Sinti und Roma sollen geschützt werden: Bundestag mit „Verantwortung“
Der Bundestag beschließt, den Antiziganismus endlich bekämpfen zu wollen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begrüßt das.
Vor dem Hintergrund des lange Zeit ignorierten Völkermords der systematischen Entrechtung, Erniedrigung, Deportation und Ermordung von hunderttausenden Sinti und Roma während der NS-Zeit trage Deutschland „eine besondere Verantwortung im Kampf gegen den Antiziganismus“, heißt es in dem vom Bundestag beschlossenen Antrag.
Der Bundestag möchte das kulturelle Leben von Sinti und Roma fördern und antiziganistische Einstellungen in allen Teilen der Gesellschaft bekämpfen. Darüber hinaus sollen Initiativen und Projekte gegen Antiziganismus unterstützt werden und Grabstätten als Denkmäler und Lernorte erhalten bleiben. „Der Minderheitenschutz gehört zur DNA einer Demokratie“, betonte der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Müller in seiner Rede.
Eine Expertenkommission soll bis 2021 eine Bestandsaufnahme zum Hass gegen Sinti und Roma, dessen ideologischen Wurzeln und Verbreitung erarbeiten. Das Gremium, welches in Absprache mit dem Zentralrat erarbeitet wurde, soll vom Bundesinnenministerium eingesetzt werden.
Erst 1982 erklärte die Bundesregierung den Porajmos, wie die Vernichtung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus auf Romani genannt wird, zum Völkermord. In dem jetzt beschlossenen Antrag werden Sinti und Roma als „hier verwurzelt“ und „zu den vier alteingesessenen Minderheiten in Deutschland“ zählend anerkannt. „Vorurteile und Ressentiments“ seien nicht nur „Phänomen extremistischer Randgruppen, sondern reichen in die Mitte der Gesellschaft hinein“.
AfD-Bundestagsabgeordneter hetzt
Die SPD-Abgeordnete Eva Högl erinnerte in ihrem Redebeitrag an die diskriminierenden Ermittlungspraktiken der Polizei gegen Sinti und Roma, die im Zuge des NSU-Untersuchungsausschuss aktenkundig wurden. Damals wurde öffentlich, dass Polizeibeamte auf Basis antiziganistischer Ressentiments gegen Sinti und Roma ermittelten. Filiz Polat (Grüne) wies auf die „Bindekraft“ hin, die der Antiziganismus heute bei Rechten in Europa habe.
Ein gemeinsamer Antrag aller demokratischen Fraktionen scheiterte im Vorfeld. FDP, Grüne und Linkspartei forderten eine klare Verpflichtung, „jeder Form des Hasses gegen Sinti und Roma und den Antiziganismus“ entgegenzutreten. Diese Formulierung fehlt jedoch im Antrag der schwarz-roten Koalition, der am Freitag gegen die Stimmen der AfD beschlossen wurde. FDP, Grüne und Linkspartei enthielten sich.
Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Zahl antiziganistischer Straftaten 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 54 Prozent gestiegen sind. Wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei hervorgeht, reichen die Delikte von Volksverhetzung und Beleidigung bis hin zu gefährlicher Körperverletzung und werden überwiegend dem Phänomenbereich „rechts“ zugeordnet.
Für Empörung sorgte der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier, der meinte, Roma und Sinti rassistisch als „Zigeuner“ titulieren zu müssen. Andere Bezeichnungen seien „Kunstbegriffe“, behauptete er. Außerdem vermutete er hinter dem Einsatz gegen antiziganistische Hetze im Internet Zensurbestrebungen.
Die Grüne Polat zeigte sich empört über Frohnmaiers Wortwahl gegenüber Menschen, die „mit einem Z gekennzeichnet“ und im Nationalsozialismus verfolgt und vernichtet wurden. Die Grünen-Fraktion forderte das Bundestagspräsidium auf, die Rede als „unangemessen und dem Haus nicht würdig“ zu rügen. Dies wird nun geprüft und gegebenenfalls im Ältestenrat des Bundestages behandelt. Romani Rose kritisierte Frohmaiers Rede gegenüber der taz als „billige Rhetorik“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!