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Mitautorin der „Mitte-Studie“„Die Mitte rückt an den rechten Rand“

Studienautorin Beate Küpper hält die Parteien für mitschuldig an Vorurteilen. Die Asyldebatte sei teils „hetzerisch“ geführt worden.

„Die öffentlichen Abwertungen der Asylsuchenden, die bleiben im Gedächtnis“ – ein syrischer Pass wird gescannt Foto: dpa
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

taz: Frau Küpper, Ihre Studie attestiert den Deutschen eine hohe Demokratiebefürwortung – und gleichzeitig verfestigte Vorurteile gegen Minderheiten. Ist das jetzt eine Entwarnung oder ein Alarmsignal?

Beate Küpper: Beides. Es ist natürlich positiv, wenn sich ein Großteil der Befragten hinter die Demokratie stellt. Wir stellen aber auch fest: Unter der Oberfläche weicht dieser Konsens auf. Denn es sind vielfach dieselben Befragten, die gleiche Rechte für Minderheiten in Zweifel ziehen, die sich abwertend über Muslime oder Sinti und Roma äußern, die auf Distanz zu etablierten Institutionen gehen und Widerstand für legitim halten. Das ist ein beunruhigender Befund.

Warum sind Vorurteile gegen Minderheiten so beständig?

Diese Vorurteile gibt es seit Jahrhunderten, das ist tief verwurzelt in den Gesellschaften. Aber sie spiegeln natürlich auch aktuelle Debatten. Die meisten Menschen wollen andere nicht bewusst ausgrenzen. Aber wenn es um konkrete Verteilungsfragen geht, dann soll die Mehrheit doch bevorzugt werden, auf Kosten von Minderheiten. Vieles ist da nachgeplappert, vieles basiert auf eigenen empfundenen Benachteiligungen. Aber am Ende stehen dann eben wieder Sündenböcke.

Aktuell trifft es besonders Asylsuchende: Warum ist deren Ablehnung noch gestiegen – wo sich die Lage hierzulande doch entspannt?

Vorurteile haben wenig mit Fakten zu tun. Und es sind die Debatten aus der Hochphase der Zuwanderung, in der es teils wirklich hetzerische Beiträge gab, die nun zu Buche schlagen. Auch wenn sich die Lage entspannt hat: Die öffentlichen Abwertungen der Asylsuchenden, auch durch etablierte Politiker, die bleiben im Gedächtnis.

Im Interview: Beate Küpper

Beate Küpper, 50 Jahre, ist Mitautorin der „Mitte-Studie“ und Professorin für Sozialpsychologie an der Hochschule Niederrhein.

Was sollte man jetzt tun?

Die Politik muss auf ihre Sprache achten. Und sie darf nicht weiter Stimmungen und Ängsten hinterherrennen – und diese damit erst befeuern. Unsere Daten zeigen, wie sehr gerade Anhänger der AfD Vorurteilen anhängen. Das überrascht nicht, wenn man die verächtlichen Stereotype von Muslimen oder Flüchtlingen sieht, welche die Partei vermittelt. Aber sie sind nicht die Einzigen, die versuchen, aus Ressentiments Profit zu schlagen. Auch die anderen Parteien müssen viel mehr erklären und erfahrbar machen, warum es zentral für unser Zusammenleben ist, dass alle gleich behandelt werden. Und auch für die Kirchen, die Sportvereine, die Gewerkschaften, letztlich für uns alle gilt die Frage: Positionieren wir uns klar genug?

Sie geben Ihrer Studie den Titel „Verlorene Mitte“: Schreiben Sie die gesellschaftliche Mitte bereits ab?

Wir geben sie nicht verloren, nein. Aber die Mitte verliert ihren Kompass. Normalerweise hat sie die Funktion, gesellschaftliche Konflikte auszutragen und einzuhegen. Nun aber rückt sie selbst an den rechten Rand, grenzt Minderheiten aus und neigt zur Gewalt. Wie gesagt: nicht die extremen Ränder, sondern die Mitte. Und das ist nun ein seit Jahren verfestigtes Muster. Darüber müssen wir reden.

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11 Kommentare

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  • Die Studie gibt doch die Behauptungen der Interviewten nicht im Ansatz her, insbesondere "Nun aber rückt sie selbst an den rechten Rand, grenzt Minderheiten aus und neigt zur Gewalt".



