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Kolumne SchlaglochKein Klimaschutz ohne Tierrechte

Kolumne
von Hilal Sezgin

Das Klima zu schützen, ist wichtig. Für wen aber soll dieser Planet gerettet werden – für alle seine Bewohner*innen oder nur für uns Menschen?

Auch Kühe sind Erdbewohner*innen. Soll Klimaschutz also nicht auch für sie gelten? Foto: Andy Kelly/Unsplash

D er nächste Dürresommer steht ins Land, und alle engagieren sich in Sachen Klima. Man demonstriert bei Fridays for Future, solidarisiert sich mit den Scientists for Future oder beteiligt sich an Writers for Future. Und das ist gut so. Die Erde brennt, und das Schlimmste wäre, denen, die mit einem Eimer zum Löschen unterwegs sind, in den Arm zu fallen: „Das ist der falsche Eimer“, „Die Farbe von deinem Eimer gefällt mir nicht“, oder: „Wasser hilft eh nichts mehr.“

Einerseits also: volle Solidarität. Und andererseits: Ein paar kritische Gedanken müssen sein. Zum Beispiel hat sich unter Demeter- und Bio-Landwirt*innen eine Initiative namens Farmers for Future gebildet, die zum Kohleausstieg, zur CO2-Besteuerung sowie zu einer schonenderen Landwirtschaft aufruft.

Letzteres klingt allerdings ein wenig so, als sollten es andere am besten genauso machen, wie man selber es bereits macht. Die Emissionen aus der Tierhaltung zum Beispiel sollen durch eine „flächengebundene Tierhaltung“ reduziert werden – das ist die Demeter-Praxis, der zufolge nicht mehr Tiere gehalten werden dürfen, als die dazugehörige Fläche an Futter hergibt und an Dünger wieder aufnehmen kann.

Das Gegenteil von Massentierhaltung also, dessen Prinzip ja ist: möglichst viele Tiere auf geringem Raum und das Futter wird importiert. So gesehen klingt „flächengebunden“ also nach einer guten Sache, oder nicht?

Weidewirtschaft blockiert Flächen

Doch auch diese Form der Tierhaltung belegt Flächen, die für die Ernährung der Menschen nicht notwendig sind und ansonsten zum Klimaschutz beitragen könnten. Wer Getreide und Eiweißfrüchte an Tiere verfüttert, statt sie direkt für den menschlichen Verzehr zu verarbeiten, vergeudet Ressourcen.

Wer Grünland als Weidefläche bewirtschaftet, blockiert Flächen, die mit anderem Bewuchs besser als Kohlenstoffspeicher nutzbar wären. Zumindest in unseren Breiten ist jede Art von tierischer Ernährung ein ressourcenintensiver Luxus; zu sagen, man wolle weniger Tiere halten, ist so, als wolle man weniger Kohle fördern oder einmal in der Woche das Auto stehen lassen. Für den Anfang vielleicht nicht schlecht – aber angesichts der Lage gut genug?

Diese Erde ist die Heimat für unzählige Spezies fühlender Lebewesen, und wir müssen endlich lernen, sie gerecht mit ihnen zu teilen

Und natürlich: Die Perspektive der Tiere, um deren Leben und Sterben (respektive Getötet-Werden) es schließlich geht, kommt in dieser Rechnung nicht vor. Für wen aber soll dieser Planet gerettet werden – für alle seine Bewohner*innen oder nur für uns Menschen?

Derzeit herrschen meist recht begrenzte Nützlichkeitserwägungen vor: Jeder Wald ist eine „grüne Lunge“ – für unsere Städte. „Wertvolle Biotope“ gehen verloren, und dabei heißt „wertvoll“: nützlich für uns. Bei der Abholzung des Regenwaldes wird bekanntlich oft gewarnt, mit jedem Quadratkilometer gingen auch Arten verloren, aus denen sich in Zukunft vielleicht Heilmittel gewinnen ließen – das mag ja stimmen. Aber so ein Regenwald ist nicht vorrangig eine riesige Apotheke für den Menschen von morgen, sondern Lebensraum von Tieren heute.

