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Vor den Wahlen in ÖsterreichGreta-Bonus für die Grünen

Umfragen sehen Österreichs Grüne bald wieder im Nationalrat. Die gestiegene Aufmerksamkeit für Klima und Umwelt hilft ihnen.

Werner Koglers (r.) Partei genießt in Österreich bei Klima und Umwelt die höchste Glaubwürdigkeit Foto: imago images/CHROMORANGE

Wien taz | „Wenn’s konkret wird, bleiben nur die Grünen übrig.“ Werner Kogler, Spitzenkandidat der österreichischen Grünen für die Nationalratswahl am kommenden Sonntag, spart im Gespräch mit der taz nicht mit Selbstlob. Aber zumindest dabei hat er recht: In Sachen Klima und Umwelt genießt seine Partei die höchste Glaubwürdigkeit.

Vor zwei Jahren, im Oktober 2017, blieben sie mit 3,8 Prozent knapp unter der Vierprozenthürde und mussten ihre Parlamentssitze räumen. Jetzt sehen sie alle Umfragen mit zwischen 10 und 13 Prozent klar wieder im Nationalrat.

Zu verdanken ist das nicht zuletzt der Schwedin Greta Thunberg und ihrer Fridays-for-Future-Bewegung. „Fridays for Future ist für uns ein Bonus“, gibt Kogler zu. „Die Glaubwürdigkeit, die uns in dem Bereich zugeschrieben wird, ist aber nicht zufällig.“

Seit Jahrzehnten nerven die Grünen die traditionellen Parteien mit ihrem Drängen auf eine Energiewende, auf das Umstellen zu einer biologischen Landwirtschaft, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Besteuerung von Flugzeugtreibstoff und andere Reformen, die bis vor Kurzem als schrullige Nebenthemen abgetan wurden.

Die letzten Hitzesommer und die spürbare Zunahme von ex­tremen Wetterphänomenen haben aber inzwischen die Bevölkerung aufgerüttelt. Und die junge schwedische Umweltprophetin, die binnen eines Jahres zur Galionsfigur der ökologischen Wende geworden ist, kann nicht einfach ignoriert werden. Deswegen haben alle Parteien jetzt das Klima im Programm. Kogler ist allerdings zuversichtlich, dass sich umweltbewusste Wählerinnen und Wähler nicht von Sprüchen blenden lassen: „Die können schon unterscheiden, wer zugreift und wer nur ein Plakat bepinselt.“

Mit der 36-jährigen Politikwissenschaftlerin Leonore Gewessler hat sich der Ökonom Werner Kogler eine Expertin als Nummer zwei auf die Bundesliste geholt: Sie war bis Juni Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000. Die Grünen laufen damit allerdings Gefahr, als monothematische Partei begriffen zu werden, obwohl sie längst fähige Leute für verschiedene Ressorts vorweisen können.

Grüne gehen als Musterschüler durchs Ziel

War der letzte Wahlgang noch vom Thema Migration bestimmt, ein Heimspiel für die rechtspopulistische FPÖ und den ÖVP-Chef Sebastian Kurz, so hat diesmal der Klimaschutz zumindest die erste Phase des Wahlkampfes dominiert. Alle Parteien haben mit klimafreundlichen Maßnahmen für sich geworben, sogar die FPÖ, deren Spitzenleute den menschengemachten Klimawandel noch vor kurzer Zeit für eine Verschwörung der globalen Linken hielten.

Auch im Wahlprogramm-Check von Global 2000 schneiden die Grünen – wenig überraschend – gut ab. Die Organisation hat die Programme der sechs aussichtsreichsten Parteien auf eine klimaschutztaugliche Politik durchforstet. Da geht es um Ökologisierung des Steuersystems, Verkehr und Mobilität, aber auch Landwirtschaft und Flächennutzung. Die Grünen gehen mit 24 Punkten als Musterschüler durchs Ziel, abgeschlagen auf dem zweiten Platz die SPÖ, die 17 Punkte erreicht.

ÖVP und FPÖ, deren Koalition im vergangenen Mai nach dem berüchtigten Ibiza-Video zusammenkrachte, finden sich mit 9 respektive 4 Punkten am unteren Ende der Skala. Kein Wunder, dass Kogler die Aussichten auf eine Koalition mit der ÖVP nicht höher als 5 Prozent einschätzt.

Selbst wenn viele Wähler sich das laut Umfragen wünschen, dürfte eine Zweierkoalition mit den Grünen nicht aufgehen. Nach einem Höhenflug im Sommer, als Demoskopen ihnen bis zu 15 Prozent zutrauten, haben die Ökos sich jetzt zwischen 10 und 12 Prozent eingependelt. Nicht zuletzt, weil Sebastian Kurz in den vergangenen Wochen das Migrationsthema geschickt wieder aufgewärmt und damit das Klima etwas in den Hintergrund gedrängt hat.

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1 Kommentar

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  • Grün muss nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Man muss wissen worauf es ankommt, die drängendsten Probleme erkennen und mit Nachdruck ansprechen, damit solide und nachhaltige Lösungen erarbeitet werden können - und zwar auf dem schnellstmöglichen Weg. Wenn etwa der Verkehrs- oder Wirtschaftsminister auf der Bremse stehen wie in Deutschland, müssen zusammen mit Experten das Volk überzeugende Wege gefunden werden, damit der Zug noch angehalten - zumindest erheblich verlangsamt - werden kann, der mit allen auf den Abgrund zurast und noch immer schneller wird. Die Klimakatastrophe droht zum Selbstläufer zu werden. In Teilen ist sie es schon und wir verschließen noch immer die Augen und lassen uns schöne Bilder vorgaukeln.

    Ich bin keine Kassandra. Ich nehme nur seit über 60 Jahren mit allen Sinnen die katastrophalen Veränderungen wahr und lasse mich dafür verhöhnen. Erst in den letzten beiden Jahren ebbt der Hohn ab. Selbst - und besonders das - lässt mich nicht ruhiger werden.