    Im Gegenteil steht die Mitte zur Demokratie, lehnt Gewalt ganz überweigend ab und der "Rassismus" besteht darin, dass das geltende Recht durchgesetzt wird.



    Da stellt sich die Frage, ob das Recht denn dann selbst rassistisch ist?



    Wenn ja, dann wäre die weitere Frage, wieso es von Parteien der Mitte beschlossen wurde - war die Mitte also schon immer rechts?

    Fragen über Fragen....

  • Also gut, reden wir. Darüber beispielsweise, wie eine Partei beschaffen sein müsste, um glaubhaft vermitteln zu können, „warum es zentral für unser Zusammenleben ist, dass alle gleich behandelt werden“.

    Ich fürchte ja, eine Partei, die das schaffen kann, müssten wir erst noch gründen. So weit ich nämlich sehe von hier aus, gibt es noch keine Partei in diesem Land, in der „einfache Mitglieder“ genau so behandelt werden wie „große Vorsitzende“. Nicht mal links der Mitte oder im Grünen Bereich.

    Parteivorsitzende werden hofiert und dürfen bestimmen, einfache Mitglieder (Stimmvieh) hingegen bleiben völlig unbekannt und haben nichts zu sagen. Außer natürlich, dass „die an der Spitze“ sie offiziell vertreten dürfen. Parteien, die nach innen derart krasse Unterschiede machen, können nach außen unmöglich für Gleichheit und Brüderlichkeit eintreten, ohne lächerlich zu wirken. Bestenfalls, meine ich.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Zitat: "Die Politik muss auf ihre Sprache achten. Und sie darf nicht weiter Stimmungen und Ängsten hinterherrennen"

    Kann es sein, das die Menschen diese politisch-medial zelebrierte Bigotterie erkennen? Als sog. Wertegemeinschaft namens EU unter Führung von Deutschland das gesamte Mittelmeer mit Nato-Draht et al. abriegeln, bei jedem angelandeten Flüchtlingsboot um Kopfzahlen für einzelne Aufnahmeländer feilschen, schlußendlich billigend in Kauf nehmen, das via einer zerfallender Infrastruktur nebst Wohnungsmarkt etc. Schwache gegen noch Schwächere ausgespielt werden.

    Was "die können", das können "wir" auch, klammheimlich, ggf. auch die Fallstricke suggestiver oder indirekter Fragestellungen erkennend; soweit überhaupt noch freiwillig an so einer doch angeblich "repräsentativen" Umfrage teilnehmend.

    - - - - -

    Meine Begleiterin und ich haben zur Hochzeit der neuen Montagsdemos im Sommer 2014 vor dem Brandenburger Tor für eine von der TU-Berlin durchgeführten Befragung und beinahe studienhalber mal eine Ausnahme von der ansonsten konsequenten Verweigerung gemacht. Und auch nur deshalb, weil das nicht überfallartig (und anonym) via Telefon oder adhoc an einer zugigen Straßenecke stattfand, sondern man einen link nebst individuellen Schlüssel bekam, sich dann in den nächsten Tagen die "Fragen" in Ruhe anschauen und beantworten konnte.

    Studienhalber eben ...

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Aaaaah, daaaa Tschutnnn!

      Sie glauben immer noch die These, alle Kürzungen und Verwahrlosungen des Gemeineigentums seinen erst nach dem August 2015 eingetreten? Es wurde neoliberal gewählt und man hat eine neoliberal geprägtes Land bekommen. Und das wird sich mit Weidel und Konsorten auch keinesfalls ändern. Nur das mit da Tschutnnn. Der Rest ist dieselbe Soße hoch zwei. S. a. FPÖ.

      • 9G
        90857 (Profil gelöscht)
        @Volker Maerz:

        Ganz im Gegenteil (wie kommen sie nur darauf?)

        bin ich der expliziten Meinung, dass der neoliberale Overkill nebst neokolonialer, neoimperialer globaler Vorwärtsverteidigung für Deutschland bereits ab Ende 1998 unter SPD/Grün begonnen hat.

        Die größere Zahl der Flüchtlinge ab dem Sommer 2015 hat dabei nach meiner Meinung "lediglich" als Katalysator, als Beschleuniger dieser nun offen erkennbaren dieser Entwicklung gewirkt.

        So waren das Gemeinwesen und die öffentlichen, sozialen Strukturen etc. schon bis dahin weitgehend geplündert.

