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Ermittlungen im Fall „Hannibal“Überall Einzeltäter

Daniel Schulz
Kommentar von Daniel Schulz

Die Ermittlungen gegen André S. sind vor allem ein Versäumnis. Denn die Behörden ermitteln gegen Einzelpersonen, nicht gegen ein Netzwerk.

Bundeswehrsoldaten der Eliteeinheit KSK trainieren den Häuserkampf und eine Geiselbefreiung Foto: dpa

H annibal soll zahlen. Ein Amtsgericht in Baden-Württemberg hat einen Strafbefehl gegen André S. verhängt, weil er Munition und Teile von Granaten bei sich zu Hause hatte – 120 Tagessätze, Höhe unbekannt. Da er diesen nicht akzeptiert und Einspruch eingelegt hat, kommt es zum Prozess. Der frühere Soldat der Spezialeinheit KSK ist der Kopf eines deutschlandweiten Netzwerks von Soldaten, Polizisten und Mitarbeitern von Sicherheitsunternehmen, in dem auch Rechtsradikale und Rechtsextreme ein Plätzchen finden. Seit zwei Jahren recherchiert die taz dazu.

Das Strafverfahren ist ein Signal an Soldaten, bei denen es als Kavaliersdelikt gilt, Munition zu klauen. In Zeiten, in denen auch Soldaten und Reservisten glauben, sich auf einen Tag X vorbereiten zu müssen – eine künftige Katastrophe, bei der eventuell auch ­Gegner beiseitegeschafft werden müssen –, kann das nur zur Sicherheit im Land beitragen.

Darüber hinaus jedoch bleiben die Ermittlungen zum Hannibal-Netzwerk vor allem: ein Versäumnis. Der Verein Uniter, dessen Mitgründer André S. ist, die Chatgruppe Nordkreuz – sie sind Teil eines Geflechts, und entsprechend sollten die Behörden ermitteln. Stattdessen überall Einzeltäter.

Beispiel: In Mecklenburg-Vorpommern wird gegen einen Polizisten und einen Rechtsanwalt ermittelt, weil sie terroristische Aktionen vorbereitet haben sollen. Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat Anklage gegen einen ehemaligen SEK-Beamten erhoben, der Munition gehortet haben soll. Die drei Männer waren über die Chatgruppe Nordkreuz verbunden, deren Administrator der frühere SEK-Polizist war, sie waren in Hannibals Chatgruppen. Trotzdem werden die beiden Fälle getrennt behandelt.

In Folge dieses Vorgehens sieht man immer nur eine Reihe kleinerer Verfehlungen, jede für sich eine relativierbare Petitesse. Doch wenn es stimmt, dass Teile des Hannibal-Netzwerks mit Gewalt ­gegen ihre Feinde vorgehen wollen, dann sind ihre Verbindungen interessant, ihre Kontakte, ihr Umfeld. Das sollte man aus dem NSU gelernt haben.

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13 Kommentare

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  • Eine Krähe hackt der anderen halt kein Auge aus...

    Mit den Worten Erich Kästners: ,Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf ... '

    Es wird Zeit anzuerkennen, dass sämtliche Staatsorgane bereits massiv durch Rechtsradikale unterwandert worden sind. Ehrlich gesagt sehe ich für die Zukunft schwarz...

  • Rechtsextreme Einzeltäter haben seit dem Anschlag auf das Oktoberfest 1980 eine lange Tradition, die man nur ungern aufgibt, weil man es sonst mit rechtsextremen, terroristischen Vereinigungen, die aus mehr als zwei Personen bestehen müssen, zu tun hätte. Das ist offenbar nicht erwünscht.

  • Einfach den lahmen Klepper benennen:

    “Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ist auf dem Gebiet des Staatsschutzes die oberste Strafverfolgungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland.



    Er übt das Amt des Staatsanwalts in allen schwerwiegenden Staatsschutzstrafsachen aus, die die innere oder äußere Sicherheit in besonderem Maße berühren.

    Die innere Sicherheit wird durch politisch motivierte Delikte, insbesondere durch terroristische Gewalttaten, die äußere Sicherheit durch Landesverrat und Spionage tangiert. Zuständig ist der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof auch für die Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.“

    kurz - 'Es klappert der Huf am Stege!'



    Was immer die Schimäre da tut pflege.



    www.generalbundesanwalt.de/de/index.php



    &



    …servíce & Danke fürs Dranbleiben.



