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Sabrina Sarabis Debütfilm „Prélude“Kein Funke Genialität

In „Prélude“ wird ein Klavierstudent auf die Probe gestellt. Leider guckt sich der Film wie ein Stück, das man trocken einstudiert hat.

Angespanntes Musizieren: Professor Matussek (Ursina Lardi) und David (Louis Hofmann) Foto: X Verleih

David ist da was entglitten. Langsam schleicht sich der Kontrollverlust in Sabrina Sarabis Debütfilm „Prélude“, der vor der Kulisse eines Musikkonservatoriums passiert. Eigentlich standen die Zeichen für David, dem Louis Hofmann („Freistatt“, „Die Mitte der Welt“) sein hübsches, teils auch recht markantes Bubengesicht leiht, ziemlich gut: Er zählt zu jenen vielversprechenden Studenten, die Professor Matussek (Ursina Lardi) höchstpersönlich unter ihre Fittiche nimmt.

Matussek, auf die die Bezeichnung „kühle Blonde“ passt, ist sogar der Ansicht, David habe gute Chancen, ein Stipendium zu bekommen, um das es an der Schule offenbar ein Gerangel gibt. Anreiz und Gift zugleich: Professor Matussek schmeichelt, spornt an, setzt sich schon mal verdächtig nahe an den jungen Pianisten, lässt ihn aber auch sogleich fallen, wenn sich Fehler in sein Spiel einschleichen.

Denn in „Prélude“ bedeutet Klavierspiel nicht nur die Wiedergabe von Noten, sondern auch, die Eitelkeit jener zu bedienen, die zu wissen meinen, wie man dieses Kunststück am besten vollführt. Dass Sabrina Sarabi konsequent aus der Perspektive Davids zu erzählen scheint, macht das Abtauchen in den gefährlichen Psychostress greifbar und seltsam zugleich. Die Realitäten verwackeln, bald schon ist man sich nicht mehr ganz sicher, was wirklich geschehen und was vielleicht nur Davids nervöser Wahrnehmung geschuldet ist.

Realitäten verwackeln, bald schon ist nicht mehr sicher, was wirklich geschehen ist

Kleine inszenatorische Schleifen zeugen davon, etwa wenn das Ticken eines Metronoms mit aufschlagenden Tischtennisbällen zu kommunizieren beginnt, sich die Ebenen bei David also verschalten, Chaos anzeigen und demonstrieren, dass hier schon längst etwas aus dem Rhythmus geraten ist.

Der Film

„Prélude“, Regie: Sabrina Sarabi. Mit Louis Hofmann, Liv Lisa Fries u. a. Deutschland 2018, 95 Min.

Weil es zum Verlust der Balance aber meist mehr braucht als eine Professorin, die möglicherweise selbst etwas neben dem Takt liegt, gibt es in „Prélude“ außerdem eine Dreiecksgeschichte, die Davids Nerven noch stärker anspannt. In deren Zentrum steht Gesangsstudentin Marie (Liv Lisa Fries), die, wie im Grunde das ganze Konservatorium, einem Ort entsprungen zu sein scheint, den wohl nur Drehbücher gebären können. Ein altmodisches Mädchen mit Manieren, das nicht „Tschüss“ sagt, sondern „Auf Wiedersehen“, das mit seinem Freund Walter (Johannes Nussbaum) eine Art Gartenlaube bewohnt, in der auch gut Pflaumenkompott aus dem Jahr 1954 stehen könnte, und das furchtlos Walter gegen David eintauscht.

Der erste Kuss ereilt David dann auch gleich, als Walter noch friedlich neben Marie schlummert. Nicht unerwähnt bleiben soll natürlich, dass es sich bei Walter obendrein um Davids direkten Kontrahenten in Sachen Stipendium und Gunst der Professorin Matussek handelt – es strömt hier wirklich wenig Luft von außen an die Dinge. Auf allem sitzt ein Deckel, fest verschlossen, und unter den Töpfen wird mit höchster Temperatur geheizt.