Achtung vor den Irrwegen

Von den Anliegen her ähnlich, aber etwas lautstärker als Fridays for Future ist die aus Großbritannien stammenden Bewegung Extinction Rebellion. Um ein Ende der Verdrängung und ein sofortiges radikales Umschwenken anzustoßen, wählen diese Aktivist*innen vielerlei Protest­formen. Erwünscht sind auch solche, die zu Verhaftungen führen können, damit die mediale Aufmerksamkeit steigt und überhaupt etwas in Gang kommt.

Auch vor Extinction Rebellion habe ich den größten Respekt; bedauerlich finde ich nur: Auch hier kommt die Perspektive der nicht-menschlichen Bewohner*innen dieser Erde zumeist zu kurz. Kann es aber eine Bewahrung der Welt vor der Klimakatastrophe geben ohne Tierrechte?

Ich denke: nein. In gewisser Weise ist natürlich bereits die Frage absurd. Oder würden wir uns etwa fragen, ob sich die Erde unter Umgehung der Menschenrechte retten lässt? Würden wir Diktaturen proklamieren, weil sie (falls sie zufällig die „richtige“ Ausrichtung haben) effektivere Klimagesetze erlassen können, ohne umständliche Mehrheitsbildungen abwarten zu müssen? Gewiss, bisweilen liebäugeln auch demokratische Umweltschützer*innen mit den Möglichkeiten der chinesischen Obrigkeiten; aber das ist doch eher ein wehmütiger Seufzer als eine reale Option.

Dieser Vergleich mit den Rechten der Menschen überzeugt freilich nur, wenn man bereits von den Rechten der Tiere überzeugt ist. Ebenso wie folgender Einwand, den ich tierrechtsaffinen Klimaschützer*innen zu bedenken geben will: Wenn wir versäumen, Tierrechte gleich mit auf die Agenda zu setzen, werden zur Klimarettung unzählige Irrwege zu Lasten von Tieren ausprobiert.

Diese Welt gehört nicht nur uns

Da drohen nicht nur der Trend zum Insektenverspeisen, sondern auch die absurdesten Tierversuche zu klimaresistenteren Genvarianten und zu Wirkstoffen, die die Antibiotikaresistenzen kompensieren könnten. Die Rettung unserer (Menschen-)Welt hätte enorme Kosten für Tiere in Labors weltweit.

Aber selbst das könnte viele Anthro­po­zent­riker*innen kalt lassen, sie könnten sagen: Lasst uns erst einmal die Welt retten, das ist der kleinste gemeinsame Nenner; und danach sprechen wir über die Tiere.

Nein. Genau diese Art zu denken hat uns überhaupt erst an den Rand der drohenden Katastrophe gebracht. Und dies ist nicht die Zeit, sich als die Mächtigen aufzuspielen und die Bedürfnisse aller anderen zu ignorieren. Nicht die Zeit, das alte „Wir“ gegen „Sie“ zu betreiben oder bestehende Hierarchien zu affirmieren.

Diese Welt gehört nicht nur uns – weder nur den Menschen in Europa, die keine „Klimaflüchtlinge“ in „ihren“ Innenstädten sehen wollen, noch den Reichen, die bereits Pläne für private Klimaschutzreservate entwerfen, noch den Menschen im Allgemeinen. Diese Erde ist die Heimat für unzählige Spezies fühlender Lebewesen, und wir müssen endlich lernen, sie gerecht mit ihnen zu teilen.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.
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7 Kommentare

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  • 9G
    95692 (Profil gelöscht)

    Schonmal auf die Idee gekommen, daß nicht die Nutztierhaltung sondern die Überbevölkerung die Hauptursache der Probleme ist ? 7,5 bals 8 Milliaren Menschen, alle brauchen sauberes Wasser, Nahrung - möglichst eine die alle Bestandteile eine ausreichende Ernährung beinhaltet - Kleidung, Wohnraum und das vielleicht auch Recht am "westlichem" Luxus teilzunehmen. " Diese Erde ist die Heimat für unzählige Spezies fühlender Lebewesen, und wir müssen endlich lernen, sie gerecht mit ihnen zu teilen " klar, auch Pflanzen sind Lebewesen, die auf Verletzungen reagieren. Warum spricht Frau Sezgin nicht mal von Pflanzenrechten ? Solange wir uns wie die Karnickel vermehren, würde auch eine Pflanzenmörderische Ernährung den Kollaps nicht aufhalten. Der Demeter Ansatz macht Sinn, da damit die effektive Düngung der Felder sichergestellt ist.



