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Kurdische Kämpfer in SyrienTürkei will erneut angreifen

Um die kurdische YPG-Miliz zu vertreiben, bereitet Erdoğan den Einmarsch nach Syrien vor – in ein Gebiet, in dem die USA gegen den IS kämpfen.

Soll letztens in Buenos Aires mit Trump über Syrien geredet haben: der türkische Präsident Erdoğan Foto: ap

Istanbul taz | Türkische Truppen stehen unmittelbar vor einem erneuten Angriff auf syrisches Gebiet. Anders als bei den bisherigen Militärinterventionen sind dieses Mal die USA direkt betroffen. Um die syrisch-kurdische YPG-Miliz aus dem gesamten Grenzgebiet zur Türkei zu vertreiben, will Präsident Recep Tayyip Erdoğan jetzt auch östlich des Euphrats angreifen, in einem Gebiet, in dem auch US-Truppen stationiert sind, die dort gemeinsam mit den Kurden den IS bekämpfen.

Erdoğan ist frustriert darüber, dass die USA ihre Unterstützung der nach türkischer Auffassung kurdischen Terroristen nicht beenden. „Wir werden uns nicht länger hinhalten lassen“, sagte er am Mittwoch. „Das Ziel sind nicht die US-Soldaten, aber wenn sie sich unter die Terroristen mischen, kann man Zwischenfälle nicht ausschließen.“ Nach türkischen Medienberichten werden derzeit Truppen, Panzer und schwere Artillerie zur Grenze gebracht. Von der Türkei selbst errichtete Grenzbarrieren werden entfernt, ein Einmarsch kann jeden Tag beginnen.

Erdoğan wirft den USA seit mehr als zwei Jahren vor, in Syrien mit der kurdischen YPG-Miliz zusammenzuarbeiten, die wiederum ein direkter Ableger der kurdischen PKK sei, der Terrororganisation, die die Türkei seit mehr als 30 Jahren mit hohen Verlusten bekämpft. Erdoğan beklagt, dass die Waffen, die die USA an die YPG liefern, früher oder später auch bei der PKK landen und sich dann direkt auf türkische Soldaten richten würden.

Die USA bestreiten zwar nicht, dass die YPG und ihre politische Dachorganisation DYP Verbindungen zur PKK haben, sind aber der Auffassung, dass die YPG in Syrien unabhängig von der PKK kämpft. Tatsächlich ist die YPG die wichtigste Bodentruppe der USA im Kampf gegen den IS, das Pentagon will nicht auf sie verzichten. Erdoğan sagt nun, der Kampf gegen den IS sei erfolgreich beendet – also hätten die USA keinen Grund mehr, an der YPG festzuhalten.

Die Konsequenzen sind unabsehbar

Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums nannte die türkische Drohung, erneut in Syrien einzumarschieren „inakzeptabel“: „Koordination und Konsultation zwischen den USA und der Türkei sind der einzige Weg, um Sicherheitsprobleme in der Region anzugehen“, sagte Pentagon-Sprecher Sean Robertson. Eine türkische Offensive bedrohe die Erfolge im Kampf gegen die Dschihadisten, setzte er hinzu.

Hinter den Kulissen gibt es aber wohl auch Gespräche zwischen höherrangigen Kontakten. So war der US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey, erst vor wenigen Tagen in Ankara, und Erdoğan selbst soll kürzlich am Rande des G20-­Treffens in Buenos Aires mit Trump über Syrien geredet haben.

Kommt es tatsächlich zum bewaffneten Aufeinandertreffen von türkischen und US-Soldaten, sind die Konsequenzen unabsehbar. Schon der Truppenaufmarsch und die türkischen Drohungen haben die gerade erst wieder etwas geglätteten Beziehungen zwischen beiden Ländern erneut schwer belastet.

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6 Kommentare

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  • Die Türkei hat immer wieder in Syrien eingegriffen. Meist haben sie syrische Verbündete vorgeschickt.

    Eines passierte bisher immer: Am Ende zogen diese Kräfte wie geschlagene, geprügelte Hunde ab.

    Die Türkei ist in Syrien mehrfach gescheitert und es spricht nichts dafür, dass es dieses Mal anders laufen wird.