Zwischendrin kommt es, weil die Siedetemperatur eben doch nicht von jetzt auf gleich erreicht werden kann, dennoch zu schönen Zwischentönen, etwa wenn David und Marie in Davids Zimmer (wenigstens eine Topfpflanze hat es von der Welt da draußen hineingeschafft) Zeit verbringen und sich folgender kleiner Dialog entspinnt: „David, mir ist kalt.“ „Dann zieh dir was an.“ „Mir ist aber langweilig.“ Sogleich eilt der junge Mann, hüllt die fröstelnde Gelangweilte in eine Decke und beginnt ihr vorzulesen. Normalität vorschützende Momente (die sich unbestreitbar nett ansehen lassen), im Grunde aber auch nichts mehr zu retten vermögen.

Scheitern an Leistungsdruck und Dreiecksaffäre

Unweigerlich muss man an Damien Chazelles „Whiplash“ denken, in dem ein ebenfalls 19-Jähriger, hier allerdings hinters Schlagzeug geketteter Musiker unter den irren Methoden seines Lehrers Schweiß und irgendwann sein Blut auf die Hi-Hats tröpfelte. Auch in „Prélude“ hackt sich David die Fingerkuppen wund, allerdings nicht mal an einem Klavier, sondern an einem mit Folie beklebten Schreibtisch, an dem er stumm seine Partituren übt.

Dummerweise guckt sich auch „Prélude“ nach einer Weile wie ein Stück, das man trocken und dafür immer und immer wieder einstudiert hat, in der Hoffnung, dass sich im zigsten Versuch doch noch der Funke Geniales einstellt. Er bleibt aus. Das macht den Film auf eine unabsichtliche Art dann doch kohärent und verbrüdert ihn gewissermaßen mit seiner Hauptfigur.

Als Studie über einen Klavierstudenten, der an sich, dem Leistungsdruck und einer nicht ganz unkomplexen Affäre scheitert, ist „Prélude“ wegen seiner sich aufbäumenden Hysterie, seines Formwillens und gleichzeitigen Blicks fürs Kleine trotzdem nicht völlig uninteressant. Jedenfalls möchte man von David, Marie und Walter, auch eine ganze Weile nachdem man ihnen begegnet ist, nicht ganz lassen. Eigentlich auch von Sabrina Sarabi und ihren im-expressionistischen Charakterskizzen nicht – die sich in kommenden Filmen gerne wieder mehr Richtung Laube verlagern dürfen.

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1 Kommentar

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  • Zitat: „Dummerweise guckt sich auch „Prélude“ nach einer Weile wie ein Stück, das man trocken und dafür immer und immer wieder einstudiert hat, in der Hoffnung, dass sich im zigsten Versuch doch noch der Funke Geniales einstellt. Er bleibt aus.“

    Kein Wunder. Genialität lässt sich nicht erzwingen. Das mag ein schwerer Schlag sein gegen die Eitelkeit derer, die glauben bestimmen zu müssen, wie ganz genau etwas passieren soll. (So, nämlich, wie sie es mühsam genug auswendig gelernt haben.) Aber dafür kann ja nun wirklich niemand etwas, oder doch?

    Ich meine: Eine Genialität, die ausschließlich der Befriedigung fremder Eitelkeiten dienen muss, ist eine traurige Sache. Sie ist ein Eisbär in Gefangenschaft. In einem Käfig von drei Metern auf vier Meter. Und wie der Bär macht sie es da nicht sehr lange.

    Wie immer dem sei. Nichts ist so schlecht, dass man nicht doch drüber reden könnte – und dabei vielleicht sogar noch etwas lernen. Das gilt mit Sicherheit auch für alle Filme. Kommt halt auf die Zuschauer an und ob die Genie haben, „erzeugende Kräfte“ also.