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Debatte Jahrhundertplan NahostEiszeit in Ramallah

Kommentar von Susanne Knaul

Palästinenserpräsident Abbas lehnt die USA als Vermittler im Friedensprozess ab. Er verpasst seine letzte Chance, Geschichte zu machen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist seit 14 Jahren an der Macht Foto: reuters

P alästinenserpräsident Mahmud Abbas läutet das 14. Jahr seiner Amtszeit ein. Die ist genau ein Jahrzehnt länger, als es seine Wähler geplant hatten. Zwei Drittel der Menschen im Westjordanland und im Gazastreifen wünschen sich heute seinen Rücktritt. Aktuelle Umfragen des Palästinensischen Zentrums für Politik und Umfrageforschung (PSR) ergeben für den islamistischen Chef des Hamas-Politbüros Ismail Hanijeh einen klaren Popularitätsvorsprung. Dass es aber zu Wahlen in Palästina nicht kommen wird, dafür sorgt der alte Mann, der in der Mukataa sitzt, gleich neben dem Grab seines Vorgängers Jassir Arafat, mit eiserner Hand.

Fragt man Palästinenser nach den Errungenschaften der letzten 14 Jahre, bekommt man bestenfalls einen Hinweis auf außenpolitische Erfolge. Abbas habe der Welt gezeigt, dass Israel keinen Frieden will, die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) ist beobachtender Nichtmitgliedsstaat bei den UN, und schließlich gab es noch die New Yorker Resolution, die den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland anprangert.

Tatsächlich aber schwindet das internationale Interesse für die Palästinenser, während umgekehrt eine offene Annäherung arabischer Staaten an den zionistischen Erzfeind stattfindet, ohne zunächst auf einer Lösung des Palästinenserproblems zu beharren. Alles in allem kein sehr rosiges Resümee für einen Mann, der einst hoffte, sein Volk in die Eigenstaatlichkeit zu führen.

Fünf Jahre sind seit den letzten direkten Verhandlungen ins Land gezogen, die Konfliktparteien reden seither nicht über Lösungen, und der einzige internationale Ansatz, der Pariser Gipfel Anfang 2017, blieb auf Erklärungen beschränkt. Gleich nach Israels Parlamentswahlen soll im April der sogenannte Jahrhundertplan für einen Frieden aus der Feder von US-Präsident Donald Trumps Nahostgesandtem veröffentlicht werden.

Nichts läuft, wie vorgestellt

Das Problem ist, dass Abbas die USA als Vermittler ablehnt. Für sein Misstrauen gibt es gute Gründe, schließlich hat Trump dem internationalen Konsens zuwider Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, das diplomatische Corps aus Tel Aviv dorthin umziehen lassen und die Zuwendungen für die UNWRA, das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, gestrichen. 73 Prozent der Palästinenser stimmen Abbas in dem Punkt zu, dass er die USA als Vermittler ablehnt.

Nichts läuft so, wie es sich der Palästinenserpräsident vorgestellt haben mag. Mit Benjamin Netanjahus rechtsnationaler Regierung in Jerusalem sind Fortschritte im Friedensprozess zweifellos keine leichte Übung. Viele Palästinenser glauben, dass Israel nur Gewalt versteht. Trotzdem, so erklärt der politische Analyst Dschihad Harb in Ramallah, steht eine dritte Intifada außer Frage. „Fragst du einen Palästinenser, ob er für Gewalt ist, sagt er Ja. Fragst du ihn, ob er selbst mitmachen würde, dann verneint er.“

Aus Mangel an Alternativen sollten sich die Palästinenser anhören, was Trump ihnen vorzuschlagen hat

Abbas bleibt sich treu in der Frage der Gewaltlosigkeit. Nicht zuletzt braucht er die Israelis. Dass er überhaupt noch den Stuhl des Präsidenten wärmt, verdankt er der Sicherheitskooperation mit Israels Armee, die ihn vor einem weiteren islamistischen Sturz, diesmal im Westjordanland, schützt.

Palästinenser sollten sich Trumps Plan anhören

Die „Sulcha“ („Versöhnung“), um die sich Hamas und Fatah in den letzten elf Jahren immer wieder bemühten, scheiterte auch am Geld. Für ein Zusammengehen mit der Hamas hätte Abbas die im Gazastreifen beschäftigten gut 40.000 Hamas-nahen Beamten bezahlen müssen, ausgerechnet jetzt, wo die Haushaltskasse leer ist. Schon Mitte Februar legte Israel die Zuwendungen für Familien palästinensischer Terroristen auf Eis. Umgerechnet gut 120 Millionen Euro jährlich blockiert Netanjahus Regierung. Das, so sein Argument, sei die Summe, die die Palästinensische Autonomiebehörde an die politischen Häftlinge zahlt.

