dem alten TEE fahren. Geschichten über Geschichten.

    • @Thomas Schöffel:

      Zwischen den Zeilen beschreiben Sie hier leider, wie die Zugstewards das Reisen im Nachtzug unattraktiv machen: WIchtiger als die ungestrte Nachtruhe der Fahrgäste ist es ihnen, nach der Ankunft des Zuges möglichst bald Feierabend zu machen. Jedenfalls wird unnötigerweise viel zu früh vor der Ankunft geweckt.

      • @meerwind7:

        Verstehe ich nicht. Nach Ankunft des Zuges ist der Zug leer und wird vom Reinigungspersonal auf den Rückweg vorbereitet. Und geweckt wurde entweder nach Wahl oder kurz vor der geplanten Ankunft. Also so war das jedenfalls in den 80igern.

    • @Thomas Schöffel:

      Vielleicht ist das so heute nicht mehr erlaubt wegen irgendwelchen gesetzlichen Mindest-Ruhezeiten. Acht Stunden sollten ja auch wirklich sein. Alles darüber hinaus ist mal wieder eine bürokratisch bedingte Erschwernis.

  • Was soll das DB-Bashing? Es ist doch nicht falsch, dass unterschiedliche Anbieter sich auf unterschiedliche Angebote spezialisieren. Die ÖBB kümmert sich erfolgreich um das Nischenprodukt Nachtzug, die DB um die wichtigeren Tagesverbindungen. Beide sind ja grenzübergreifend unterwegs. Und die Nachtzüge brauchen sowieso ein komplett anderes Wagenmaterial.

    • @Ruediger:

      Die DB hat sinnvolle Verbindungen eingestellt. Mit fadenscheiniger Begründung. Deutschland ist groß genug, um Nachts Städteverbindungen zu betreiben. Gab es alles mal.

      "...unterschiedliche Anbieter sich auf unterschiedliche Angebote spezialisieren."

      Die ÖBB hat sich nicht spezialisiert. Sie betreibt die Nachtzüge neben ihrem normalen Angebot.

    • @Ruediger:

      Eine verlässliche Nachtzug-Verbindung von beispielsweise Düsseldorf nach Dresden ist sinnvoll.

  • Hat die Bahn das Geschäft nicht an Öserreicher verkauft?

    • @useher:

      Nicht "das Geschäft", aber die Wagen verkauft.



      Die Mitarbeiter wurden entlassen.

  • Die Bahn ist in den letzten 10 Jahren immer schlimmer geworden. Tausende wichtige regionale Verbindungen gestrichen, die ICEs unbequeme Joghurtbecher, Klimaanlage entweder so heiß, dass man Atemnot bekommt oder auch viel zu kalt, sodass Reisende verzweifelt versuchen, mit Pulli, Jacke und Mütze eingekauert die Fahrt unbeschadet zu überstehen. Dann gerne Lokschaden, Klo gesperrt, Tür kaputt, in der Kaffeklitsche (euphemistisch "Bistro" genannt) Kaffemaschine defekt/Kühlschrank defekt/kein Bier mehr etc.

    Die Nachtzüge waren super und eine weitere Schande, diese eingestellt zu haben.

    Es gab mal Zeiten, da konnte man die bequemen, nicht pseudoergonomisch geformten Sitze in den Abteilen zur Liegefläche zusammenschieben, es gab ein echtes Bordrestaurant, Raucherabteile (zugegeben nicht meine erste Wahl, aber hey, gab es!), größere Bahnhöfe hatten großzüge, geschmackvolle Wartebereiche mit Sesseln und gedimmtem Licht, und es gab verträumte Provinzbahnhöfe, wo Gräser zwischen den Gleisen wuchsen, nur einmal die Stunde eine RB kam, aber immerhin angebunden und charmant, ich habe das Warten stets genossen an solch Orten. Heute hat Bahnfahren rein garnix mehr mit Reisen zu tun, nur noch mit Personenbeförderung. Aber dafür sind die Ticketpreise übertrieben frech in die Höhe geschnellt, klasse.

    Ich habe aufgehört, mich fürs Bahnfahren einzusetzen, hatte damals sogar BC100, aber der Verein ist leider nicht mehr tragbar und ich versteh inzwischen jeden, der sich das nicht antun möchte und stattdessen das Auto nimmt. Auch massiv politisches Versagen kommt hier zu Tage. Fahre aus Gründen morgen trotzdem Hamburg-Nürnberg und zurück am Tag drauf, für schlappe 160 Euros, SPARpreis versteht sich...

  • Ich sehe nachts so viele geparkte Züge. Wenn die schon nicht fahren, könnten sie wenigstens gereinigt werden... Oder repariert. Schon zwei Mal meine Fernstrecke beim ersten Zug ausgefallen wegen einer Tür die nicht schließt oder so.

    Und die Strecken nachts ausgebaut, wo kein einziger Zug wegen Baumaßnahmen verspätet oder gestrichen wird. Die nehmen sich ein kleines Stück jede Nacht vor und werden vor sechs fertig wenn der erster Zug rollt, als wäre nichts gewesen.

  • Ein gescheiter Nachtzug ist das selbst fahrende Auto vorweggenommen. Jeder Neoliberale und Firmenlenker müsste da sofort darauf anspringen, denn der Nachtzug lässt den Menschen in der einzigen Zeit, in der er Bauart bedingt nicht produktiv sein kann, also im Schlaf, wieder ertragreich werden. Er schläft UND ist mobil, also 30% Mehrleistung.

  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Schmerzlich vermißt: Berlin-Brüssel-Paris. Früher sehr oft genutzt, auch manchmal mit Anschluß Brüssel-London. Die ÖBB plant leider nur Wien-Brüssel-Amsterdam.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Nachtzüge?

    Zu wenig Gewinne rechnete Lutz dem Grube und den Gewerkschaften vor.

    HaHaHa

    Austria kann es billiger weil der Arbeitnehmer in Austria doppelt so hohe Rente hat und heute weniger kostet im Monat als ein Arbeitnehmer in Deutschland.

    Wenn neben Arbeitnehmer auch Politiker, Regierungen und Ämter importiert werden.

    Läuft es besser.



    Ciao Bella



    Bella Ciao

    • @07400 (Profil gelöscht):

      Naja, die Frage ist, was der Gesellschaft ökologische, soziale Mobilität wert ist. In diesem Punkte kann die Eisenbahn da enorme Vorteile haben, wenn sie entsprechend ausgebaut ist, mit Ökostrom betrieben wird und auch für Menschen mit niedrigem Einkommen zugänglich/zahlbar gemacht wird. Und wenn das ein wenig kostet? So what! Da gibt es genügend Finanzierungsmöglichkeiten (wie Reichtum besteuern) und es enstehen gute, sozial-ökologisch sinnvolle Arbeitsplätze - im Gegensatz zu denen in Flug- und Autobranche und Militär/Rüstung.

      • @Uranus:

        Stimme Dir voll zu!



        Weg vom Autostaat zum Bahn-Paradies!