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Unternehmen wollen investierenCannabis made in Germany

Das Gesundheitsministerium will die Lizenzen für den deutschen Anbau von medizinischem Cannabis vergeben. 79 Bieter ringen um den Zuschlag.

Nicht nur wie hier in Israel, auch in Deutschland könnte medizinisches Cannabis angebaut werden Foto: epa

Berlin taz | Gerade hat Farmako einen großen Deal abgeschlossen. Das Frankfurter Unternehmen importiert in den kommenden vier Jahren fünfzig Tonnen medizinisches Cannabis aus Polen, um es anschließend in ganz Europa zu vertreiben. Seit 2017 kann medizinisches Cannabis hierzulande in bestimmten Fällen von Ärzten verschrieben werden. Wenn der Medizinische Dienst der Krankenkassen sein Okay gibt, können etwa Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, sich die Blüten in der Apotheke abholen. 2018 wurden 95.000 Rezepte für medizinische Cannabisprodukte ausgestellt, der Bedarf wächst.

Ein noch ziemlich neues, aber boomendes Geschäft für Hersteller und Händler also. Allein Farmako rechnet mit mehreren Hundert Millionen Euro Umsatz. Dutzende andere Unternehmen wollen in den Anbau investieren; auch in Berlin haben die mitregierenden Grünen gerade Wirtschaftsförderung für den Cannabisanbau in Aussicht gestellt.

Aber wäre es nicht einfacher, Cannabis für den therapeutischen Gebrauch hierzulande anzubauen und so die Qualität und den Preis zu kontrollieren, statt es zu importieren? Das dem Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) unterstellte Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) findet das auch und hat deshalb eine „Cannabisagentur“ gegründet.

Solange nicht in Deutschland angebaut wird, wacht die Agentur mit Sitz in Bonn über Qualität und Quantität der Importe. Und, das ist das Attraktive für viele Start-ups, die Behörde hat den Anbau in Deutschland ausgeschrieben. Es geht um ein Volumen von 10.400 Kilo Cannabis, verteilt auf vier Jahre mit jeweils 2.600 Kilo.

79 Angebote für das lukrative Geschäft

79 Bieter und Bietergemeinschaften haben mittlerweile Angebote abgegeben, sie alle wollen teilhaben an diesem boomenden Geschäft. Das Spahn-Ministerium „erwartet die erste Ernte für das 4. Quartal 2020“. Jeder Bieter kann maximal den Zuschlag für fünf Anteile zu je 200 Kilo bekommen. So soll das unternehmerische Risiko begrenzt werden.

Die Anbaubedingungen selbst sind komplex. Die Anlage muss erhöhten Sicherheitsanforderungen gerecht werden: Der Raum, in dem die Landwirte zwei bis acht Ernten pro Jahr einfahren wollen, muss von einer 24 Zentimeter starken Stahlbetonhülle gesichert sein; die Pflanzen sind grundsätzlich nicht dem Tageslicht ausgesetzt.

Alles nicht ganz einfach für die Bietergemeinschaften. Sie müssen Grundstücke oder am besten gleich ganze Anlagen vorhalten für den Moment, in dem es tatsächlich losgehen kann. Die Firma Aphria zum Beispiel, die unter den Bietern ist, baut aktuell in Schleswig-Holstein eine Anlage für den Anbau von Pharma-Chili. Die für Wärmepflaster verwendete Pflanze unterliegt vergleichbaren Anforderungen und Sicherheitsstandards wie Cannabis.

Zuschlag an die Bieter könnte sich verzögern

Aber noch zieht sich das Verfahren. Der Zuschlag an die Bieter soll eigentlich im zweiten Quartal dieses Jahres erfolgen – aber Wieland Schinnenburg, drogenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, hat da seine Zweifel. „Ich würde mich nicht wundern, wenn die Frist nicht gehalten wird“, sagt der Abgeordnete. 2018 habe es bereits eine Ausschreibung gegeben, die aber aus formalen Gründen vom Oberlandesgericht Düsseldorf gestoppt worden sei. Aber klar ist: Das Thema hat die Politik erreicht.

Anfang April trifft sich in Berlin die Cannabis-als-Medizin-Branche zu ihrer europaweit größten Konferenz. Über sechzig ExpertInnen aus Wirtschaft, Medizin und Politik werden auf der International Cannabis Business Conference diskutieren. Die Marschrichtung ist klar: Gelingt Deutschland mit seiner bisher strikten Drogenpolitik der Schritt zum Produktionsland, kann Europa dem Anbauriesen Kanada ernstlich Konkurrenz machen.

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11 Kommentare

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  • In den Regionen der USA, in den Cannabis frei gegeben wurde, steigt die Inzidenz von Psychosen im Anschluss dramatisch. Auch wenn das für die Befürworter kein Problem ist, so doch für die Betroffenen. Und hier geht es um Inzidenzen von 10% und mehr - jeder Impfgegner oder Schadstoff-Sucher macht sich schon bei 0,001 % ins Höschen ...

    • @TazTiz:

      Solche Behauptungen sollten auch belegt werden !

