Frank Magnitz' Medienstrategie geleakt: „Mediale Betroffenheit“ erzeugen
AfD-Mann Magnitz soll bewusst das Foto seines blutigen Gesichts verbreitet haben. So habe er Aufmerksamkeit auf den Überfall lenken wollen.
Der 66-Jährige war am Montag vergangener Woche auf dem Gelände des Bremer Theaters von hinten angesprungen worden und daraufhin ungebremst zu Boden gestürzt. Videoaufnahmen, die die Polizei am Freitag veröffentlichte, zeigen, wie die Täter direkt danach flüchteten. Anders als die AfD es zunächst dargestellt hatte, wurde Magnitz weder mit einem Kantholz niedergeschlagen noch am Boden liegend getreten. Statt wegen Mordversuchs ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen gefährlicher Körperverletzung.
Ein Bild, das Magnitz voller Blut und mit einer tiefen Wunde am Kopf zeigt, machte schon kurz nach der Tat, am Montagabend, die Runde. Ein Post der AfD Bremen mit dem Foto wurde bei Facebook bereits nach einer Stunde tausendfach geteilt. Die AfD sprach darin von einem „Mordanschlag“ als „Ergebnis rot-grüner Hetze“. Bundesweit und international sorgte die Tat für Empörung. Das Foto des Mannes voller Blut und die Vorstellung, er sei mit einem Kantholz halb tot geschlagen worden, zeigten Wirkung.
Magnitz hatte bereits am nächsten Tag vom Krankenbett aus mehrere Interviews gegeben und sich einen Tag später selbst aus der Klinik entlassen.
„Mediale Betroffenheit […] erzeugen“
In dem internen Schreiben, das am Sonntag an die AfD-Mitglieder verschickt wurde, erklärt Magnitz nun, dass er sich selbst noch am Abend des Angriffs im Krankenhaus entschieden hatte, das Foto von seinen Verletzungen zu verbreiten. „Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen werden unsere Pressemitteilungen zu nahezu 100 Prozent nicht veröffentlicht. Ein solches Foto anzuhängen ist jedoch ungewöhnlich und mir war klar, dass eine entsprechende Aufmerksamkeit damit erzielt werden würde.“ Weiter heißt es in dem parteiinternen Infobrief, es sei „nur so eine mediale Betroffenheit zu erzeugen“ gewesen. Er selbst habe einen Pfleger gebeten, das Foto zu machen, nachdem er aus dem MRT gekommen sei, „um sehen zu können, wie schlimm meine Stirnverletzung war“.
Auch über die anschließende mediale Wirkung informiert der AfD-Politiker: „Die Pressemitteilung und die Berichterstattung zur Tat haben den Weg um den gesamten Erdball innerhalb von 24 Stunden genommen. Ohne das angehängte Foto wäre die PM wie alle anderen unter ‚ferner liefen‘ abgehandelt worden.“
In dem Brief, der an „liebe Mitglieder und Förderer, liebe Parteifreunde“ adressiert ist, zieht Magnitz eine positive Bilanz der letzten Tage. „Eines ist sicher“, schreibt er: „Wir haben die gesamte Nation aufgerüttelt und einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, was uns sonst nie gelungen wäre!“ Und: „In Bremen selbst dürfte das Thema bei denen, die unsicher, aber uns nicht gänzlich abgeneigt sind, für Sympathien gesorgt haben.“
Gegenüber der taz bestätigte Magnitz am Dienstag diese Auswertung des Angriffs: „Das ist das Ergebnis, das vom gesamten politischen Spektrum befürchtet wird, dass die AfD etwas instrumentalisieren könnte.“ Er sei hingegen der Ansicht, dass die anderen Parteien ständig alles instrumentalisierten und die AfD ansonsten wenig Chancen habe, Gehör zu finden. In diesem Fall sei für die AfD mal „etwas gut gewesen“.
„Kantholz“ als Fehler
In dem Brief schreibt Magnitz lediglich über die Mitteilung mit dem Kantholz als Tatwerkzeug, dass er sie im Nachhinein anders formulieren würde: „Aus reiner, professioneller Vorsicht hätte man wahrscheinlich ein ‚mutmaßlich‘ vor das ‚Kantholz‘ setzen müssen.“ Die Pressemitteilung habe seine Tochter, Ann-Katrin Magnitz, mit den von ihm gemachten Angaben erstellt. „Ich hatte keinen Grund, an den Aussagen des Handwerkers, der mir den Tathergang geschildert hatte, zu zweifeln“, so Magnitz.
Gleichzeitig stellt er in dem Rundschreiben Mutmaßungen an, wer hinter dem Angriff stecken könnte – und zeigt klar in Richtung seiner politischen Gegner. Erneut bringt er die TeilnehmerInnen einer Kundgebung ins Spiel, die während der Tat in der Nähe an den Tod des Sierra Leoners Laye Condé erinnerten, der 2005 an den Folgen einer Brechmittelfolter in Polizeigewahrsam gestorben war.
„Auf dem Weg zu meinem Auto kam ich an einer Gedenkveranstaltung für den vor 12 oder 14 Jahren in Polizeigewahrsam (sog. Brechmittelaffäre) verstorbenen afrikanischen Drogendealer Conde vorbei“, schreibt Magnitz. Dabei sei er von einem der Teilnehmer erkannt worden.
Beide Initiativen weisen Vorwürfe zurück
Ebenfalls für verdächtig hält er die Recherchegruppe AfD Watch Bremen, die seit 2017 über die AfD informiert – unter anderem über Magnitz’ Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung. Wie viele linke Initiativen hat auch AfD Watch als Postadresse die Anschrift des Bremer Infoladens angegeben, der im alternativen Ostertor-Viertel ein paar Straßenecken vom Tatort entfernt liegt. Durch die Nähe sei „die Zeckendichte in diesem Bereich besonders hoch“, so Magnitz, er sei womöglich von zufällig vorbeikommenden Schlägern erkannt und verfolgt worden.
Beide von Magnitz verdächtigten Initiativen weisen die Vorwürfe zurück. Die Gedenkinitiative spricht von dem „Versuch einer gezielten Diskreditierung“ einer antirassistischen Kundgebung. Ein Sprecher von AfD Watch Bremen sagte: „Es ist der elende Versuch der AfD, ein Narrativ jenseits jeglicher Fakten aufrechterhalten zu wollen.“
Magnitz steht mit seinem Landesverband für einen besonders rechten Kurs. Er selbst gilt dem völkisch-nationalistischen „Flügel“ um den Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke nahestehend, einer Gruppe der AfD, die der Verfassungsschutz seit Dienstag zum Verdachtsfall erklärt hat.
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