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Doppel-Demo vor der UN-KlimakonferenzZehntausende für den Kohleausstieg

Am Montag beginnt die Weltklimakonferenz. Kurz vor Beginn haben in Berlin und Köln 36.000 Menschen gegen Kohle demonstriert.

„Wenn die Politik zögert beim Klimaschutz, dann müssen wir es eben selber in die Hand nehmen.“ Foto: dpa

Berlin taz | Ein bisschen Sorge hatten die VeranstalterInnen im Vorfeld schon. Nachdem 50.000 Menschen im Oktober für den Erhalt des Hambacher Forsts demonstriert und Tausende später die Gleise am Tagebau blockiert hatten, lag die Latte für eine erfolgreiche Klimaschutzmobilisierung schließlich hoch.

Würden sich auch mehrere Zehntausend mobilisieren lassen, wenn es nicht um die Rettung eines konkreten Waldes und den Stopp eines sichtbaren Tagebaus ging, sondern um den abstrakteren Klimaschutz, über den derzeit in der Kohlekommission und ab Montag auf der UN-Klimakonferenz im politischen Kattowitz verhandelt wird? Und das auch noch am ersten Adventssamstag, an dem in Berlin zudem noch mehrere linke Demonstrationen stattfanden?

Doch die Skepsis war unbegründet. Insgesamt haben am Samstag nach Angaben der OrganisatorInnen, einem Bündnis aus Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, 36.000 Menschen für Klimaschutz und Kohleausstieg demonstriert – 20.000 in Köln und 16.000 in Berlin (wo die taz auf eine ähnliche Zahl kam wie die Veranstalter).

Und nicht nur die Zahl kam in die Nähe der legendären Demo am Hambacher Forst – auch die Stimmung war von dort nach Berlin und Köln übergeschwappt. „Hambi bleibt! Hambi bleibt!“ skandierten die Menschen immer wieder. Auch der Schlachtruf der Gleis- und TagebaublockiererInnen – „Auf geht's, ab geht's, Ende Gelände!“ war zu hören.

Kein Plan

Auffällig war im Vergleich zu sonstigen Umweltdemonstrationen zudem die große Zahl junger Menschen, die sich beteiligten – motiviert wohl auch durch die Klima-Schul-Streiks, die derzeit vielerorts für Aufsehen sorgen. „Wir wollen Klimagerechtigkeit zwischen den Generationen und weltweit“, sagte der Bundesjugendsprecher des Naturschutzbundes, Lukas Menzel.

„Das geht nur, wenn wir so schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen.“ Auch weitere Jugendliche forderten auf der Bühne ein schnelleres und entschlosseneres Vorgehen gegen den Klimawandel – zur großen Freude von Demo-Veteranen wie dem BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger. „Ihr gebt uns Älteren Mut und Hoffnung“, rief er der Menge zu.

Im Mittelpunkt der Kritik stand in Berlin, dass Deutschland noch immer keinen Plan für den Kohleausstieg hat. Die Kohlekommission, die eigentlich bereits in dieser Woche ihren Abschlussbericht vorstellen sollte, hat sich auf Januar vertagt. „Dieser klimapolitische Totalausfall erntet unser aller Widerstand“, sagte Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz – und kündigte weitere Proteste an: „Ein Ergebnis dieser Kommission, das der Lösung der Klimakrise nicht gerecht wird, das werden wir nicht akzeptieren.“

Auch Antje Grothus von der rheinischen Bürgerinitiative Buirer für Buir, die selbst Mitglied der Kohlekommission ist, brachte ihre Enttäuschung über die aufgeschobene Einigung zum Ausdruck. „Da verliert man als Mitglied in dieser Kommission so langsam das Vertrauen in diesen Prozess und steht einigermaßen ratlos da, fassungslos und auch enttäuscht“, sagte sie.