        Ein "gutes" Beispiel ist doch die aktuelle Enteignungsdiskussion. Waren es nicht genau diese neoliberal übernommenen Politiker, welche öffentliches Wohneigentum (und anderes kollektive Eigentum) lange vor 2015 an die sog. Heuschrecken versilbert haben?

        • @90857 (Profil gelöscht):

          Ebertus2 schreibt: "Waren es nicht genau diese neoliberal übernommenen Politiker, welche öffentliches Wohneigentum (und anderes kollektive Eigentum) lange vor 2015 an die sog. Heuschrecken versilbert haben?"

          Fakt: In Berlin war es der rot-rote Senat.

  • „Die Mitte rückt an den rechten Rand“



    Diese Aussage von Frau Küpper ist keineswegs objektiv, sondern resultiert natürlich aus ihrem politischen Standort.



    Gegenbeispiel: FDP und AfD begründen ihre Existenzberechtigung u. a. damit, dass die CDU, insbesondere seit Merkels Amtsantritt, immer mehr nach „links“ abgedriftet und somit die „Mitte“ verwaist sei.



    Wenn ich die Wahlergebnisse der letzten Jahre als halbwegs objektiven Maßstab nehme, stelle ich eher fest, dass der Trend weg von der Mitte, hin zu den Rändern ging, wobei die „Rechten“ scheinbar etwas mehr profitierten. Aber das sind vergangene „Wasserstandsmeldungen“. In den nächsten Monaten werden wir aktuellere Ergebnisse sehen.

  • Eine Wegweisende ( ´Alarmsignal-Entwarnungs-´) Studie die - trotz allgemeiner Demokratiebefürwortung - das stark verbesserungswürdige Welt- , Menschen- & Demokratieverständnis der Deutschen Gesellschaft - in Ober- , Mittel- & Unterschicht - welches überwiegend gekennzeichnet ist von Prägungsbedingt Xenophobem Fehlwahrnehmung/en , Fehlverhalten &`Gravierenden Mängeln in Umgang mit , sowie mangelnd. Verständnis & Realisierung von Elementaren Grund- & Menschenrechten ( Zit. v. Amnesty International )` , wunderbar verdeutlicht . In der Psychologie gilt übersteigerte Xenophobie übrigens als eine Form der Angststörung , Angststörungen ist ein Sammelbegriff für mit Angst verbundene psychische Störungen .

    de.wikipedia.org/w...%C3%A4rungsmodelle



    de.wikipedia.org/wiki/Angstst%C3%B6rung

    GRUND- & MENSCHENRECHTE



    SOLLTEN BEREITS AB DER GRUNDSCHULE FESTER BESTANDTEIL DES LEHRPLANS SEIN .

    www.menschenrechts...erungsverbot-9298/



    www.gesetze-im-int...BJNR000010949.html

  • Nein, die Wahrheit rückt an den rechten Rand (und das sagt viel über diejenigen, die vom "rechten Rand" sprechen).



    Denn: Wer sowohl für rechtsstaatliche Behandlung von Asylbewerbern ist (und nicht für ominöse "Großzügigkeit") als auch korrekt wiedergibt, dass die Mehrheit der Asylbewerber (nicht: Asylberechtigten) keinen Schutz zugesprochen bekommt und nur selten politisch verfolgt ist, der ist in beiden Fällen "abwertend", ergo rechtspopulistisch und feindselig.



    Wäre die Studie anständig designt, hätte sie nach Asylberechtigten gefragt. Hat sie aber nicht.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx



    Sorry, kann meinen Kommentar momentan nur eingeben, wenn ich die erste Zeile mit x markiere.



    Dieser Satz, Frau Küpper:



    "die auf Distanz zu etablierten Institutionen gehen und Widerstand für legitim halten. Das ist ein beunruhigender Befund."

    beunruhigt mich nun. Ich bitte doch sehr darum, dass Widerstand legitim ist, ebenso wie kritische Distanz zu einigen Institutionen.

    Allein diese, Ihre Aussage, läßt mich an der Studie zweifeln.

  • Hätte Frau Küpper in Statistik aufgepaßt, dann wüsste Sie, daß die Mitte beim x/quer der Gesellschaft liegt. Und nicht dort, wo sie der ein oder andere Politiker hinzudefinieren sucht.