    Ohne eine Omnivore Ernährung wäre das zudem das aus der von vom Menschen gezüchteten Nutztierarten und diesen Genozid will wohl niemand ernsthaft. Zudem können Nutztiere anfallende Abfallprodukte als Nahrung nutzen die der Mensch nicht nutzten kann, Sojaschrot z.B. oder Grassilage, Heu, Stroh, Rapskuchen, Soja-Extraktionsschrot, Biertreber, Mais-Ganzpflanzensilage usw. Jetzt mit diesem Artikel den Veganern ein Stöckchen hinzuhalten über das sie springen dürften um ein paar Klicks zu generieren ... es wird wohl funktionieren.

    • @95692 (Profil gelöscht):

      1) Schon ein bisschen albern, vom "Genozid" der "Nutztiere" zu schreiben, wenn mensch sie offensichtlich selbst für die eigene Lustbefriedigung töten möchte. Es geht also folglich nicht um die einzelnen Tiere sondern um den Erhalt von Arten und der Ausbeutung dieser - genauer um die Ausbeutungskultur.



      2) Dann Sie leben nicht einmal frutarisch, bzw. vertreten nicht diesen Standunkt und wollen Hilal Sezgin dennoch wegen "Pflanzenrechten" kritisieren?

    • @95692 (Profil gelöscht):

      Die Gedanken sind zu kurzgegriffen. Leider ist es nunmal so, dass, wenn wir den Demeter Ansatz verfolgen, nicht genug Fleisch für alle Menschen auf dem Planeten da ist. Nun wird hier im ersten Absatz von einer Überbevölkerung gesprochen, also lieber einen Genozid als Pflanzen essen? Weil Pflanzen auch Gefühle haben? Und woher kommt dann die Vermischung mit anderen Dingen, wie Wohnraum oder Kleidung? Klar, Wasserqualität leidet unter der MAssentierhaltung, spricht aber dann eher gegen die hier verfolgte Argumentation. Und im zweiten Absatz vom Genozid an Tieren schreiben, was Humbug ist, lassen wir doch eine Tiergeneration die künstliche Befruchtung und schon müssen wir kein Tier aktiv mehr umbringen. Die meisten Tiere sind auch so hochgezüchtet, das ein einigermaßen artgerechtes Leben für sie kaum möglich ist. Es ist ja nicht so, das es die Milliarden von Hühnern auf "natürliche" Weise geben könnte. Zudem ist es unmöglich, das plötzlich alle Menschen gleichzeitig von heute auf morgen aufhören Fleisch zu essen.Die Umstellung über Jahrzehnte ist realistisch.Es spricht auch nichts dagegen all die Nahrungsabfallprodukte weiterhin Nutztieren zu geben. Dann halt in der Demeterzucht, wobei Demeter dient mMn nur als ein Beispiel. Ich stimme zu, wir sind Bestandteil dieser Welt und als dieser werden wir immer gestalten. Ich frage mich nur, wenn jemand behauptet es könne auch ohne die zusammengepferchten leidenden Tierhaltungsarten auskommen immer die Überbevölkerungskeule rausgeholt wird und gesagt wird anders geht es nicht, weil... Es muss aber! In einigen Jahrzehnten wird Fleisch für alle nicht mehr möglich sein und erst recht nicht zu dem Preis. Danke an alle Veganer und Vegetarier, ihr macht es allen vor, das es geht. Ohne "save the planet - kill yourself"-Mentalität. Also weitermachen wie bisher! Wird schon! Wenns das Laborfleisch gibt, werden die nächsten auf die Barrikaden gehen und von "Wider der Natur" sprechen. Ein Hoch auf die Natürlichkeit der Massentierhaltung.

  • Der Artikel zeugt leider von wenig landwirtschaftlicher Fachkenntnis. "Wer Getreide und Eiweißfrüchte an Tiere verfüttert, statt sie direkt für den menschlichen Verzehr zu verarbeiten, vergeudet Ressourcen." - Das stimmt, es kommt auf die Art des Futters drauf an.

    "Wer Grünland als Weidefläche bewirtschaftet, blockiert Flächen, die mit anderem Bewuchs besser als Kohlenstoffspeicher nutzbar wären." Das stimmt nicht, Stichwort Kohlenstoffspeicherung im Boden DURCH Beweidung.



