: Staat muss Schulbuch bezahlen
Bundessozialgericht gibt Hartz-IV-Beziehern aus Niedersachsen recht, weil dort Lernmittelfreiheit fehlt
Jobcenter müssen bei Kindern aus Hartz-IV-Familien die Kosten für Schulbücher tragen. Die Kosten seien als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen, wenn Schüler diese wegen einer fehlenden Lernmittelfreiheit im jeweiligen Bundesland selbst kaufen müssten, urteilte am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel im Blick auf zwei Fälle aus Niedersachsen. (AZ: B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R). In der Vorinstanz hatte das niedersächsische Landessozialgericht in Celle ihnen im Dezember 2017 überwiegend recht gegeben. (AZ: L 11 AS 349/17)
Konkret ging es um den Fall einer Schülerin der gymnasialen Oberstufe, die vom Jobcenter Kosten von 135,65 Euro für ihre Schulbücher erstattet haben wollte. In einem weiteren Fall forderte eine Schülerin in Hildesheim für Schulbücher 214,40 Euro.
Die Jobcenter lehnten dies ab. Sie argumentierten, Schulbücher seien aus dem Hartz-IV-Regelsatz zu bezahlen oder über das „Schulbedarfspaket“ des Bundes von 100 Euro pro Schuljahr. Die beiden Fälle bezogen sich auf die Schuljahre 2016/2017 und 2012/2014.
Das BSG urteilte, dass hier ein Härtefall-Mehrbedarf vorliege. Wegen der fehlenden Lernmittelfreiheit in Niedersachsen sei es Schülern im Hartz-IV-Bezug nicht zuzumuten, ihre Schulbücher selbst zu bezahlen. Zwar seien die Bücher im Regelbedarf vorgesehen. Dieser reiche aber nicht aus. Im Hartz-IV-Regelbedarf sind etwa drei Euro pro Monat für Schulbücher und Broschüren vorgesehen.
Der Regelbedarf gehe auf eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zurück, heißt es in dem Urteil weiter. Deren Ergebnis sei aber nicht auf Schüler übertragbar, „für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe gilt“.
Auch wenn Bundesländer mit ihrer Kultushoheit für die Finanzierung der Schulbildung zuständig sind, der Bund dagegen für Hartz IV, dürfe ein sich daraus ergebender Streit um die Kostenübernahme für Schulbücher „nicht auf den Rücken der Schüler ausgetragen werden“, entschied das BSG.
Den ersten Fall verwies das BSG wegen fehlender Tatsachenfeststellungen an die Vorinstanz zurück. Im zweiten Fall sprachen die Richter der Klägerin eine Kostenerstattung zu. Da Schulangelegenheiten Ländersache ist, regeln die jeweiligen Bundesländer die Kostenübernahme für Schulbücher unterschiedlich.
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