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„Klimaschutz“ als ModewortDem Klima ist das Klima egal

Ständig geht es um „Klimaschutz“ und „Klima retten“, als wäre das Klima ein seltenes Tier. Die Begriffe lenken vom Wesentlichen ab.

Das Klima muss nicht gerettet werden, es ist nicht in Gefahr. Wir sind es Foto: dpa

Dank Klimastreik, Klimakabinett und Klimagipfel reden und schreiben alle über Klimapolitik. Das ist gut, aber die Debatten haben ein Problem: schlechte Begriffe. Formulierungen wie „das Klima retten“, „klimafreundlich“ oder „klimaschädlich“ und vor allem „Klimaschutz“.

Es geht da, so scheint es, nicht um uns selbst, sondern um etwas anderes: dieses Klima. So als läge es im Interesse des Klimas selbst, dass wir Menschen irgendetwas tun.

Das ist Quatsch. Dem Klima ist das Klima herzlich egal. Das Klima hat keine Interessen, keine Ziele und keinen Willen. Weder möchte das Klima geschützt werden noch ist es gefährdet. Es geht nicht darum, was das Klima will, sondern was wir wollen. Wir wollen ein Klima, das zu unserer Spezies und möglichst zu unserer Lebensweise passt. Es geht darum, uns selbst zu retten.

Trotzdem reden wir weiter so, als gehe es darum, für den Schutz einer bedrohten Schildkrötenart auf den Galapagosinseln zu spenden: Kann man machen, ist sicherlich im Interesse der Schildkröten, kann man aber auch bleiben lassen. Damit ist das Problem bequemerweise weit weg von uns. Der Klimawandel ist jedoch global und betrifft alle Menschen zunehmend. Übrigens genau wie die kollabierende Biodiversität, nur dass das Klima im Unterschied zu Tieren keine Eigeninteressen hat.

Die Zeile

Worte können in Mode sein, auch in den Nachrichten. Je nach Großwetterlage tauchen bestimmte Begriffe immer wieder auf – oder eben gar nicht. Deswegen nehmen wir an dieser Stelle die Modewörter der aktuellen News auseinander.

Das Reden von „Klimaschutz“ und „-rettung“ verschleiert den tatsächlichen Handlungsgrund und -druck. Außerdem spaltet es uns in „Klimaschützer“ und den Rest – der sich lieber auf Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze oder die Modelleisenbahn im Keller konzentriert. Sprächen wir stattdessen von „Existenzschutz“, gar „Existenzrettung“ (weitere Vorschläge willkommen), würden vielleicht noch mehr Menschen motiviert, den Keller Richtung Demo zu verlassen. Das Klima dagegen braucht weder unsere Freundlichkeit noch unseren Schutz.

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16 Kommentare

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  • Könnte es sein, dass dieVeränderung des Klimas die Tragfähigkeit der Erde für Menschen auf eine deutoich geringere Zahl reduziert?



    Wo ist letzendlich das Problem?



    Auch die Menschheit hat Grenzen des Wachstums.

  • Die bisherige Klimapolitik: Placebo. Jetzt, unter dem Druck der Demonstrationen: Placebo forte. Es wird weitergemacht wie bisher. Die einen haben das Recht, Millionen zu machen und die Lebensgrundlagen aller zu zerstören, die große Mehrheit hat das Recht, krank gemacht zu werden und unterzugehen. Niemand stoppt das. Der Staat hat auf ganzer Linie versagt. Was folgt daraus? „Wo der Staat in einem kapitalistischen System nichts weiter ist als die Vollzugsinstanz der Wirtschaft gegen den Menschen, ist es nicht mehr als das Gebot der Selbstverteidigung und Notwehr, das von den Betroffenen wahrgenommen wird, wenn sie der Gewalt, sei es auch mit noch so unzulänglichen Mitteln, entgegentreten“ (SPK- Aus der Krankheit eine Waffe machen, S. 62). Der Gewalt entgegentreten – aber wie? Weiterhin an Politiker und Konzernchefs appellieren? Damit die sich totlachen? Das krasse Missverhältnis zwischen dem, was – sofort! - getan werden müsste, und dem, was sie uns beispielsweise als sogenannte Kabinettsbeschlüsse zumuten, wird alle, denen es ernst ist, zwangsläufig zum Nachdenken bringen über andere Aktionsformen. Ob die dann auch noch so beklatscht werden, wie die freitäglichen und sonstigen Demos? Qui vivra, verra.

  • 0G
    06137 (Profil gelöscht)

    Wenn denn alle endlich zur Demo rennen, wer ist dann der Adressat?

  • Die Behauptung, die Erde würde in Flammen aufgehen und damit unbewohnbar werden, alle Menschen, also die gesamte Menschheit sei dem Untergang geweiht entbehrt, nüchtern betrachtet jeder Grundlage. Die Menschheit wächst und wächst. OK es wird enger und der Kampf um Ressourcen wird immer heftiger, aber Aussterben, Katastrophe,

    • @Manfred Hauptreif:

      Hier noch ein weiterer Hinweis:



      "Neuer Bericht des UN-Klimarats



      Wärmer ohne Weg zurück



      Ein neuer Bericht des UN-Klimarats zeigt: Eisflächen schmelzen schneller, Meere erwärmen sich rasant. Einiges wird nicht mehr zu bremsen sein."



      taz.de/Neuer-Beric...limarats/!5629984/

    • @Manfred Hauptreif:

      Naja, dann verfolgen Sie doch mal Berichte, die entsprechende Hinweise geben können ...



      da zum Beispiel:



      www.dw.com/de/wald...e-tickt/a-18683986



      oder, etwas regionaler, da:



      www.rbb24.de/panor...szenario-2100.html



      und da:



      www.rbb24.de/panor...mangel-duerre.html



      ...