    Ich empfehle das Buch von Anita Idel "Die Kuh ist kein Klimakiller":



    "Trotz des Ausstoßes von Methan sind Rinder unverzichtbar für die Welternährung – weil sie zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit beitragen und weil sie bei nachhaltiger Weidewirtschaft sogar helfen könnten, den Klimawandel zu begrenzen."

    • @P C:

      Dass sich ohne Tiere ökologisch und Bodenfruchtbarkeit fördernd Nahrungsmittel erzeugen lassen, zeigt bspw. die biovegane Solidarische Landwirtschaft Plant.age:



      www.plantage.farm/

  • Nur als Ergänzung: die flächengebundene Tierhaltung ist nicht nur beim Demeter Verband Standart auch bei den anderen Bioverbänden. Allerdings können Kooperationen gebildet werden.



    Aber Demeter ist der einzige Verband der, zumindest in Kooperation, eine Tierhaltung (Wiederkäuer) vorschreibt. Das geht auf einen alten weissen Mann namens Rudi Steiner zurück, soweit ich weiss.

    Wenn ich morgens im Tau über den Rasen laufen zertrete ich Regenwürmer. Wenn ich nachmittags in der Sonne drüber laufe bestimmte Käfer.



    Welcher Philosoph wagt es zu bestimmen welches Recht welches Tier bekommt? Ich habe bei dieser Überhöhung des Themas immer den Film 7 Jahre Tibet vor Augen, als die Mönche ein Fundament aushoben und jeden Regenwurm beiseite legten. Viel Spass beim Strassenbau!

    Und was ist mit den Tieren die wir nicht wahrnehmen und was ist mit Pilzen, Pflanzen etc. deren Kommunikation und Empfinden wir gerade anfangen zu verstehen?

    Landwirtschaftliche Tierhaltung und Konsum von tierischen Produkten halte ich nicht an sich für verwerflich. Aber wir wissen heute, dass wir ihre Anzahl und Menge deutlich reduzieren und die Haltungsbedingungen verbessern müssen.

    Ansonsten geht es allen Tieren wie uns: geboren um zu sterben. Und zwischendurch gehen wir uns gelegentlich gegenseitig auf den Senkel.

  • Was heute Demeter-Praxis ist, die „flächengebundene Tierhaltung“ nämlich, soll mal Standard gewesen sein. Ist nur schon eine Weile her. Inzwischen ist Turbo-Kapitalismus. Auch in China übrigens, werte Neu-Maoisten.

    Ja, auch eher konventionelle Formen der Tierhaltung belegen Flächen, die dazu beitragen könnten, Klimasünden vergangener Jahre wettzumachen. Nur: Wieso sollen ausgerechnet Demeter und die Kühe einen Schaden ausgleichen, den sie selbst gar nicht angerichtet haben? Weil es immer der Klügere ist, der nachgeben muss?

    Nicht immer ist „jede Art von tierischer Ernährung ein ressourcenintensiver Luxus“ gewesen. Auch nicht in „unseren Breiten“. Ganz ursprünglich war Tierhaltung eine Grundlage des Überlebens. Das ist nur in Vergessenheit geraten im Wohlstandswesten unsrer Tage. Dass Tiere, auch die, die man essen kann, als „Mitgeschöpfe“ angesehen werden, ist deswegen hier nicht mehr so verbreitet, weil sie Profitbasis geworden sind. Auch Tiere sind, wenn man so will, entfremdet. Das ist ursprünglich anders gewesen. Die „Wende“ ist bloß nicht verhinder worden.

    Satt sich bis aufs Messer drüber zu streiten, ob ein Schritt rückwärts „angesichts der Lage gut genug“ ist oder nicht, sollte man also vielleicht erst einmal anfangen, sich umzudrehen. Viel besser werden kann man anschließend ja immer noch. Wichtig ist jetzt, dass es ein Umdenken „an breiter Front gibt. Und das gibt‘s nur, wenn man die Leute nicht gewaltsam zwingen will zu ihrem Glück.

    Denn wer sich fragt: „Für wen soll der Planet gerettet werden“, der muss auch fragen, wer ihn anschließend beherrschen soll. Nur Super-Menschen oder auch alle anderen? Wer nicht mal alle Menschen einbeziehen will, der soll die Tiere nicht vors Loch schieben. Die, schließlich können nicht entscheiden, ob was in die falsche Richtung geht. Wir Menschen schon - so lange wir den freien Willen dazu haben.