Bologna gegen Spaghetti Bolognese: Kulturkampf um die Soße
Bologna hat ein Problem, und es ist kulinarischer Art. Der Bürgermeister höchstpersönlich zieht in den Kampf gegen ein Nudelgericht.
Bologna ist bei Auswärtigen vor allem für zwei Dinge bekannt: für die 1999 begonnene berüchtigte Harmonisierung des europäischen Hochschulsystems – und natürlich für Spaghetti Bolognese. Doch während vor allem die örtliche Universität dafür verantwortlich zeichnet, dass die norditalienische Stadt zum Synonym für die heftig diskutierten Bachelor- und Master-Studiengänge wurde, ist die Konnotation mit dem beliebten Nudelgericht schlicht und einfach falsch.
Insbesondere Bürgermeister Virginio Merola hat es offenbar satt, dass Scharen von Touristen in den Restaurants seiner Stadt ein Gericht bestellen, das in seiner geläufigen Form mit Bologna wenig zu tun hat. Am 25. Februar rief er die Menschen auf Twitter dazu auf, ihm Fotos von Spaghetti Bolognese zu schicken. Die Aufmerksamkeit, die Merola seitdem erhält, nutzt er für einen medialen Feldzug im Namen der kulturellen Identität der Bolognesi, wie sich die Einwohner der Stadt selbst nennen. Sein Ziel: die Welt über die Wahrheit in Sachen Bolognese aufzuklären.
An dem, was wir hierzulande Spaghetti Bolognese nennen, ist in den Augen der Bolognesi gleich zweierlei problematisch: erstens die Spaghetti, und zweitens die Bolognese. Denn einerseits ist das, was man in Bologna Ragù alla Bolognese nennt, nicht einfach eine Tomaten-Hackfleisch-Soße, sondern muss unter anderem auch Möhren, Sellerie, Sahne und Weißwein enthalten, und andererseits, gewissermaßen als Beilage, sind Spaghetti in der Region um Bologna kaum verbreitet – Tagliatelle sind dort wesentlich beliebter.
Was dagegen Touristen auf ihrem Teller erwarten, wenn sie Bolognese bestellen, muss in den Augen von Virginio Merola eine mittelschwere Beleidigung darstellen. Dass sie das Gericht dabei zu allem Überfluss gerne „Spag Bol“ nennen, verkommt da zur Nebensache. Eine Lösung für das Problem der Bolognesi könnte jetzt sein, Ragù alla Bolognese als geographische Angabe zu schützen – wie das etwa mit Schwäbischen Maultaschen oder Thüringer Rostbratwürsten längst geschehen ist. Dann dürften Spaghetti mit simpler Tomaten-Hackfleisch-Soße einfach nur noch Spaghetti mit Tomaten-Hackfleisch-Soße genannt werden. Der Bürgermeister jedenfalls verfolgt sein großes Ziel: dass der Name Bolognese endlich wieder für die örtliche Soße steht.
Scheinbar haben italienische Bürgermeister im Allgemeinen den gewöhnlichen Touristen als würdigen Gegner für sich entdeckt. Kürzlich beschloss das Stadtoberhaupt von Venedig, Luigi Brugnaro, Tagesbesucher künftig Eintritt zur Stadt bezahlen zu lassen. Virginio Merola ist indes wichtig, zu betonen, dass nicht alles schlecht ist: Selbstverständlich freue man sich in Bologna über die Aufmerksamkeit, die man durch das Nudelgericht erhalte. Schöner wäre es aber doch, für Tortellini und Mortadella bekannt zu sein. Die kommen schließlich tatsächlich aus Bologna, und zwar in der Form, die man auch anderswo kennt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trump und Krypto
Brandgefährliche Bitcoin-Versprechen