      Laut dem IPCC, Weltklimarat, gibt es bloß ein kurzes Zeitfenster, um eine zu starke Erhitzung der Erdatmosphäre zu verhindern. Bereits wenige Grad über den 1,5 Grad sind kritisch. Berichte, wie die obig von mir verlinkten, geben Hinweise darauf, dass sich bereits jetzt dramatische Entwicklungen aufzeigen. Alleine das Massenaussterben (davon sind ja nicht nur Säugetiere betroffen sondern eine Vielzahl von Insekten und Vögel) und der Fakt, das die Menschen von Ökosystemen abhängig ist.

  • Ich bin seit Jahren dafür das Wort 'Umweltschutz' in "Menschenschutz" umzuwandeln. Denn das trifft den kern viel genauer

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @DenkenReden:

      .



      Kann man schon machen, ist halt anthropozentrisch und somit ein Denken auf keiner sehr hohen Bewusstseins- und Verantwortungsebene.



      Mir zu wenig und zu flach

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Aber vielleicht genau deshalb der Begriff, bei dem man mehr Manschen hinter sich bekommt?

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Allerdings ist für „Umwelt-/Planet Erde“ eine Selbstzerstörung der Menschheit die Beste und vielleicht einzige Möglichkeit zur Regeneration. Vor diesem Hintergrund finde ich die Terminologie „Umwelt-/Naturschutz“ ebenfalls unpassend und am Grundproblem vorbei nämlich der Frage möglicher langfristiger Existenz der Menschheit auf der Erde.

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Ich nenne es "Schutz unserer Lebensgrundlagen". Die hohe Bewusstseins- und Verantwortungsebene gibt es sowieso nicht, jedenfalls wird fast nichts getan. Denken reicht nicht, auf welcher Ebene auch immer

    • @DenkenReden:

      Pathozentristisch gedacht, also Schmerzempfindsamkeit mit einbezogen, wäre es Tierschutz - der Homo Sapiens als ein Tier unter vielen schmerzempfindsamen Tieren, die alle berücksichtigt werden sollten.



      de.wikipedia.org/wiki/Pathozentrismus

      Zum Artikel:



      Diesen Gedankengang verfolge ich zuletzt auch. Einleuchtender fand ich es zuvor bereits, nicht vom Planeten, der Erde zu sprechen sondern genauer: von Ökosystemen bzw. teils von der Biossphäre.



      Insgesamt finde ich den Umgang mit Sprache im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe interessant. Klimakatastrophe/-krise wurde es wohl in Vergangenheit bereits genannt ehe es vom Begriff Klimawandel abgelöst wurde. Nun "drängt" der Begriff Klimakrise bzw. Klimakatastrophe aufgrund der Intention der Benennung der drastischen Folgen wieder in den Vordergrund und wird über die Klimabewegung hinaus durchaus verwendet.

      • @Uranus:

        Eine Untersuchung ergab, dass "Klimakrise" - weil nicht zu stark, nicht zu schwach - wohl die beste Wahl sei.



        Ich persönlich fremdele allerdings ein wenig mit diesem meines Erachtens doch eher harmlosen Begriff, ist eine Krise schließlich meist (nur) von vorübergehender Natur ("Wir haben gerade eine Krise", "Die Partei steckt in einer Krise" usw.).



        Das Wort "Klimakatastrophe" wiederum ist zwar der Lage angemessen, dürfte allerdings gerade Skeptiker, also diejenigen, die es zu überzeugen gilt, die Augen rollen lassen.

        Ich selbst bevorzuge den Begriff "Klimaerhitzung".

        grist.org/article/...ds-climate-change/

        • @Christina de Havilland :

          Okay. Ihren Einwand gegenüber Krise kann ich nachvollziehen. Wobei die Krise nicht unbedingt, ihr Ende vorweg nimmt, sondern ja eher eine Zuspitzung darstellt, die überwunden werden kann, jedoch falls nicht negative Konsequenzen zur Folge haben kann. Klimaerhitzung klingt schon mal besser, da wie ich finde zutreffender als Klimaerwärmung. Mh, ich schwanke da (den)noch zwischen Klimakatastrophe und Klimakrise.

  • Mag man als ein sprachliches Detail abtun. Nach meiner Überzeugung aber der zentrale Punkt und damit der zentrale Hebel. Wie so schön gesagt "dem Klima, ist das Klima egal". Das "Klima" können wir nicht "ändern". Ändern können und müssen wir UNS. Jeder sich selbst.Höchstpersönlich. IndKlimawandel ist das Ergebnis von etwas anderem: Bewusstseinswandel!

  • Äh, ja? Wenn man sein "Haus retten" will, meint man damit auch nicht, dass das Haus ein eigenes Interesse daran hätte, ob es gerettet wird. Man meint damit, dass man weiterhin ein Haus haben will, in dem man wohnen kann.

    Stattdessen nur davon zu reden, dass man sich selber retten muss, kann auch nach hinten losgehen, denn dann sind wir sofort bei dem "jeder ist sich selbst der Nächste", auf das jedes Tier im Zweifelsfall von ganz allein kommt. Davon muss man nicht reden, ganz im Gegenteil: Das ist das, was man automatisch bekommt, wenn man nichts tut. "Das Klima ändert sich ohnehin immer, daran können wir nichts ändern, wir können nur zusehen, dass andere krepieren und nicht wir" ist seit langem Credo einer bestimmten politischen Richtung.

    Von daher ist das ein gut gemeinter Betrag, aber eher kontraproduktiv.