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Polizeigesetz in BerlinDie SPD kommt aus der Deckung

Die Berliner SPD legt einen Entwurf zur Verschärfung des Polizeigesetzes vor. Grüne und Linke werden das so nicht durchwinken.

Geht es nach der SPD, bekommt die Polizei deutlich mehr Befugnisse Foto: dpa

Berlin taz | Seit Monaten ringt die rot-rot-grüne Koalition um Reformen in der Sicherheitspolitik. Laut Koalitionsvertrag soll Berlin einen unabhängigen Polizeibeauftragten bekommen und ein fortschrittliches Versammlungsgesetz. Nichts davon ist bislang umgesetzt. Aus Sicht von Linken und Grünen blockiert die SPD die Verhandlungen, um den Koalitionspartnern die Zustimmung zur Verschärfung des Polizeigesetzes (Asog) abzutrotzen.

Nun hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf beschlossen. Ziel sei, wieder Fahrt in die Debatte zu bringen, heißt es. Grüne und Linke reagierten skeptisch.

Der Entwurf der SPD Fraktion für das sogenannte Artikelgesetz hat 150 Seiten und trägt den Titel „Starkes Gemeinwesen-Gesetz“. Das Ganze basiert auf einem Referentenentwurf der Senatsverwaltung für Inneres. Im Wesentlichen geht es darin um vier Gesetzesneuerungen, betreffend das Asog, den Polizeibeauftragten, das Abstimmungsgesetz – in dem die Volksbefragung geregelt ist – und das Versammlungsgesetz.

„Wir haben den Entwurf vorgelegt, um die Bedenken der Koalitionspartner zu zerstreuen, die SPD versuche sie über den Tisch zu ziehen“, sagt Frank Zimmermann, innenpolitischer Sprecher der SPD, am Sonntag zur taz. Er meinte damit den Streit unter den Innenpolitikern. Alle Punkte seien nun schriftlich fixiert. „Wir sehen das als Signal, um Bewegung in die Debatte zu bringen,“ so Zimmermann.

SPD will Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr

Die Reaktion von Linken und Grünen war zurückhaltend. „Gut, dass mal alles auf dem Tisch liegt“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux. Seine Fraktion werde den Entwurf in den nächsten Wochen in aller Ruhe bewerten. Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken, sprach „von einer Diskussionsgrundlage, an der es nun weiterzuarbeiten gilt“. Auf Nachfrage wurden Schrader und Lux deutlicher. In der vorliegenden Form werde der Entwurf „nie verabschiedet“ werden, waren sich beide sicher. Eigentlich enthalte das Papier nichts Neues, sagte Schrader. „SPD pur“ nannte Lux den Entwurf. „Es wird darauf eine Grünen-pur-Antwort geben und eine Linke-pur-Antwort“, pro­gnos­ti­zierte er.

In dem Gesetzentwurf hat die SPD die elektronische Fußfessel für Gefährder festgeschrieben und die Einführung des finalen Rettungsschusses. Die Polizei soll dadurch bei Terroranschlägen mehr Rechtssicherheit bekommen. Grüne und Linke haben stets klargemacht, dass sie beide Punkte nicht mittragen werden. Der SPD Innenpolitiker Zimmermann sagte zur taz, er halte es dennoch für denkbar, dass die Koalitionspartner sich in manchen Punkten im Sinne der SPD bewegten.

Gut, dass mal alles auf dem Tisch liegt

Benedikt Lux, Grüne, Innenpolitik

Was der SPD besonders viel bedeutet? „Entscheidend wichtig für uns“, so Zimmermann, sei die Einführung der Telefon­überwachung zur Gefahren­abwehr. Bisher darf die Polizei nur Telefonate von Personen abhören, gegen die ein Strafverfahren eröffnet ist. Zentral wichtig sei zudem die Befugnis zum Einsatz stiller SMS und sogenannter Imsi-Catcher zur Gefahrenabwehr. Auch das geht bislang nur im Zuge einer Strafverfolgung.

Die erweiterten Befugnisse für die Polizei seien eine Lehre, die aus dem Fall des islamistischen Attentäters Anis Amri zu ziehen sei, sagt der SPD-Innenpolitiker. Ermöglicht werden müsse es deshalb auch, Gefährder – weiter wie bisher – vier Tage in Unterbindungsgewahrsam festsetzen zu können. Im Koalitionsvertrag steht, der Unterbindungsgewahrsam solle von jetzt vier Tagen auf zwei verkürzt werden. Dazu Zimmermann: Vier Tage sollten lediglich für Gefährder gelten.

