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Ermittlungen wegen Cum-Ex-RechercheStaatsanwalt gegen „Correctiv“

Die Investigativ-Journalisten von „Correctiv“ haben einen riesigen Steuerbetrug aufgedeckt. Jetzt wird gegen sie ermittelt, wegen Verrats von Betriebsgeheimnissen.

Im Visier sind jetzt nicht die Steuerhinterzieher, sondern die, die den Skandal aufgedeckt haben Foto: dpa

Hamburg taz | Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat die Investigativ-Journalisten des Recherchezentrums Correctiv ins Visier genommen. Wie die Behörde am Dienstag bestätigte, ermittelt sie gegen den Chefredakteur Oliver Schröm wegen des Verdachts der Anstiftung zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Unter Schröms Leitung hatte Correctiv einen Steuerbetrug aufgedeckt, bei dem elf europäische Länder um mindestens 55 Milliarden Euro geprellt wurden. Das Vehikel dafür waren sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Hierbei buchen Banken und Fonds rund um den Dividenden-Stichtag Aktien hin und her und lassen sich so eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach vom Fiskus erstatten.

An der Recherche waren 18 weitere Medienpartner beteiligt, darunter der NDR. Die Hamburger Staatsanwälte ermitteln aufgrund eines Strafübernahmeersuchens der Staatsanwaltschaft Zürich vom 30. Mai. Die Schweizer hatten bereits im Frühjahr 2014 zwei Mitarbeiter der Sarasin-Bank verhaftet, die verdächtigt wurden, Schröm mit Informationen versorgt zu haben.

Aufgrund einer Anzeige der Bank ermittelte die Schweizer Staatsanwaltschaft dann auch gegen Schröm selbst. „Diese Ermittlung gegen unseren Chefredakteur stellt einen Angriff auf die Pressefreiheit dar“, sagt David Schraven, der Herausgeber von Correctiv. „Wir haben mit unseren Recherchen den Steuerzahlern gezeigt, dass sie bestohlen wurden, und werden dafür nun vom Staat verfolgt – das ist absurd.“

Wir haben mit unseren Recherchen den Steuerzahlern gezeigt, dass sie bestohlen wurden, und werden dafür nun vom Staat verfolgt – das ist absurd

David Schraven, Correctiv-Herausgeber

Das als gemeinnützig anerkannte Recherchezentrum veröffentlichte einen offenen Brief an Justizministerin Katarina Barley und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD). „Wir erwarten, dass die Strafverfolgungsbehörden die Täter verfolgen und das Geld zurückholen“, heißt es darin. Eine entsprechende Aufforderung hat bereits das Europaparlament verfasst.

Unter Hinweis auf die von Correctiv geleiteten Cum-Ex-Recherchen forderte das Parlament am 29. November die Regierungen auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten, verdächtige Vermögenswerte einzufrieren und Steuerschlupflöcher zu schließen.

Um den Spielraum von Investigativjournalisten geht es auch bei der anstehenden Novellierung des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Drucksache 19/4724), die heute im Rechtsausschuss des Bundestages diskutiert wird. Hier müsse der Bundestag verbindliche Schutzvorschriften für Journalisten einbauen, fordert der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). ­

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9 Kommentare

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  • Das ist jetzt das dritte Mal, dass die Machthaber versuchen, diejenigen zu kriminalisieren, die sich für das Recht einsetzen: Zuerst will Frau Klöckner härtere Strafen für Tierschützer, die Verbrechern Verbrechen nachweisen, dann wird die DUH verklagt, weil sie für die Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte für NOx vor Gericht zieht, und jetzt muss man Journalisten verfolgen, die dabei helfen - nun ja: Verbrechern Verbrechen nachzuweisen. Interessante Zeit zurzeit...

  • Wenn die Bank eine Anzeige wegen Betriebs und Geschäftsgeheimnisse machte, dann gibt sie doch offen zu, dass Ihr Geschäft auf Betrug basiert. Wozu sie dann anklagen, gleich bestrafen...

  • Der entscheidende Teil kommt am Schluss, mit dem Mittel der Gesetzesnovelle soll den Leaks und denen, die sie veröffentlichen ein Riegel vorgschoben werden. Geht das so durch, ist der Gang nach Karlsruhe sicher.....

  • Natürlich! Das Recht der Superreichen, Großkonzerne, -banken und Investmentfonds, das Gesetz zu umgehen, um ihr Geld zu vermehren, ist unantastbar. So steht's doch im Art. 1 der Verfassung!

    Wer diese Methoden bekannt macht, begeht Geheimnisverrat!

    Wer darüber berichtet hat mindestens zum Geheimnisverrat angestiftet.

    Schon lästig für's Kapital, diese Schnüffel-Journalisten!

    Aber zum Glück gibt's Gesetze gegen sowas.

    Da muss dann schon mal ein Exempel statuiert werden, sonst glauben die noch sie dürften über alles berichten!

    Outraging!

  • Die Sache ist doch so schwer nicht zu verstehen. Eine Staatsanwaltschaft ermittelt nunmal nie gegen Straftäter, die mächtiger sind als der Staat. Um sich trotzdem nicht den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt machen lassen zu müssen, konzentriert sie sich dann bis auf Weiteres auf Ersatzhandlungen ganz im Sinne der Mächtigen.



    So wird das gemacht. Da mähtste nix. Normal. Alles auf der Grundlage des Rheinischen Grundgesetzes:



    Art. 1 Et es wie et es.



    Art. 2 Et kütt wie et kütt.



    Art. 3 Et hätt noch emmer joot jejange.



    Art. 4 Wat fott es, es fott.



    und



    Art. 7 Wat wells de maache?

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Ja, das kennen wir schon zur Genüge aus den USA. Der Whistleblower ist der Täter. Nicht der eigentliche Täter ist der Täter. Assange, Snowdon und Manning wissen, wie das ist.



    Vielleicht sollte die Hamburger Staatsanwaltschaft erstmal den NDR festnehmen oder einsperren. Von dort kamen ja schon des Öfteren solche investigativen Berichte. Die Süddeutsche Zeitung hat auch so eine Neigung, Straftäter aufzudecken. Wir kommen auch ohne NDR und SZ zurecht. Wer Geschäftsgeheimnisse ehrenwerter Firmen verrät, gehört weggesperrt mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Da hab' ich doch recht, oder?

    • @91672 (Profil gelöscht):

      No! Das mit der Sicherungsverwahrung Wollnichwoll.

      Könnte - Unverhältnismäßig sein - a weng - hm*¿*

      • @Lowandorder:

        Aber trotzdem gut, dass man mal darüber geredet hat - woll.

  • Nunja.

    “…Um den Spielraum von Investigativjournalisten geht es auch bei der anstehenden Novellierung des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Drucksache 19/4724), die heute im Rechtsausschuss des Bundestages diskutiert wird. Hier müsse der Bundestag verbindliche Schutzvorschriften für Journalisten einbauen, fordert der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). ­"

    Wer's glaubt. Zahlt 'n Thaler - wa*!*



    No! Oil of Olaf I. vande OS-HH/G20 zu Balin.



    Unser aller Gröfimaz II. - wird's schon hinrichten.



    Liggers.

    Formel - “Politiker sind keine Juristen!



    Auch wenn sie über zwei Staatsexamen verfügen."



    Nö. Newahr. Normal.



    (by Berhard Schlink) •



    Njorp.