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Massenklage gegen VolkswagenEs dürfte teuer werden für VW

Mit einer Musterklage wollen eine halbe Million Dieselfahrer, Entschädigung von Volkswagen erklagen. Nun hat das erste Gerichtsverfahren begonnen.

Die Anwälte von Volkswagen rechnen mit einem langen Prozess Foto: reuters

Braunschweig dpa | Bei der Musterklage gegen Volkswagen müssen sich Dieselkunden bis zu einer klaren Einschätzung ihrer Chancen auf Schadenersatz vorerst gedulden. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig gab am ersten Verhandlungstag noch keine einheitliche Richtung vor. Man müsse zunächst vorherige Urteile anderer Gerichte „sorgfältig prüfen“, erklärte der Vorsitzende Richter Michael Neef am Montag nach der Eröffnung des Verfahrens. Während Verbraucheranwälte bereits Hoffnung auf Schadenersatz sehen, gibt es nach Interpretation von VW Zweifel, dass den Kunden überhaupt ein Schaden entstanden ist.

Neef ließ die Musterklage grundsätzlich zu. Er unterschied aber vertragliche Pflichtverletzungen von sogenannten deliktischen Pflichtverletzungen. Bei der ersten Kategorie dürften Schadenersatz-Ansprüche gegenüber VW schwierig sein, weil die meisten Kunden ihren Kaufvertrag nicht mit dem Konzern, sondern mit einzelnen Händlern abgeschlossen hätten. „Wir tendieren dazu, in solchen Fällen keine vertraglichen Ansprüche anzunehmen. (…) Erst recht gilt das für Gebrauchtfahrzeuge.“

Anders könnte man womöglich aber den Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung wegen gefälschter Diesel-Abgaswerte sehen. Hier deutete Neef an, dass frühere Entscheidungen zugunsten des Herstellers noch einmal in anderem Licht betrachtet werden könnten.

Die Verbraucherzentralen zeigten sich zufrieden. „Das Gericht hat die Verhandlung bisher sehr gut geführt und aus unserer Sicht Andeutungen gemacht, dass es zu einer Verurteilung kommen kann“, sagte Anwalt Ralf Stoll. VW entgegnete: „Noch heute werden die Fahrzeuge täglich von Hunderttausenden Kunden gefahren, weshalb es aus unserer Sicht keinen Schaden gibt und damit auch keinen Grund zu einer Klage.“

Wann entstand Schaden für VW-Dieselfahrer?

Eine zentrale Frage dürfte sein, zu welchem Zeitpunkt ein möglicher Schaden für VW-Dieselfahrer entstand. Klagende Kunden müssten sich darauf einstellen, im Erfolgsfall eine Entschädigung mit der Nutzung des Autos zu verrechnen, sagte Neef: „Uns will es nicht einleuchten, dass die Fahrzeuge über Jahre kostenlos genutzt werden durften.“

Solche und weitere strittige Punkte müssten nun zuerst „ausführlich mit allen Beteiligten erörtert und dann möglichst zügig entschieden werden“, erklärte der Richter. Offen sei etwa noch, ob schon die im Auto installierte Abgas-Software oder erst die anschließenden Diesel-Fahrverbote einen Schaden hervorgerufen hätten. „Dass ein Schaden entstanden ist, scheint uns jedenfalls nicht so offenkundig.“

Fast eine halbe Million Kläger

Am OLG Braunschweig setzt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) das neue Instrument der Musterfeststellungsklage ein. Der vzbv tritt im Namen von rund 470.000 Dieselkunden auf, die von VW wegen manipulierter Abgaswerte Schadenersatz fordern. In Braunschweig geht es aber zunächst nur darum, ob VW unrechtmäßig handelte. Konkrete Ansprüche müssten Kunden dann in eigenen Verfahren durchsetzen.

Einen Dämpfer gab es für Verbraucher, die auch nach dem Verkauf ihres Diesels mit einem Motor der Reihe EA 189 noch Ansprüche geltend machen wollen – und für solche, die auch nach dem Software-Update der Abgasreinigung einen Schaden sehen. Dem folgte das Gericht nicht.

Was ist mit Ex-Konzernchef Winterkorn?

Der Prozess könnte auch an Fahrt gewinnen, falls Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Betrugsverfahren um Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn und weitere Führungskräfte berücksichtigt werden. „Der Senat ist immer noch unschlüssig, ob wir zusätzliche Strafakten beiziehen sollten“, sagte Neef.

Im September 2015 hatte VW nach Prüfungen von Behörden in den USA Manipulationen an den Abgaswerten von Dieselautos zugegeben. Die Software bestimmter Motoren war so eingestellt, dass im tatsächlichen Betrieb auf der Straße deutlich mehr giftige Stickoxide (NOx) ausgestoßen wurden als in Tests. Viele Kunden fühlen sich geprellt. Auch im Rahmen Tausender Einzelklagen verlangen sie Schadenersatz, die meisten Einzelurteile gingen bisher aber zugunsten von VW aus.

