Angriffe auf linke Projekte: Feine Sahne Freizeitzentrum
Linke Infrastruktur wird zunehmend zum Ziel rechter Attacken. Kein Wunder: Dort werden Möglichkeiten für ein freieres Leben erprobt.
Jede Stadt sollte mindestens eins haben: Ein autonomes Kulturzentrum. Vielleicht ist es ein selbstverwaltetes Jugendzentrum, ein ehemaliges oder seit Jahrzehnten besetztes Haus. Hauptsache die Sofas sind durchgesessen und die Wände bemalt. Man trifft sich dort zu Antifa- und Antira- und Fantifa-Cafés. Es gibt Beratungsgruppen für Stress mit dem Amt (egal welches), FLTI Events, 'nen Kicker und billig Bier, weil Recht auf Rausch. Sie beherbergen den örtlichen Infoladen und ’ne Fahrradwerkstatt.
Einmal die Woche gibt’s Essen bei VoKü oder Küfa, das kaum was kostet und auch genau so schmeckt. Wann drinnen geraucht wird und wann nicht, wird regelmäßig neu verhandelt. Hier ist ständig Plenum, aber dafür niemand der Chef. Und am Wochenende ist Konzert. Mit Schülerbands, die sich gerade drei Akkorde draufgeschafft haben und Szene-Urgesteinen, die den Punk unter die Leute bringen, like it’s 1982. Man spielt für Spritkohle und „Reis mit Scheiß“ und limitierte Freigetränke. Diese Läden riechen in Hamburg, Gießen, Leipzig und Aachen gleich. Und ja: ob du dort freundlich aufgenommen wirst oder nicht, hängt davon ab, ob auch du diesen bestimmten Stallgeruch hast. Soll man denen das vorwerfen? Braucht man nicht. Die diskutieren das selber ständig.
Im Dezember gab es im Rhein-Main-Gebiet eine Serie von Brandanschlägen auf linke Veranstaltungsorte und Wohnprojekte. Rechte zünden Unterkünfte von Geflüchteten – da war es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch linke Räume angreifen. Die Stimmung gegen linke Subkultur hat auch die Politik in den letzten Jahren angeheizt. Nach den G20 Protesten in Hamburg wurde die linke Szene pauschal kriminalisiert und die Schließung der Roten Flora gefordert.
Auch im Frankfurter Römer findet sich immer wieder wer, der gegen das besetzte Haus in der Au und das Autonome Kulturzentrum Exzess wettert und deren Räumung und Schließung fordert. Das linke Räume von rechts außen angegriffen werden ist nicht neu. In diesen kleinen Zellen wird Solidarität praktisch. Sie zeigen, dass es möglich ist, sich ohne Hierarchien zu organisieren, mit unterschiedlichsten Menschen etwas auf die Beine zu stellen und nicht gewinnorientiert miteinander zu arbeiten. Hier werden Lebensentwürfe gelebt, in denen Menschen aufeinander achtgeben, miteinander verhandeln und das als Privileg begreifen, auch wenn es anstrengend ist. Hier wird im Kleinen, die bessere, die gleichberechtigtere und sozialere Gesellschaft geprobt.
Von Linken lernen
Solche Projekte werden als Gefahr wahrgenommen, denn sie haben Strahlkraft. In den Städten schauen immer mehr Mieter_innen, die von Rauswurf bedroht sind, auf die in den siebziger und achtziger Jahren erkämpften Hausprojekte in ihrer Nachbarschaft. Die Vorbildfunktion und die Erfahrung dieser lange gewachsenen Strukturen ist einer der Motoren, der neuen Mieter_innen-Bewegung. Menschen schließen sich zusammen und treten den Hauseigentümern mit gewachsenen Ideen von Selbstverwaltung und Genossenschaftsstrukturen entgegen. Aus Nachbar_innen werden so Hausgemeinschaften.
Für manche sind sie eine abstrakte, für viele bereits eine reale Bedrohung. Sie sind Nachbarn, Familienmitglieder, Politiker*innen: Leute, die sich menschenfeindlich äußern, oder die schon über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild verfügen.
Soll man mit Rechten reden, muss man es überhaupt? Wie wehrt man sich, mit welchen Mitteln? Wie kann man der Gruppe ausweichen, wie sich dem Menschen annähern? Und wie schützt man sich, wenn die rechte Bedrohung allgegenwärtig ist?
In dieser Serie gehen wir auf die Suche nach Menschen, die über diese Fragen nachdenken, oder sie schon ganz konkret für sich beantworten mussten.
Bisherige Texte der Reihe:
Warum wollen Lokalpolitiker diese Projekte gern aus dem Stadtbild entfernen? Das liegt nicht nur daran, dass die beschmierten Fassaden ihnen nicht gefallen, wie sie so gern betonen, oder die Gebäude irgendwelchen Nutzungs- und Bebauungsplänen im Wege stehen. Es geht nicht darum, dass diese Häuser da stehen, sondern wofür sie stehen. In einer Gesellschaft, in der sich jeder selbst der Nächste ist, kratzen diese utopischen Orte am Status quo. Es geht um die systemgefährdende Frage: Was, wenn das jeder machen würde?