    Nur: Jetzt hat Erdogan seine Presse gleichgeschaltet mit der Regierung. Es gibt gar keine freie Presse mehr in der Türkei, sondern die Regierung kann jetzt besser scheiter, innenpolitisch jedenfalls. Aber außenpolitisch wird die Türkei wieder den Kürzeren ziehen, wenn das überhaupt ernst gemeint ist.

    Es kann sein, dass auch nur türk. Truppen gefilmt werden, die nach Syrien fahren und vielleicht ein paar Stunden später, an anderer Stelle wieder zurück kommen, dieses Mal aber ohne Medien.

    Vielleicht ist dies ein Medien-Gag, der aber zumindest aus der Luft mit Bombardements ernst gemeint ist. Die Opfer dieser Bombardements werden leider echt sein, genauso wie das Leid der Bevölkerung dort, ob sie Kurden, Araber, Armenier, Assyrer oder Jesiden sind. Sie werden bitter für diese Show bezahlen.

    Sollte die türkische Armee wirklich die YPG direkt angreifen, müssen sie mit hohen Verlusten rechnen, denn die YPG hat über Jahre eine schlagfertige Organisation aufgebaut, sie kennt das Gebiet und sie ist gut ausgerüstet, gut ausgebildet worden.

    Die Offiziere bei der türkischen Armee sind meist entlassen worden oder stehen kurz davor, es gibt viel Chaos und wenig Ordnung. Das türkische Militär steht eigentlich nicht auf der Seite der AKP und Erdogan, es will nicht in Syrien einmaschieren, weil die türkischen Interessen sich dort nicht militärisch durchsetzen lassen.

  • Es wird interessant sein, was die Putin- und Assadfreunde unter der Betonkopffraktion der "Linken" zur Zusammenarbeit des "Imperialismus" (USA) mit der linken YPG sagen. Dazu kommt die Kollaboration Moskaus mit Erdogan gegen die Kurden, wie dies während der Vertreibung der Kutrden aus Afrin zu sehen war. Aber die "Betonfraktion" wird diesen Aspekt geflissentlich totschweigen, weil es ihre Ideologie auf den Kopf stellt.

    • @Rinaldo:

      Inwiefern sollte das etwas über die Rollen in Syrien auf den kopf stellen?



      In deiner Aufzählung fehlt noch die Unterstützung der Türken für die als gemäßigte bezeichneten Terroristen in idlib und Afrin.

      Die Zusammenarbeit der kurden mit den USA war schon im Irak nur bedingt erfolgreich für die kurden. In Syrien geht es vor allem um die Öl Felder, wo z.t. keine kurdische Bevölkerung lebt. Die YPG kämpft dort für die USA- die nur Luftangriffe fliegen. Ob das alles für die Menschen der Region hilfreich sein wird, wird sich zeigen. Aber die Erfahrungen im Irak sollte die kurden misstrauischer machen. Zumal ihre Position in Syrien nicht so stark ist, wie es uns präsentiert wird.

      • @Struppi:

        "In deiner Aufzählung fehlt noch die Unterstützung der Türken für die als gemäßigte bezeichneten Terroristen in idlib und Afrin."...fehlt nicht..genau lesen...Afrin ist das Paradebeispiel dafür ist, wie Putin ohne jeglcihe Skrupel die Kurden in Afrin an ie Türkei verraten hat.



        Frag doch mal die Kurden der YPG, ob die ihre Koalition mit den USA auch so relativieren, wie du es hier tust. Die Präsenz der USA hat für die YPG eine existentielle Bedeutung...und "nur Luftunterstützung" ist ja ewohl ein Witz! Aber die Betonfraktion der Linken biegt sich nun mal die Welt so zurecht wie es ihr gefällt.

        • @Rinaldo:

          Was soll der Unsinn?

          In Syrien tobt ein Stellvertreterkrieg. hier geht es um globale Interessen und Macht von globalen Mächten.



          Eventuell auch ein wenig um Öl.

          Da gibt es keine Guten und Bösen. Das ganze "Spiel" kennt keine Moral - wie immer.

          Was die Kurden angeht, so werden die USA die YPG so lange unterstützen, wie es sich für sie lohnt.

          • @Sonntagssegler:

            In Syrien tobt vor allem ein brutales Regime mit Hilfe Putins gegen die eigene Bevölkerung. Natürlich ist die Allianz YPG-USA vorübergehend, aber immer noch besser als von Putin verkauft und verraten zu werden.