„Deshalb ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, dass wir hier und heute ein deutliches Zeichen setzen. Wenn die Politik zögert und zaudert beim Klimaschutz, dann müssen wir es eben selber in die Hand nehmen.“

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5 Kommentare

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  • Und wann wenden wir uns direkt an die RWE

    • @Uwe Fischer:

      RWE-Vorstände huldigen verständlicherweise Gewinnerwartungen privatwirtschaftlicher -- großteils ausländischer -- Investoren wie BlackRock etc. [de.wikipedia.org/w..._und_Anteilseigner ]

      Warum aber erlässt die Politik den Kohle-Konzernen die sonst für Rohstoff-Abbau üblichen Abgaben ? Dazu noch Milliarden-Geschenke in Form von kostenlosen CO2-Zertifikaten ( www.klimareporter....-an-die-braunkohle )

      Wer möchte chinesischen Unternehmern gestatten, sich nationale Bodenschätze frech unter den Nagel zu reißen, wie in einer Bananen-Republik ? -- Warum lässt man die globalen Aktionäre von RWE und LEAG-Konsortium EPH/PPF satte Gewinne aus unserer Braunkohle einstreichen, während heimische Bevölkerung die Folgen tragen muss ?



      ==> Diese dreiste Ausplünderung unserer Rohstoff-Reserven ist legalisierter Raub !

      Dass der Kohle-Ausstieg kein versorgungstechnisches Problem ist, sondern gierige Gewinn-Interessen des Pudels Kern, und wie im Hintergrund eine schamlos operierende Lobby unsere politisch schwache Regierung am Nasenring führt, muss viel offensiver ins Licht der medialen Öffentlichkeit gezerrt werden, um das vorgebetete Narrativ von scheinheiliger Besorgnis um Versorgungssicherhheit, Dunkelflaute & Arbeitsplätze zu entlarven...



      lobbypedia.de/wiki/BDEW Konzern-Lobby im BDEW



      lobbypedia.de/wiki/BGR Unterwanderung der Bundesanstalt für Geowissenschaften & Rohstoffe (BGR)



      lobbypedia.de/wiki/RWE#Lokales_Lobbying unlautere Kampagnen der RWE



      www.klimareporter....echt-pro-kohle-ist Entschädigungsforderungen der Kohle-Lobby (06.10.18)



      www.dw.com/a-43625538 Studie: Politiker der Fossilen Lobby (02.05.18)



      www.dw.com/a-38689603 "Fake-News gegen Energiewende" (Prof. Claudia Kemfert, Interview 04.05.17)



      www.klimareporter....demokratie-gewinnt "Das Imperium schlägt zurück, aber Bürger durchschauen den Schwindel." (Franz Alt)

  • Hier erfährt der mensch Zahlen wie viele Mio. Tonnen, die Kohle-Verstromung an CO2-Ausstoß zu verantworten hat… wird wiederholt, siehe Link.



    www.phoenix.de/sen...ndel-a-553185.html

  • Ein Ausschnitt darüber, was sich in der Bewegung tut:



    "Häußermanns Bewegungsbericht



    29. November 2018



    Rebellion, Aufstände, Klima-Alarm

    Scheinbar aus dem Nichts entstehen in diesen Wochen neue Klimabewegungen. Sie wollen die Menschen aus ihrem Alltagstrott reißen. Jetzt kommt es darauf an, mit dem Protest nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben. Was wir um fünf vor zwölf verschlafen haben, muss uns um halb eins gelingen. ..."



    www.klimareporter....taende-klima-alarm

  • Auch wenn man sich in Köln mehr als 20.000 Teilnehmer gewünscht hätte, fand ich die Organisation und Atmosphäre mindestens genauso gut wie auf der größeren Demo im Oktober am Hambacher Forst.

    Was meiner Meinung nach noch verbessert werden kann, ist, die konkreten Folgen des Klimawandels (das zukünftige, globale Ausmaß von Dürren, Überflutungen und ggf. die Anzahl der Totesopfer usw.) zu benennen. Dies wird vermutlich nur größenordnungsmäßig möglich sein. Aber dies erscheint mir wichtig, um große Teile der Bevölkerung wachzurütteln.