        • @TazTiz:

          Guten Tag, bitte lesen sie sich die zitierte Studie aufmerksam durch, bevor sie derartige Kommentare in den Äther absondern. Die von Ihnen erwähnten "Regionen der USA" wurden in jener Studie nicht untersucht. Meine Kritik am Versuchsdesign und der statistischen Auswertung der besagten Studie erspare ich Ihnen und mir an dieser Stelle, da diese den Rahmen eines Kommentares sprengen würde. Bevor ich allerdings verbale Handkanten aufgrund Nichtlieferung erhalte, möchte ich auf Diagramm 1 der zitierten Studie verweisen (www.thelancet.com/...8-3/fulltext#tbl2). Verglichen mit Nichtkonsumenten sind die Chancen eine Psychose auszubilden demnach geringer, wenn man einmal die Woche, oder auch seltener, Cannabis konsumiert.



          Letztendlich möchte ich Sie dazu ermuntern jeden journalistischen Beitrag kritisch zu hinterfragen und im Idealfall sogar die angeführten Quellen. Was Sie geliefert haben ist ein Verweis und kein Beleg. Journalisten sind (m. E.) selten bewandert auf dem behandelten Themengebiet und geben nur wieder was man ihnen erzählt, bzw. was sie lesen.

          Als reiner Leser trifft Sie natürlich keine Schuld für etwaige Fehlinformationen. Sobald Sie allerdings anfangen Diese zu propagieren sind Sie mitverantwortlich für jeden Schaden der dadurch entsteht.

          Natürlich beherrschen im Endeffekt eher Lobbyinteressen das Handeln unserer politischen Vertreter, als das Bestreben vernünftige Politik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu betreiben. Daher lassen Sie sich bitte nicht auch noch instrumentalisieren und bedienen sich Ihres Verstandes.

          Vielen Dank und beste Grüße

          • @Michael Beckert:

            Tja ... einen THC-Gehalt

          • @Michael Beckert:

            Die Hanflobby ist auch eine Lobby. Sogar eine sehr aktive.

  • Warum hierzulande Cannabis so verteufelt wird, ist mit sachlichen Argumenten nicht erklärbar. Insbesondere wenn man zudem noch einen Abgleich mit den Alkohol-Zahlen vornimmt. Daraus lässt sich leicht ablesen, dass Alkohol in den ganz überwiegenden Fällen die deutlich gefährlichere Droge ist.



    Würde man somit Cannabis hierzulande endlich (zumindest) komplett dem Alkohol gleichstellen, und zudem über die unterschiedlichen Cannabis-Sorten mit ihren unterschiedlichen therapeutischen Möglichkeiten gut informieren, und den privaten Anbau gestatten, so wäre die Entkriminalisierung gelungen, die Krankenkassen (von den völlig überzogenen Preisen) entlastet, und den Patienten geholfen.

    Das ist doch jetzt wirklich nicht so schwer!

    • @tazeline:

      Alkohol ist deutlich harmloser, wenn die Häufigkeit des Konsums mit den schädlichen Folgen ins Verhältnis setzt. Da kommt THC viel schlechter bei weg.

      Man darf ein bisher seltenes Ereignis nicht verharmlosen, nur weil es selten ist.

    • @tazeline:

      Das ist eine gute Frage. Aber vielleicht



      ist die Antwort:: stellen sie sich vor wie viel Geld da der Pharma industrie, der Medizintechnik und den Ärzten verloren geht.



      Die arbeitet ja jetzt wieder verstärkt gegen en Homöopathie und Naturheilkunde, die es wesentlich länger gibt Alchemie sei 1000 Jahren.



      Die haben geheilt. Wieviele neue Krankheiten sind durch die Pharmaindustrie wie viel Geld fließt in die Kassen der Pharmakonzerne?



      durch Nebenwirkung die durch die Mittel entstehen? Was kostet das die



      Kassen! Homöopathie zahle ich da gerne. Bin jetzt 68, habe immer Bio gelebt und habe nie was anderes gebraucht. Dank Homöopathie!!

      • @Sofia Dütsch:

        Homöopathie ist ja nicht gleich Naturheilkunde. Homöopathie ist und bleibt absoluter Blödsinn. Da kannst du dich noch so dagegen sträuben. Wo eine Potenz das Gegenteil des Wortbegriffes darstellt, hat man einen Anhaltspunkt.



        Cannabis wird bei uns so verteufelt, weil wir in einer intoleranten, den Rausch aus christlich-abrahamistischer Lehre heraus verteufelnden Gesellschaft leben. Die Pharmaindustrie ist ein Teil davon, nicht der Motor.

        • @Hampelstielz:

          Homöopathie heilt nicht, sie gibt dem Abwehrsystem nur den Anstoss zu Heilung. Ptenz ist da kein Mengenbegriff.



          Ignoranten könnendamit nichts anfangen, das ist zu verstehen.



          Aber bitte seien sie doch so tolerant und akzeptieren andere Lebensprojekte und Ziele. Der Körper



          ist doch Privateigentum.



          Homöopathie und Naturheilkunde wird größtenteils privat bezahlt, nur



          Beamte bekommen sie über die Kasse finanziert. Sie ist wesentlich günstiger



          im Preis, ohne Nebenwirkungen. Die Kasse wird dadurch entlastet. Das sollte die Pharmaindustrie doch freuen. Und einige Menschen bleiben gesund.