piwik no script img

Segel statt Schweröl

Umweltaktivisten setzen auf Wind statt auf Schweröl und werben für Frachtsegelschiffe. Doch ist das eine realistische Alternative?

Lassen sich volle Container auch umweltfreundlich verschiffen? Foto: Darryl Dyck/reuters

Von Hermannus Pfeiffer

Die „MSC Gülsün“, das größte Containerschiff der Welt, war in der vergangenen Woche erstmals in Bremerhaven ausgelaufen. Mit seinen 400 Metern Länge und einer Transportkapazität von 23.756 Standardcontainern (TEU) stößt das Schiff in eine neue Dimension des Frachttransports vor. Zehn weitere Schiffe dieser neuen Klasse hat die Schweizer Familienreederei MSC in Korea bestellt. Solche Superlativen haben ihren Preis: Es wird dreckiges Schweröl für schätzungsweise bis zu 200.000 Euro verbrannt – täglich. Kein Wunder also, dass findige Köpfe wieder von Frachtern mit Segeln träumen.

In der Sail Cargo Alliance haben sich einige Schiffseigner, Händler und Produzenten daher zusammengeschlossen, um eine ausgestorbene Praxis wiederzubeleben: Güter sollen wieder mit Segelkraft transportiert werden. Die ökobewegten Aktivisten aus Europa rüsten ein Frachtsegelschiff aus dem Jahre 1911 auf. Es soll Kaffee, Kakao und Rum zwischen der Karibik und dem Mittelmeer transportieren. Die „SV Brigantes“ soll noch in diesem Jahr unter Wind segeln. Containerriesen wird der einst bei Bremen gebaute Segler wohl nicht Paroli bieten: Die „Brigantes“ ist kaum 28 Meter kurz, der Transport pro Tonne entsprechend teuer.

Seit dem Ende der frachtfahrenden Windjammer in den frühen 1950er Jahren hat es gelegentlich Versuche für ein Comeback gegeben. Die Bremer Reederei Beluga rüstete 2007 Frachter mit Zugdrachen aus. Vier Jahre später beendete die Insolvenz das Experiment.

Belugas Zugdrachen stammten von Sky Sails. Das Hamburger Unternehmen glaubt offenbar weiter an seine Drachen. Einige Frachtreedereien nutzen oder planen laut Firmenangaben den Einsatz eines Zugdrachens, der die Hauptmaschine entlasten kann. Kritiker halten die Handhabung allerdings für zu kompliziert, die Technik nicht für ausgereift.

Durchsetzen konnte sich der neue Segelantrieb bislang nicht. Dafür gibt es kommerzielle Gründe: Die größten, jemals gebauten Segelschiffe hätten umgerechnet eine Kapazität von etwa 400 TEU-Containern, rechnet Christian Denso vor. „Es bräuchte für heutige Schiffsgrößen also einfach ungemein große Segel“, so der Sprecher des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). Auf Containerschiffen kommt ein weiteres Problem hinzu: Es gibt kein freies Deck – das ist ja mit Containern belegt. Denso weist zudem auf ein physikalisches Phänomen hin: Die Geschwindigkeit dürfte maximal nur 16 Knoten betragen, da sonst der Zug durch die Segel gen null gehen würde. Üblich sind in der globalen Schifffahrt deutlich höhere Geschwindigkeiten. „Es braucht immer zuverlässig Wind aus der passenden Richtung und in der passenden Stärke“, sagt Denso. Hierin sehen die Reeder eine der Hauptschwierigkeiten.

Einen anderen Ansatz verfolgt die Reederei Scandlines. Auf der Fähre „Copenhagen“ soll von einer norwegischen Werft ein Rotorsegel eingebaut werden. Lob gab es dafür sogar vom Naturschutzbund Nabu. Das Rotorsegel ist eine moderne Version eines Flettner-Rotors – eines rotierenden Zylinders, der das Schiff durch Windenergie antreibt. Das Prinzip war in den 1920er Jahren von dem deutschen Ingenieur Anton Flettner patentiert worden. „Die Strecke zwischen Rostock im Süden und Gedser im Norden ist nahezu rechtwinklig im Verhältnis zu dem überwiegend aus Westen kommenden Wind“, erklärt Scandlines. Daher seien die Bedingungen für Rotorsegel auf dieser Strecke besonders günstig.

„Schiffe, die halb so schnell fahren, verbrauchen achtmal weniger Schweröl“

Michael Vahs, Schifffahrtsexperte von der Fachhochschule Emden/Leer

Ob die „Copenhagen“ der Flettner-Technik zum Durchbruch verhilft, bleibt abzuwarten. Immerhin experimentiert auch die weltgrößte Reederei Maersk seit Kurzem mit einem Rotor. Der Reederverband VDR kann sich ihn vor allem als „wirksame Einrichtung“ beispielsweise für Tanker und Massengutfrachter, sogenannte Bulker, mit freien Deckflächen vorstellen. Da seien Einsparungen beim Treibstoff von bis zu 20 Prozent möglich.

Michael Vahs hält bei Neubauten noch mehr für machbar. Der Professor an der Fachhochschule Emden/Leer hat kürzlich ein internationales Forschungsprojekt abgeschlossen. Zusammen mit der Eco Flettner GmbH wurde das Frachtschiff „Pollux“ der Reederei EMS-Fehn mit einem eigens konstruierten Flettner-Rotor ausgerüstet. „Das System ist robust, leistungsfähig und fertig entwickelt“, betont Vahs.

Nur billiger als die altbewährten Schwerölmotoren kommt es den Reedern nicht. Für den massenhaften Einsatz an Bord bedürfe es daher regulatorischer Vorgaben durch die Politik. Das nicht unehrgeizige Ziel der Weltschifffahrtsorganisation IMO, bis zum Jahr 2050 den Kohlendioxid-Ausstoß um mindestens 50 Prozent zu senken, werde ­allerdings mit Rotoren allein nicht zu ­erreichen sein, so Vahs. Dazu brauche es die neuen strombasierten Kraftstoffe und eine langsame Fahrt: Schiffe, die halb so schnell fahren, ver­brauchen achtmal weniger Schweröl.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen