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Doppelflug zum UN-KlimagipfelDesaströse Symbolik

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Kritik am Doppelflug der Bundesregierung ist hohl. Und die Botschaft der deutschen Klimapolitik ist so verheerend, weil sie so ehrlich ist.

Sieht irgendwie cool aus, ist aber unsexy. Wer kein Geld zum Fliegen hat, liegt zumindest im Trend Foto: dpa

F ür die Atmosphäre sind es weniger als Peanuts, ob die deutsche Regierung mit einem oder zwei Flugzeugen in die USA unterwegs ist. Kanzlerinnen, Präsidenten und Minister bekommen zu Recht ein Upgrade in ihre eigene Business- beziehungsweise Politics-Class. Kein vernünftiger Mensch wird Angela Merkel vorhalten, dass sie über 300.000 Kilometer im Jahr fliegt.

Deshalb ist die Kritik am Doppelflug auch hohl. Für jedes zweitklassige Champions-League-Spiel wird die Atmosphäre mehr belastet als für den wichtigen Auftritt der deutschen Kanzlerin vor den Vereinten Nationen. Aber Politik ist eben zu einem großen Teil auch Symbolpolitik. Und da fehlen offenbar die Sensibilität und die koordinierte Planung in der Regierung. Wie ihr Verhalten auf ihr Volk und den Rest der Welt wirkt, ist offenbar zweitrangig.

Die Symbolik ist so desaströs, weil sie so ehrlich ist. Denn auch die deutsche Klimapolitik, die sich in einem mutlos vermurksten Klimapaket manifestiert, beruht in weiten Teilen darauf, einfach so weiterzumachen wie bisher und nicht wirklich nachzudenken. Sie folgt dem Grundsatz: Niemandem irgendetwas zumuten! Ob Autofahrer, Hausbesitzer, Industriebetrieb oder Kohlekumpel – jeder wird behütet und mit Geld überhäuft, damit das klimapolitische Klein-Klein bloß nicht zu politischem Schluckauf führt.

Das ist nicht nur für die Debatte in Deutschland ärgerlich. Es ist vor allem eine niederschmetternde Botschaft an viele der Länder, die in New York auf Merkel warten. Denn im viertgrößten Industrieland der Welt, das aus einem Jahrzehnt der Hochkonjunktur kommt, können wir es uns leisten, in den nächsten vier Jahren 54 Milliarden Euro auszugeben, ohne dafür viel Klimaschutz zu bekommen.

Klimaschutz? Nur für die Reichen!

Aber die Botschaft an Länder, die es nicht so dicke haben, ist fatal: Klimaschutz? Nur für die Reichen! Das war schon so beim Kohleausstieg, den man sich mit 40 Milliarden auch erst mal leisten können muss. Dem dringend nötigen Kohleausstieg in China oder Indien wäre mit ein paar innovativen Ideen aus Germany aber besser geholfen als mit der Botschaft: Kauft euch frei, wenn ihr es könnt!

Es geht nicht darum, dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll. Es geht um die globale Verantwortung dieses Landes für effektiven Klimaschutz. Da sind internationale Auftritte viel wert. Noch besser wäre es, die Kanzlerin käme auch mit einem ehrgeizigen und schlüssigen Konzept für den Umbau der fossilen Wirtschaft in eine nachhaltige Zukunft.

Also mit etwas, woraus sich andere Länder und Unternehmen Ideen und Inspiration holen könnten. Wenn die deutsche Regierung einen solchen Plan hätte, wäre es auch egal, ob die Ministerinnen und Minister mit eigenem Jet oder als Fluggemeinschaft durch die Welt reisen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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11 Kommentare

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  • So berechtigt die Kritik am Vielfliegen ist. Es irritiert mich in der taz solche Artikel zu lesen. Wie steht es um die Symbolik der taz? Oder ist mir da etwas entgangen? Hab ich nicht vor kurzer Zeit noch ein taz-Lesereise-Angebot entdeckt und war mal wieder entsetzt über diese Flugschamlosigkeit? Wie schön, dass es jetzt endlich ein Wort dafür gibt.

  • "Ob Autofahrer, Hausbesitzer, Industriebetrieb oder Kohlekumpel – jeder wird behütet und mit Geld überhäuft, damit das klimapolitische Klein-Klein bloß nicht zu politischem Schluckauf führt." ... Nur wer über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügt und nicht tagtäglich zur Arbeitsstelle pendeln muss um sein kleines Eigenheim zu bezahlen kann die unglaubliche Arroganz besitzen so etwas zu schreiben.

  • Symbole? Wehe dem, der Symbole sieht! Die sind etwas für Leute, die ganz gerne die Wirklichkeit ausblenden, aber das gelingt natürlich nicht auf Dauer.

  • Wir sind doch nicht im Kindergarten! Die halbe Nation feixt und freut sich über die versagenden Vorbilder. Das ist jämmerlich. Es ist auch kindisch. Wenn Mama und Papa versagen, dann muss man auch nichts tun. Die interessierte Preemsse assistiert. Ertappte Vorbilder? Hurra! Gespielte Empörung allenthalben, die in Wirklichkeit nur begeisterte Verantwortungslosigkeit ist. Das wirkliche Versagen der Politiker liegt aber natürlich nicht darin, wie sie sich selber verhalten, sondern darin, welche Politik sie machen.

  • 8G
    86970 (Profil gelöscht)

    Tja, wenn die GORCH FOCK noch einsatzfähig wäre, ...

    Hatte ich eigentlich erst als Witz gedacht, aber wenn ich so drüber nachdenke, kommt mir das gar nicht so abwegig vor. Auf der mehrwöchigen Hin- und Rückreise per (vergleichsweise komfortablen Großsegler) hätten Angela & Co. dann auch Gelegenheit gehabt, mal in Ruhe über ein paar Dinge nachzudenken. Was im Moment ja durchaus nötig zu sein scheint.

    Aber der Autor hat mit seinem Kommentar natürlich völlig recht: Niemand hat die Absicht, irgendwas zu verändern.

    Während der historische Spruch zum Mauerbau eine Lüge war, ist dieser aktuelle Spruch die nackte Wahrheit.

  • " Für jedes zweitklassige Champions-League-Spiel wird die Atmosphäre mehr belastet als für den wichtigen Auftritt der deutschen Kanzlerin vor den Vereinten Nationen."

    gibt es schon die sportler*innen for future?

  • Ja, es geht um Symbole - und darum, Zeichen zu setzen für den ärmeren Teil der Bevölkerung, der irgendwann Opfer bringen muß.



    Und klar, die Beteiligten verstecken sich jetzt feige hinter einer unfähigen Ministerialbürokratie.



    Aber das Zeichen heißt, eure Sorgen und Nöte und ja, auch eure Sorge ums Klima - sie kümmern uns nicht.

    • @Lapa:

      Nein, es geht nicht um Symbole. Es geht auch nicht um Vorbilder. Wer braucht denn so was? Nach dieser Logik gilt am Ende dann der E- Auto fahrende Scheuer (die Begleitmannschaft zählt ja nicht im Reich der Symbole) noch als der bessere Klimapolitiker gegenüber anderen Politikern, die wirklich etwas ändern wollen.

  • Heute ist die "Kritik am Doppelflug ... hohl" und am 15.08. schrieb die taz: "Gretas Törn schädlicher als Flug". Respekt.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Vegisto:

      Genau so ist das 👍😄