    Max Webers harte Bretter lassen - …



    Grüßen - Die derer - Nich zu fassen! 👹

    • @Lowandorder:

      kl Nachschlag

      Will ja gar nicht von little brownie Kurt Rebmann anfangen - aber die Bundespresswelle Monika Harms - verschattet ausreichend genug -



      “…Am 1. Juni 2006 wurde sie Generalbundesanwältin. In dieser Funktion ordnete sie im Mai 2007 im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm wegen Verdachts auf Bildung terroristischer Vereinigungen (Straftatbestand nach § 129a StGB) 40 polizeiliche Razzien an, welche zwischenzeitlich vom Bundesgerichtshof für widerrechtlich erklärt worden sind.[4]…“



      de.wikipedia.org/wiki/Monika_Harms



      Als rein zufällig Tornados 🌪 🌪 - dorten die Demonstrationsfreiheit* - rein aufklärerisch überflogen -



      Liggers - * “das demokratische Grundpfand dieser Republik!“ 🗽🗽🗽



      (O-Ton Karlsruhe - ok nich Balin - wa!)

      Soweit mal …& 💤 💤 💤

  • Liegt wohl auch daran dass die ermittelnden Behörden selbst Hannibal "Einzeltäter" in ihren Reihen haben.

    • @Nina Janovich:

      Klar - nix “…ante…“ - ceterum censeo -

      “Hannibal intra portas!“ 👹

  • wie der Führer, der hat den 2ten Weltkrieg auch alleine angefangen und durchgeführt, jedenfalls wenn man vielen verbalkonstrukten glauben darf, die man immer mal wieder, auch im fernsehen aufschnappen kann.



    da kann es doch nicht verwundern was so ein einzelner brauner wirrkopf alleine zustande bekommt...



    (das war übrigens ironie)

  • Rechtsterrorismus als Kavaliersdelikt?

    "Das Strafverfahren ist ein Signal an Soldaten, bei denen es als Kavaliersdelikt gilt, Munition zu klauen." Wie jetzt, nur eine Geldstrafe, ist das Ironie?

    Ich würde bei Beschaffung von Waffen zur Vorbereitung politischer Verbrechen eine mehrjährige Haftstrafe erwarten. Wäre bei Linksterrrorismus sicherlich auch der Fall gewesen.

  • Der „Kollege Einzelfall“ ist mal wieder einer der Tüchtigsten unter der Sonne. Ab wie vielen von diesen „Einzelfällen“ wird in Ermittlungskreisen eigentlich auch mal von einer auffallend organisierten Häufung gesprochen?

    • @Rainer B.:

      Im Bundesland Hessen gibt es ja laut CDU-geführter Landesregierung, im Bezug auf Verdachtsfälle i. V. m. rechtsextremen PolizeibeamtInnen, auch nur eine unglückliche Häufung von Einzelfällen in denen ermittelt wurde und noch wird - nach meiner Zählweise mindestens 45(!).



      Zuletzt war die Bereitschaftspolizeiabteilung Mühlheim aufgefallen: Sechs PolizeischülerInnen (Stichwort: Whatsapp-Gruppe) wurden entlassen und gegen einen Dienstgruppenleiter (Stichwort: “Hakenkreuz-Plätzchen“) dieser Abteilung wird ermittelt. Man wehrt sich auf höchster Ebene gegen den Vorwurf die Hessische Polizei hätte diesbezüglich ein strukturelles Problem...

      • @Thomas Brunst:

        entlassen? dürfen die Ausbildung beenden, sollen danach aber nicht übernommen werden. oder verwechsle ich die die diversen einzeltäter?

        • @festus:

          Die SZ zum Thema: “Polizeischüler wegen rassistischer Whatsapp-Nachrichten entlassen“



          “(…) Ursprünglich richtete sich der Verdacht laut einem Bericht der FAZ gegen fast die gesamte Studiengruppe - wohl etwa 20 Personen. Die Polizeiakademie hat nun sechs Schüler entlassen. (...)“



          “(…) Die Polizeiakademie habe umgehend reagiert und sechs Polizeianwärter entlassen, sagte der Sprecher von Innenminister Peter Beuth (CDU), Michael Schaich, dem Evangelischen Pressedienst. (...) (Süddeutsche Zeitung, 08.09.19)

          www.sueddeutsche.d...assismus-1.4592192

  • Als Demokrat fühle ich mich manchmal auch sehr einzeln. Und vor der Gewalt unerfahren. Vielleicht wäre es Zeit, ich sammle Patronen, statt Erwartungen auf den Rechtsstaaten zu unterhalten. Bevor der Staatsapparat total unterwandert ist.