piwik no script img

Folgen des Dammbruchs in BrasilienWeitere Schlammlawine droht

Nach dem Dammbruch eines Rückhaltebeckens in Brasilien werden immer noch 250 Menschen vermisst. Die Gegend wurde evakuiert.

Schlammmassen: Ein Wohnwagen nach dem Dammbruch Foto: dpa

Nach dem verheerenden Dammbruch an einem Bergwerk in Brasilien drohte am Sonntag eine weitere Schlammlawine. „Achtung, allgemeine Evakuierung!“, scholl es am frühen Morgen als Lautsprecherdurchsage durch die Straßen der 39.000-Einwohner-Stadt Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais. „Suchen Sie die höchsten Punkte der Stadt auf!“ In einem Rückhaltebecken der Mine waren erhöhte Wasserstände gemessen worden, teilte die Betreiberfirma Vale mit.

Bereits am Freitag war ein Damm der Eisenerzmine gebrochen. Laut Firmenangaben gingen 12 Millionen Kubikmeter Minenabfälle über Brumadinho hinweg. Sie begruben Menschen, Häuser und Tiere unter sich. Am Sonntag galten um die 250 Menschen als vermisst, 37 Tote wurden bereits bestätigt. Für die Suche nach Vermissten stellte die israelische Regierung 16 Tonnen Ausrüstung zur Verfügung, darunter U-Boote mit speziellen Sichtgeräten. Wegen des neuen Alarms wurde die Suche allerdings unterbrochen. Das macht es noch wahrscheinlicher, dass die Zahl der Opfer weiter steigt.

Die meisten Opfer der Katastrophe waren Mitarbeitende des Minenkonzerns Vale. Dessen Chef, Fábio Schvartsman, sagte am Freitag, die Schlammlawine habe unter anderem die Kantine des Bergwerks unter sich begraben, als die Arbeiter gerade beim Mittagessen saßen. „Wir gehen von einer hohen Op­ferzahl aus.“ Die Ursache des Dammbruchs sei noch nicht ermittelt worden, so Schvartsman.

Der Vale-Konzern ist der weltweit größte Exporteur von Eisenerz und mit rund 74.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 34 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 eines der wichtigsten Unternehmen des Landes. Die Regierung des Bundes­staates Minas Gerais hat nun etwa 1,3 Milliarden Dollar des Konzerns für etwaige Entschädigungszahlungen und Aufräum­arbeiten sperren lassen.

Die Dämme wurden von TÜV SÜD geprüft

Brasilianische Medien berichteten, dass bei der Lizenzvergabe zum Weiterbetrieb der Mine mehrere Umweltschutz- und Sicherheitsverfahren übersprungen worden seien. Vale-Chef Schvartsman hingegen erklärte, dass die letzte Sicherheitsüberprüfung im Januar stattgefunden habe. Der TÜV Süd hatte die Dämme im vergangenen Jahr geprüft, wie das Münchener Unternehmen auf Anfrage bestätigte. „Wir werden die Ermittlungen vollumfänglich unterstützen“, teilte TÜV Süd mit.

Das Münchener Unternehmen TÜV Süd hatte den Damm erst vor Kurzem überprüft

Das Bergbauunternehmen Vale war bereits vor drei Jahren in ein Unglück in dem Ort Mariana, ebenfalls in Minas Gerais, verwickelt. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Mehrere Ortschaften wurden von der Schlammlawine begraben und nachhaltig verunreinigt. Es handelte sich um die bis dahin größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens. 55 Millionen Kubikmeter toxischen Schlamms waren in die Umwelt gelangt. Die Mine hat ihren Betrieb seither nicht wieder aufgenommen. Bis heute warten Hunderte Familien auf Entschädigungszahlungen der Bergbaufirma.

„Diese neue Katastrophe ist die traurige Konsequenz daraus, dass die brasilianische Regierung und die Bergbauunternehmen nichts dazugelernt haben“, erklärte nun die Umweltorganisation Greenpeace auf ihrer brasilianischen Internetseite. Abgeordnete der Linkspartei PSOL und der sozialistischen PSB fordern die Wiederverstaatlichung des Konzerns, der 1995 privatisiert worden war. (mit afp, dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Der TÜV als Komlize! Die Deutschen beschweren sich immer über das Abholzen des Regenwaldes, aber hier sind sie mitschuldig! Es ist ja nicht das erste Mal, dass das passiert. Der schlimmste Dammbruch Ende 2015 hat alles Leben im Rio Doce Fluss bis heute getötet. Seine 850 km entsprichen der Strecke des Rheins in Deutschland, also eine gigantische Katastrophe! Und das weiß der TÜV-Süd seit drei Jahren, ist ihm aber anscheinend egal. Das schlimmste ist, es gibt noch 300 solcher Dämme. Wenn wir den TÜV nicht zum Handeln zwingen, passiert das bald wieder!

    • @Friedrich Helmke:

      Der TÜV Süd ist mittlerweile kein "Verein" mehr sondern eine internationale Aktiengesellschaft mit Sitz in München.

      Es gibt keinerlei Hinweise darauf, das der TÜV Süd irgendeiner moralischen Instanz folgen würde.



      Allerdings gibt es (siehe Wikipedia) einige Hinweise, dass der Konzern Interessenskonflikte und Gefälligkeitsgutachten als kein großes Problem ansieht.