Abbas reagierte bockig und verweigert aus Protest fortan die kompletten Steuerzahlungen, die Israel im Auftrag der Palästinenser kassiert und die rund das Vierfache der Summe ausmachen. Wenn es um die eigene Ehre geht, dann ist Abbas großzügig. Für den Präsidenten ist die Not seines Volkes ganz offensichtlich gut aushaltbar. Wenig verwunderlich, dass umgekehrt das Volk seine Führung nicht mehr will. Mehr als die Hälfte der vom PSR befragten Palästinenser betrachten die Autonomiebehörde als Last.

Aus Mangel an Alternativen und nur deshalb sollten die Palästinenser ungeachtet der bisher so offen einseitigen Nahostpolitik Trumps hören, was er zu sagen hat. Der Plan hält sich an die Ziele, die schon vor 25 Jahren auf dem Tisch lagen, so ließ Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und einer seiner Nahostbeauftragten, durchblicken.

Der Plan sollte nicht ad acta gelegt werden

Demnach müsste es zwei Staaten geben, beide offenbar mit der Hauptstadt Jerusalem. Es geht um die Einbeziehung der arabischen Nachbarstaaten, die insbesondere für den wirtschaftlichen Aufbau des Gazastreifens unabdingbar ist. Solarzellen für die Stromerzeugung, Entsalzungsanlagen für Frischwasser, Industrie, offene Grenzen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Mit Ägyptens Hilfe könnte die Not im Gazastreifen erheblich gelindert werden.

Trump wird beiden Seiten, auch Israel, bittere Pillen zu schlucken geben. Allein die Gründung des Staates Palästina dürfte in Jerusalem einiges Unwohlsein auslösen. Wie immer auch Israel reagiert, ist jedoch nicht Sache des Palästinenserpräsidenten. Abbas bekommt auf den letzten Metern seiner politischen Laufbahn vielleicht noch einmal eine Chance, Geschichte zu machen.

Sein Volk aus dem Stillstand und wachsender Not zu befreien liegt in seiner Verantwortung, die Lebensumstände im Gazastreifen verbessern, Menschenrechtsverletzungen ein Ende machen und das meiste herausholen, was sich aus dem Jahrhundertplan herausholen lässt, damit die Palästinenser endlich selbst ihr Schicksal bestimmen können. Aussichtlos? Aussichtslos wäre es, wenn man den Plan von vornherein ad acta legt.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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15 Kommentare

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  • ich erlaube mir, frau Knaul die lektüre von Baruch Kimmerlings *politizid* ans herz zu legen. und so einigen aus dem kommentariat auch.

    • @christine rölke-sommer:

      Hab's mir gerade bestellt, bin gespannt. Danke für den Hinweis!!!



      Eine aus dem Kommentariat…. 😂 .

  • Zwei Staaten????



    Völlig utopisch. Fatah und Hamas werden umgehend ablehnen. Vor allem für die Hamas wäre das ein Todesurteil. Der einzige realistisch Friedensplan ist, so die Hamas, die Zwangsaussiedlung aller Juden aus Israel.



    Daher darf man nicht von zwei Staaten sprechen, es ist die einzige Hoffnung, um Hamas und Fatah an den Verhandlungstisch zurückzuholen.

    So viele gescheiterte Versuche, und die USA hat es immer noch nicht kapiert.

  • "Abbas reagierte bockig und verweigert aus Protest fortan die kompletten Steuerzahlungen, die Israel im Auftrag der Palästinenser kassiert"

    wer hat eigentlich Israel mit der Besteuerung der Palästinenser beauftragt? Wer verhindert Baumaßnahmen der Palästinenser im Westjordanland, und erweitert ständig seine auf besetztem Boden liegenden Siedlungen? Wer teilt das Wasser für die Palästinensert zu? Und wer unterstützt die Israelische Regierung bei ihrem Tun?

  • Verehrte Frau Knaul. leider muss ich immer wieder darauf zurückkommen. Vielleicht können Sie erklären, warum Arafat damals kein Gegenangebot gemacht hat.



    embassies.gov.il/b...umente/Ben_Ami.pdf



    So lange die palästinensischen Eliten nicht bereit sind den jüdischen Staat anzuerkennen, wird es keinen Frieden geben.

    By the way,



    Es wird weiter viel Raum für Expertisen aus Deutschland über einen "Jüdischen Dissens" und die "Stimmen der Vernunft" aus Deutschland geben.