Der Brandstifter in Hessen hatte es auf diese kleinen Inseln im Kapitalismus abgesehen. Er wollte Räume angreifen, die für ein gemeinschaftliches Zusammenleben und ein solidarisches Miteinander stehen. Orte an denen Menschen politische und persönliche Differenzen miteinander aushandeln und gemeinsam versuchen sich gegen Hass und Ausgrenzung zu positionieren. Orte an deren Eingangstür schon steht, dass für Rassismus und Sexismus kein Platz ist, und wo Menschen auch noch Spaß haben. Konzerte, Partys, gemeinsames Essen und gemeinsame Alltagsbewältigung. Der klare Gegenbeweis zur Behauptung einer spaßbefreiten Political Correctness Kultur, wie sie „den Linken“ gerne unterstellt wird. Menschen, die in Wohnprojekten leben, geht es besser. Sie zahlen niedrigere Mieten und sie sterben nicht einsam und vergessen in ihren Einzimmerwohnungen. Hier haben sich Menschen bewusst gegen Konkurrenz und Vereinzelung, gegen Karriereleiter, Hetero-Kleinfamilie und Reihenhäuschen entschieden. Diese Leute lockt man nicht mit einem neuen Auto. Man kann vor ihnen auch nicht mit einem richtig guten Job angeben. Sie sind also nicht zu fassen. Gegen sie kann man das Spiel des Lebens nicht gewinnen.
Wenn Rechte diese Orte angreifen, ob auf kommunalpolitischer Ebene oder mit Gewalt, dann richten sie sich nicht nur gegen die politischen Positionen, die dort vertreten werden. Es geht nicht nur um die antifaschistischen Haltungen und Statements, die von dort nach außen getragen werden. Es sind vor allem die alternativen Lebensentwürfe, die Rechten wie Konservativen ein Dorn im Auge sind. Dass gerade jetzt in einigen Städten die Schließung oder Räumung autonomer Zentren und besetzter Häuser wieder laut gefordert wird, ist kein Zufall: Wie weit diese Gesellschaft nach Rechts abdriftet, ist auch daran zu erkennen, wie stark Freiräume eingeschränkt werden sollen. Akut bedroht sind gerade Orte linker Subkultur.
Und die Etablierten?
Aber dort hört es nicht auf: auch staatlich geförderte Kulturinstitutionen stehen für einen freiheitliches Weltbild und Künstler_innen und Kulturschaffende repräsentieren einen unkonventionellen Lebensstil. Man zeigt sich gerne queer, divers und international. Das könnte besonders an den Stadt- und Staatstheatern noch viel konsequenter gelebt werden. Aber die Richtung stimmt schon mal. Kein Wunder also, dass von Seiten der AfD gegen Kultureinrichtungen geschossen wird. Als Präsident des Deutschen Bühnenvereins erklärte Ulrich Khuon, wie Theater angegriffen werden: Die AfD versucht auf kulturpolitischer Ebene den Häusern Förderung zu entziehen, wenn sie nicht eine rein nationalistische Kultur abbilden oder versucht auf dem Rechtsweg gegen unliebsame Kulturproduktionen vorzugehen. Außerdem passiert es immer öfter, dass rechtsextreme Gruppen Theatervorstellungen stören. Dass durch diese Attacken die Kunstfreiheit in Gefahr ist, darauf wird immer wieder hingewiesen. Doch nicht nur die Freiheit der Kunstproduktion, sondern auch die Art und Weise wie Künstler_innen leben und arbeiten wird dadurch angegriffen.
Künstler_innen und die künstlerische Leitung von Theatern und anderen Kultureinrichtungen, sollten sich daher mit den bedrohten linken Veranstaltungsorten solidarisieren und sich für deren Erhalt stark machen. Dies sollte selbstverständlicher Teil ihres Engagements zum Erhalt der Kunstfreiheit und Vielfalt sein, wozu sich ein Großteil der Institutionen beispielsweise in der „Erklärung der Vielen“ bekennt. Überschneidungen beider Szenen gibt es ohnehin: Heutzutage, wo Punkrockstars Theaterregie führen und Romane schreiben.
Die Welle der Solidarität aus der Kulturszene, die die Punkband Feine Sahne Fischfilet nach ihrer Ausladung durch das Bauhaus Dessau erreichte, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man sich gemeinsam dem rechten Druck entgegenstellen kann. Aber wer das politische Engagement und den medienwirksamen Antifaschismus im Song-Format solcher Bands will, sollte sich auch zu den Strukturen bekennen, die es braucht um diese Bands hervorzubringen. Denn lange bevor „Feine Sahne“ als ZDF-tauglich galten, spielten sie für Spritkohle, „Reis mit Scheiß“ und limitierte Freigetränken in den selbstverwalteten Zentren.
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