Kolumne Flimmern und Rauschen: Wie sie den Journalismus abschaffen
Die Funke Mediengruppe streicht Stellen im dreistelligen Bereich. Wer das als Beitrag zur Qualitätssicherung verkauft, lügt wie gedruckt.
„Die Funke Mediengruppe ist auf dem Weg, das beste nationale Medienhaus in Deutschland zu werden.“ Nur damit das auch mal gesagt wird. Ich meine – da wird seit Tagen über den verdienstvollen Medienkonzern aus Essen in der Metropolregion Ruhr hergezogen, nur weil der nochmal auf den Punkt gebracht hat, was eigentlich alle großen deutschen Zeitungsverlage derzeit tun: den Journalismus mehr oder minder abschaffen, sich hinter digital schaurigem Pseudo-Zukunftsblala zu verstecken, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu rufen: „Haltet den Dieb!“
Bei Funke müssen dafür jetzt auch die eigenen Leute ran, weshalb WAZ-Redakteurin Linda Heinrichkeit in einem Video auf Funkes Website noch mal erzählen darf, wie toll das alles läuft und wie gerne sie mit den Leuten da draußen im Kontakt ist und Geschichten macht und, und und. Aber das Video entlarvt mit unerbittlicher Wahrhaftigkeit: Auch Heinrichkeit kommt nicht mehr raus, alle Szenen spielen in der neuen WAZ-Zentrale, maximal reicht es noch für einen Blick vom Dach über die Essener Innenstadt.
Im Klartext: Wer mal eben im dreistelligen Bereich Stellenstreichungen ankündigt, auch die eigene Zentralredaktion in Berlin nicht auslässt und das auch noch als wertvollen Beitrag zur Qualitätssicherung gerade des Regional- und Lokaljournalismus verkauft, lügt wie gedruckt. In den vergangenen 15 Jahren sind in einem Maße auch und gerade im Ruhrgebiet Lokalredaktionen abgebaut worden, dass es niemanden verwundern sollte, dass die LeserInnen mit dem kläglichen Überbleibsel namens Regionalzeitung nicht mehr warm werden.
Dass Funke mit dieser Strategie, der die Lust am eigenen Untergang mehr als nur ein bisschen innewohnt, nicht allein ist, stimmt auch nicht froh. Madsack macht denselben – pardon – Scheiß. Nur dass deren Zentralredaktion, anders als die von Funke, noch gleich ein paar mehr Regionalzeitungen wie den Kölner Stadtanzeiger mitversorgt. Die Liste lässt sich leider fortsetzen.
Steffen Grimberg (früher taz, NDR und ARD, jetzt MDR) bringt jeden Mittwoch Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.
Wo bleibt also das Positive: Hier! Und es spielt ebenfalls in NRW. Die dortige Landesregierung, die erst einen Funke-Gesellschafter als Medienminister haben wollte, sich dann aber doch eines Besseren belehren ließ, hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Über gemeinnützigen Journalismus. Das liegt jetzt vor und empfiehlt dringend, die Abgabeordnung zu ändern und Journalismus steuerrechtlich als gemeinnützig anzuerkennen.
Ein Pilotprojekt für gemeinnützigen Journalismus ist bekanntermaßen Kontext aus Stuttgart, die am Wochenende auch die taz verschönert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!