    As a German citizen I am embarrassed time after time to read such kind of gossip:



    www.taz.de/Debatte...enspreis/!5574860/

  • Zwischen wem soll oder will Trump eigentlich vermitteln? Zwischen Israel und ??? Wer soll denn für die Palästinenser verbindliche Erklärungen abgeben? Abbas und seine Autonomiebehörde haben keine demokratische Legitimation und halten sich nur mit Subventionen aus dem Ausland und mit Gewalt an der Macht - und auch das nur in den von ihnen beherrschten Teilgebieten; in Gaza haben die nichts zu melden. Und die Hamas will keinen Frieden, sondern Israel vernichten.

    Wenn Abbas irgendeinen Vertrag mit Israel unterschreibt, ist jedenfalls noch lange nicht gewährleistet, dass der auch umgesetzt wird.

  • Trump als Vermittler? Schlechter Scherz.

    • @Rolf B.:

      es gibt staten die in diesem konflikt parteiisch für israel sind und seine staatliche gewaltherrschaft über die besetzten gebiete und deren (ultra)zionistischen und nationalreligiösen missbrauch für aggressiven zionistischen expansionismus unterstützen .zu diesen staaten gehören die usa .sie können also garantiert nicht vermitteln.auch von staaten die den wegen der militärischen übermacht des israelischen staates sowieso aussichtslosen bewaffneten widerstand gegen israelisches unrecht unterstützen ist ganz sicher keine vermittlung zu erwarten.



      von einer solchen müssten vielmehr alle staaten ausgeschlossen werden die für die eine oder die andere seite parteiisch gewesen sind.



      verhandlungen setzen im übrigen so etwas wie gleichheit und freiheit voraus.und die gibt es zwischen israel und palästina nicht.da palästina unter israelischer besatzung kein freies land ist.



      am besten wäre es wenn mensch israel und palästina ermöglichen würde ihre streitigkeiten vor einem unabhängigen und unparteiischen supranationalen gerichtshof auszutragen.



      dessen richter*innen sollten mit qualifizierter mehrheit ernannt werden und müssen aus staaten kommen ,die an dem konflikt nicht beteiligt waren oder sind

      wenn seine westlichen verbündeten etwas für den frieden tun wollen müssen sie israel dazu zwingen jeden weiteren völkerrechtswidrigen bau von israelischen siedlungen in den besetzten gebieten zu stoppen.



      bevor dies nicht geschehen ist,dürften alle gespräche sinnlos sein und nicht die geringste chance auf erfolg haben

  • Kluger Mann! Wer sich auf die USA einlässt hat verloren. Die Laus im Pelz kriegt er nie mehr los. Siehe BRD.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Sofia Dütsch:

      Da kommt ja ganz schön was zusammen bei Ihnen. Ist Ihnen die "BRD" nicht frei genug? Sind wir noch vom "Ami" besetzt?

      Ja und der kluge Mann marschiert in Siebenmeilentsiefeln in Richtung eigene Staatlichkeit. Ein Fünftel des Haushaltes für Terrorrenten. Respekt.

      Und wenn es nichts wird, zaubert man die nächste "Intifada" aus der Tasche.

      Ich glaube es besteht gar kein Interesse an einem eigenen Staat. Einfacher ist es, sich von der Welt alimentieren zu lassen, sich schöne Villen zu bauen und gegenüber der Welt erfolgreich das ewige Opfer zu spielen.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Top. Nichts mehr hinzuzufügen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Das mit der 'Terrorrente' habe ich nicht verstanden.

        Davon ab: das Einrichten in der Opferrolle ist in der Tat etwas, das Menschen vom Erwachsenwerden abhält. Einzelpersonen, Gruppen, Völker. Beim vorliegenden Beispiel sehe auch ich dies als Hauptgefahr beim Finden einer friedlichen Lösung.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Was gibts dann da nicht zu verstehen? Ist wohl eher ein FAll von "nicht wahnehmen wollen". Familienangehörige von Palästinensischen Terroristen bekommen eine Rente. Fertig.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Die palästinensischen Behörden zahlen jedem "Märtyrer", der "Widerstand" gegen die "Besatzer" leistet und infolge dessen im Gefängnis landet oder stirbt, eine Art Rente. Oder seinen Hinterbliebenen.

          Tötet er, wie im Artikel beschrieben, eine 13-Jährige mit einem Messer im Schlaf und wird danach erschossen, erhält seine Familie 350 Dollar pro Monat.

          Je mehr tote Juden, egal wer und wie, je länger die Hafstrafe, desto mehr gibt es. Es sind hunderte Millionen Dollar pro Jahr.

          Proudly presented by EU.

          • @88181 (Profil gelöscht):

            ohne zweifel.



            es fehlt nur noch ein Dr Evil: "MWUAHAHAHAHA!"