Eine mögliche Einigung mit den Verbraucherschützern hält Volkswagen wegen der vielen unterschiedlichen Fallkonstellationen bisher für „kaum vorstellbar“. Neef regte an, darüber dennoch nachzudenken: „Ein Vergleich ist sehr schwer, aber möglich.“ Es sei jedoch nicht einfach, einen genauen Schadenersatz-Betrag festzulegen.

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7 Kommentare

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  • Das Gericht sollte mal anordnen das nachgemessen wird... wie denn die SW Änderung wirkt!

    Wie viel sauberer denn das Abgas ist, ob jetzt in allen Betriebsbereichen der Realität die EU Grenzwerte eingehalten werden. Und ob die Motoren rund laufen, nicht stottern, mehr Sprit verbrauchen, und ob nicht z.B. das AGR Ventil versottet...

    Kurz ob die Kunden heute ein Fahrzeug haben das alle Werte wie garantiert einhält und keinen erhöhten Verschleiß hat.

    • 0G
      07954 (Profil gelöscht)
      @danny schneider:

      Das macht das KBA bei allen Massnahmen und die prüfen sehr scharf.

  • Übrigens gilt Anklage gegen VW-Vorstandschef Herbert Diess, Chefaufseher Hans Dieter Pötsch und Ex-Konzernchef Martin Winterkorn weder wg Prospekt- , noch Abgasbetrug, Klima- , Umweltschäden, sondern dem Anfangsverdacht Verstoß gegen Aktienrecht wg fehlend zeitnaher Adhoc Mitteilung an VW Anteilseigner, nachdem VW Vorstand 2015 per Vorwärtsverteidigung Vergleich zu erzielen, in USA Abgasbetrug nach US Recht gestanden hatte. Das zur Klarstellung, weil in Medien n. m. E. der Anschein erweckt wird, auch hier sitze VW wg Abgasgate auf der Anklagebank.

  • Ein Vergleich ohne strafrechtliche Verurteilung de jure wg verifizierten Abgasbetrugs, Gesundheits- , Klima- , Umweltschäden durch NOx Emmissionen, die Grenzwerte nachhaltig übersteigen, ist für die VW Holding AG nach Aktienrecht nicht darstellbar. Das ist zumindest nachvollziehbar die Verteidigungslinie der VW Anwälte, angesichts politischen Versagens deutscher Politik den VW, Daimler, BMW, Bosch Abgasbetrug rechtsstaatlich unter Stiftung des Rechtsfriedens zu handeln.



    . Da aber in Deutschland nach dessen Aussetzung 1953 durch die Adenauer Regierung auf Anraten Deutschen Juristentestages etwaigen Zwangsarbeiter Entschädigungsforderungen zu entgehen, ein deutsches Unternehmensstrafrecht aussteht, ist Ermittlung, Anklage, Verurteilung von VW in der Sache, anders als in den USA, Australien, dort gibt es Unternehmensstrafrecht nach Legalitätsprinzip, höchstens nach Opportunitäts- , statt Legalitätsprinzip wg Ordnungswidrigkeiten zu rechnen.

    Dass nun SPD Justizministerin Lambrecht die Musterfeststellungsklage (MfK) am OLG Braunschweig, entgegen Aktien- , Bilanzrecht, im Tagesspiegel als Chance für einen VW Vergleich mit klagewilligen Abgasgate 470 000 Geschädigten kommuniziert, ohne Hinweis darauf, dass diese Kläger bei Scheitern des MfK ihren Anspruch auf Klagerecht in der Sache endgültig verwirken, dazu ihre eigene Gesetzesinitiative für ein Unternehmensstrafrecht in Deutschland auch nur zu erwähnen, versetzt mich in Staunen.

    Muss die SPD einmal mehr zum Jagen getragen werden für Inititativen, die so so verheißungsvoll mit "Jetzt geht`s los" Slogans gestartet, dann im Nirgendwo von Schubladen zu entsorgen statt wenigstens in Wiedervorlagemappe zwischenzulagern?

    Okay, ich mach`s mit Petition 470 000 potenziellen Unterstützern bei gegenwärtig 56 für ein Unternehmensstrafrecht in Deutschland. "Jetzt geht`s los"

    weact.campact.de/p...just_launched=true

    • @Joachim Petrick:

      Super.



      Danke.



      Hab' gerade unterzeichnet.

    • @Joachim Petrick:

      …anschließe mich.



      &



      Da simmer dabei.

  • Na Servus

    “Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig gab am ersten Verhandlungstag noch keine einheitliche Richtung vor. Man müsse zunächst vorherige Urteile anderer Gerichte „sorgfältig prüfen“, erklärte der Vorsitzende Richter Michael Neef am Montag nach der Eröffnung des Verfahrens.“

    Ach was! Was habt'er denn vorher so gemacht^¿* - wa! 👻 👻 👻

    unterm——will ja nicht meckern - but -



    Sorry - Aber: Als ex-R 1ser & immer 1.Instanzler - frag ich dess mich nicht nur mal so - Mit Verlaub. Gellewelle.



    &



    Zivil- vs VerwRecht - kann’s mir jedenfalls nicht plausibel machen - der Herr!;) 🤓



    Wollnichwoll.

    kurz - Geschwätz - Na Mahlzeit.