Teil des Koalitionsvertrags ist auch, dass Berlin mit dem unabhängigen Polizeibeauftragten eine neutrale Beschwerdeinstanz bekommen soll. Auch deshalb, so Zimmermann, habe seine Partei den Entwurf vorlegt: um Bedenken des Koali­tions­partners zu zerstreuen, der Posten sei Verhandlungsmasse. Dem sei mitnichten so.

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4 Kommentare

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  • 9G
    99140 (Profil gelöscht)

    Es sei den Parteien und Regierungen im Land empfohlen, weitere Eingriffe in die Grundrechte der Bürger zu unterlassen.



    Terrorabwehr als Legitimation kauft euch spätestens seit den Vorkommnissen in NRW um den Hambacher Wald niemand mehr ab.



    Wer, um für die Zukunft den eigenen Machterhalt abzusichern, seinen eigenen Souverän unter verfassungsfeindlichen, den Staat bedrohenden und mindestens kriminellen Umtrieben unterstellenden Generalverdacht stellt, während Sie selbst Grundrechte schleifen und abschaffen, wird sich ganz sicher seiner Macht selbst berauben. Es dauert in diesem Land länger als in Anderen, bis sich Bürger ihrer Ohnmacht stellen und die Widerrede, die Warnungen vor Ignoranz und Arroganz sowie den Widerstand gegen die Abschaffung von Grundrechten auf eine öffentlichwirksamere Art der Auseinandersetzung stellen. Aber es gibt diese Bürger. Und Die sind bereits durch Ihnen gegenüber mit Kriegsgerät auffahrender und durch unkenntlich machende Krieger-Schutzkleidung gerüstete Polizeibeamte verärgert, die doch die Grundrechte der Bürger schützen sollen. Und nicht unreflektiert deren Abschaffung durchsetzten sollten.



    Die Zeiten werden sich ändern...ganz sicher.

  • Naja - “Wer in Berlin in der SPD ist.



    Wär in Bayern in der CSU!“

    Das ist bekanntlich bis heute.



    Das Orijinal.

    unterm—- Was ist denn bei klarem Kopf - wa^!^



    Von dieser SPezialDemokratischen Partei Schland - zu erwarten.



    Deren führende Mitglieder bis heute schon bei Nennung von



    “Der Verrat“ von Sebastian Haffner - rote Flecken im Gesicht bekommen!



    Nò. Die haben sich bis heute von - “einer muß den Bluthund machen“ - Noske.

    Keinen Millimeter distanziert. •

    “Wer hat ihm die Krone jeklaut? Träumt weiter^!^

    “Wer wird uns die Straßen einst kehrn?



    Wer wird uns die Straßen einst kehrn?



    Die Bullen, die Herrn



    Mit'm Wichstopp und Stern



    Die wern uns die Straßen einst kehrn!



    Ja-jaa



    Die Bullen, die Herrn



    Mit'm Wichstopp und Stern



    Die wern uns die Straßen einst kehrn!…“

    Nee Nee Nee - Iss nich - wa! Vajessen - wa!



    Volkers Mund - einst in Balin - kerr*!*

    www.youtube.com/watch?v=CIdu9L0shQ0

    Liederjahn - “Wem hammse de krone jeklaut“

  • Janun, feinfein – aber war es nicht so, dass im Falle Amri eine "bedauerliche Kette gravierender Einzehlfehler" und "strukturelles Versagen in der Behördenkooperation" zu verzeichnen gewesen waren? Wieso bestehen die Schlussfolgerungen der Untersuchung des Versagens dann in erweiterten Grundrechteeingriffen für die Behörden? Der logische Schluss ergibt sich mir nicht.

  • "Gefährder" ist keine hinreichend scharf definierte Kategorie und hebelt im Endeffekt wesentliche Bürgerrechts aus.

    Wer legt den Status fest, ist ein Richtervorbehalt dabei, müssen klare Beweise vorgelegt werden (Geheimdiensterkenntnisse können das nicht sein) ....

    Der Richtige Schluss aus Anis Amris Tat ist eine deutliche Einschränkung der Befugnisse der Dienste, und eine stetige unabhängige Überwachung der Taten und Aufgaben derselben.

    Wir brauchen kein schärferes Polizeigesetz. Die sinnvolle Anwendung der bestehenden Gesetze mit hinreichend Ermittlerkapazitäten und Auditierbarkeit des Handelns wäre ein deutlich sinnvollerer und größerer Fortschritt.

    Aber ok, SPD und CDU sind in dieser Sache eben repressiv gepolt.