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Zukunft der Hamburger Morgenpost ungewissGefangen im Konvolut

Droht eine Tarifflucht und eine Entlassungswelle? Morgenpost-MitarbeiterInnen sind nach den Verkaufsankündigung des DuMont-Verlags in Sorge.

Stehen vor einer ungewissen Zukunft: die Hamburger Morgenpost und Ihre MitarbeiterInnen. Foto: imago/Photomax

Hamburg taz| Zerschlagung, Abwicklung, Besitzerwechsel, Entlassungswelle? Nachdem vergangene Woche offiziell wurde, dass das Kölner Verlagshaus DuMont plant, sich von seinen Tageszeitungen, darunter auch der Hamburger Morgenpost zu trennen, blühen im Verlagssitz in der Barnerstraße die Spekulationen um die Zukunft des Boulevardblatts.

Auch weil sich die DuMont-Verlagsspitze weiter mehr als bedeckt hält. „Es muss kurzfristig Klarheit über den Kurs von DuMont geben. Die Mediengruppe darf nicht monatelang gelähmt werden“, heißt es in einer Erklärung der DuMont-Betriebsräte, die der taz vorliegt.

Branchenkenner halten die Mopo als Einzeltitel für unverkäuflich. Allein im vergangenen Jahr verlor sie rekordverdächtige 18 Prozent ihrer Auflage. Nur noch rund 40.000 Stück setzte sie via Abo und Einzelverkauf ab – damit schreibt die Mopo, anders als noch in den ersten Jahren nach ihrer Übernahme durch DuMont 2009, rote Zahlen. Doch der Kölner Medienkonzern plant sowieso seine Tageszeitungen, zu denen der Berliner Kurier und der Kölner Express gehören, im Paket zu verkaufen.

Mit dem Versand des Pro­spektes an diverse Verlage hat der Verkaufsprozess bereits vor ein paar Wochen begonnen. Bis spätestens Herbst dieses Jahres soll ein Käufer gefunden werden. Um einen Verkauf attraktiv zu machen, befürchtet nicht nur der Betriebsrat, könnte es zu einer Zusammenlegung der DuMont-Titel nach dem Vorbild der Fusion von Berliner Zeitung und Berliner Kurier kommen, die DuMont 2016 durchzog.

Damals wurde eine neue Firma für den Weiterbetrieb beider Blätter gegründet. Die Ursprungsverlage wurden abgewickelt, ein Teil der MitarbeiterInnen zu wesentlich schlechteren Bedingungen in die neue „Berliner Newsroom GmbH“ übernommen. Sie verloren ihre Tarifverträge, ihre Betriebszugehörigkeit und andere Privilegien. Unter den DuMont-Tageszeitungen ist die Mopo eine der letzten Redaktionen mit einem an den Flächentarif gebundenen Haustarifvertrag.

Trotzdem dürfte es wenig potentielle Käufer geben: Die Funke-Mediengruppe kann aus kartellrechtlichen Gründen nicht einsteigen, das Hannoversche Verlagshaus Madsack, mit dem DuMont auf vielen Geschäftsfeldern kooperiert, wird immer wieder als möglicher Käufer genannt, hält sich bislang aber mehr als bedeckt. Auch ausländische Investoren kämen in Frage.

Gleichzeitig forciert DuMont in der Mopo unter dem neuen Vize-Chefredakteur Alexander Krug die Online-First-Strategie, mit der die Reichweite im Netz – die weit hinter den Erwartungen zurückbleibt – gesteigert werden soll. Dem Vernehmen nach geht es dabei mehr um Quantität als um Qualität: Möglichst viele Inhalte sollen fürs Netz möglichst schnell produziert werden. Der „mundgeblasene“ Journalismus, wie Krug eigenrecherchierte Stücke etwas despektierlich nennt, könnte dabei auf der Strecke bleiben.

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1 Kommentar

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  • Die Morgenpost fällt und steht mit ihrer Hamburg-Berichterstattung.

    Leider hat die Redaktion einen Schanzeneinschlag: Zu wenig berichten die Redakteure von den Normalos, die am Ende die Zeitung kaufen. Ein Stadtteil wie Nettlenburg oder Steilshoop taucht erst im Polizei-Teil der Zeitung auf. Es gibt zwar erfahrene Redakteure, aber auch einen Stamm von Langweilern, die zwar schreiben, aber durch ihre Brille, die an eine Mischung aus Grün und Ottensen erinnert.



    Ich halte es für gut möglich, dass die Mopo das zeitliche segnet. Es wäre schade für Hamburg, aber wahrscheinlich hat die Zeitung über die HSV- und St-Pauli-Berichterstattung nur solange überlebt.



    Dabei spricht sogar heute noch einiges für diese Zeitung. Journalistische Standards werde hier oft eingehalten und es gibt wenig Verletzungen von Presse- und Persönlichkeitsrecht. Auch Agitation und Propaganda halten sich stark in Grenzen. Diese Zeitung verdummt ihre Leser auch nicht, leider langweilt sie aber ihre Leser schnell.



    Ohne interessante Geschichten lässt sich das schwer verdeutlichen, dass die Mopo viele gute Seiten hat - viele Leser wissen das m.M. gar nicht, weil das bei dieser Berichterstattung selten deutlich wird. Für den Verlag sieht es schnell so aus, als wenn ein teures Produkt mit abnehmender Akzeptanz schnell aus dem Regal muss. Und das würde bedeuten: Nur noch eine Online-Version ohne echten Journalimus mit Content-Managern und dpa, vielleicht einem HSV und einem Pauli-Journalist.