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FDP-Politikerin über Rentenpaket„Wir wollen die Gesetzliche stärken“

Gyde Jensen beklagt, dass die junge Generation für das Rentenpaket aufkommen müsse. Sie fordert eine flexiblere Altersvorsorge.

Die FDP hält das Rentenpaket für nicht sinnvoll zur Bekämpfung von Altersarmut Foto: dpa
Interview von Sarah Emminghaus

taz: Sie als jüngste weibliche Bundestagsabgeordnete haben das Paket bei der Verabschiedung als „grob ungerecht“ gegenüber der jungen Generation bezeichnet. Wie meinen Sie das?

Gyde Jensen: Wir haben das mal in der Fraktion ausgerechnet und sind mit den Ankündigungen von Finanzminister Scholz auf Kosten von ungefähr 250 Milliarden Euro bis 2030 gekommen. Mehrausgaben von 80 Milliarden werden jährlich auf die Beitragszahler zukommen, ohne dass die Finanzierung nachhaltig gesichert ist. Die Babyboomer fallen bald als Beitragszahler weg, auffangen muss es daher vor allem meine Generation. Die Rente ist nicht demografiefest. Das sollte sie aber eigentlich sein.

Von Kritikern der FDP ist zu hören, die Liberalen zielten nur auf eine Privatisierung der Rente ab und lieferten keine ernstzunehmenden Lösungsvorschläge. Was halten Sie dem entgegen?

Wir möchten im Grunde ein Baukastenprinzip, aus privaten Vorsorgeelementen, gesetzlichen, aber auch aus betrieblichen, das transparent auf einem digitalen Vorsorgekonto zugänglich ist. Die Lebensläufe sind nicht mehr so wie vor 40 Jahren, als man in einem Job gearbeitet hat und dann in Rente gegangen ist.

Es gibt Zick-Zack-Lebensläufe, die mit gedacht werden müssen. Unser Vorschlag ist im Grunde, dass die Rente deutlich flexibler gehandhabt wird. Dass der Renteneintritt etwa nicht mehr an ein straffes Alter gebunden ist und die Menschen selbst entscheiden können, wann sie in Rente gehen.

Die FDP behauptet, es gebe aktuell keine wirksame Bekämpfung von Altersarmut, obwohl „zielgenaue Lösungen“ gar nicht so schwierig seien. Wie sollen denn solche Lösungen aussehen?

Ich habe keine Kinder, aber ich hab drei jüngere Schwestern. Ich denke also an nachfolgende Generationen – es geht ja hier nicht nur um mich. Wenn Sie heute mal beobachtet haben, wer im Bundestag zu dem Rentenpaket gesprochen hat: Das waren mit wenigen Ausnahmen nur ältere Männer. Das finde ich schade!

Es geht doch darum, dass der Wert der Rente auch noch für die nächste Generation gelten muss und wir Altersarmut auch für die kommenden Generationen verhindern. Mit den beschlossenen Beitragserhöhungen hat die jüngere Generation weniger zur Verfügung, um sich beispielsweise privat oder in einer betrieblichen Altersvorsorge abzusichern.

Bild: Gyde Jensen
Im Interview: Gyde Jensen

29, kam 2017 über die Landesliste der FDP Schleswig-Holstein in den Bundestag.

Ich vermisse noch die „zielgenauen Lösungen“, um gegen Altersarmut vorzugehen.

Grundsätzlich würde ich dafür plädieren, dass wir dabei bleiben zu sagen: Wer für viele Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, muss am Ende auch mehr bekommen, als jemand, der es nicht gemacht hat. Genauso verhält es sich mit der Vorsorge. Altersarmut bekämpft man nicht dadurch, indem man nur kommenden Generationen Beitragserhöhungen aufbürdet. Wir wollen, dass sich die Bedingungen verbessern, auch selber fürs Alter vorsorgen können. Dass sie sich zum Beispiel eine eigene Wohnung leisten können, dass sie im Alter nicht mehr zur Miete wohnen müssen.

Also wollen Sie die Altersvorsorge doch aus der gesetzlichen Rentenversicherung auslagern und mehr privat organisieren?

Nein, wir wollen die Gesetzliche auch stärken! Wir wollen nur zeigen, dass es Zeit ist, Norbert Blüms Sprichwort „Die Rente ist sicher“ nicht mehr nur für bare Münze zu nehmen, ohne dass etwas getan wird. Ich habe häufig in Gesprächen mit Freunden das Gefühl, dass sich viele junge Menschen nicht über ihre Rente Gedanken machen.

Um dem vorzubeugen, sollte man möglichst zeitig transparent sagen: Mit dem Betrag könnt ihr im Alter rechnen, diese Möglichkeiten habt ihr. Das Problem: Die Berechnungen der Rentenversicherungen sind für einen Laien kaum nachvollziehbar. Das hat für mich nichts mit nachhaltiger, transparenter Vorbeugung von Altersarmut zu tun.

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9 Kommentare

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  • Die Anstalt, Folge 2. Da kann man ungefähr erahnen, was die private Vorsorge bringt - nicht viel oder gar Schlimmes. Hier schimmerte FDP-Gedankengut nicht nur durch, sondern wurde offenkundig. Ob die Frau auch gesehen hat, wie das Verhältnis von Einzahlern und Empfängern in den 1970ern war? Schlechter als heute für die Zukunft erwartet.



    m.bpb.de/politik/i...afie-und-oekonomie



    So weit ich weiß, besteht für den Zweck hier auch kein Unterschied, ob da im Bundestag ein alter Mann oder eine junge Frau gesprochen hätte. Nach 4 Jahren im Bundestag wird auch sie Anspruch auf über 3000€ Pension erworben haben.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Der Witz der Woche: eine junge Frau aus der Partei der De-regulierer entdeckt urplötzlich ihren Sinn für gesetzliche Wohltaten. LoL.

    Ja, ja, wenn es ans eigene Hemd oder die eigene Bluse geht, ist Eigennutz wieder gesellschaftsfähig. Da wird der frühere Überbau gerne als Ballast abgeworfen. Aber wehe, andere machen ihre Interessen geltend.

    Eine Haltung, die ich zutiefst verachtenswert finde. Gleiche Regeln für alle!

  • Ich habe bis zu Schluss keine konkreten Vorschläge gehört außer: alles irgendwie besser machen als die Regierung. Nun aber zur Realität: Wer privat vorsorgt, bekommt es auf die Gesetzliche Rente angerechnet- macht ja Sinn, sonst würde man sie nicht entlasten. Lohnt sich also nicht wirklich! Und der Traum vom Eigenheim wird für viele Bevölkerungsgruppen immer ein Traum bleiben. Gerade bei denen, die von der Altersarmut betroffen sein werden. Da kann eine staatliche Subvention hier oder da auch nicht helfen. Diese ganze private Vorsorge abschaffen, eine einheitliche gesetzliche Rente für alle und Punkt. Wer dann noch Geld hat, kann natürlich in ein Haus, Aktien, Pferde oder was auch immer investieren. Aber @UVW hat eigentlich schon alles gesagt.

  • Ich habe bis zu Schluss keine konkreten Vorschläge gehört außer: alles irgendwie besser machen als die Regierung. Nun aber zur Realität: Wer privat vorsorgt, bekommt es auf die Gesetzliche Rente angerechnet- macht ja Sinn, sonst würde man sie nicht entlasten. Lohnt sich also nicht wirklich! Und der Traum vom Eigenheim wird für viele Bevölkerungsgruppen immer ein Traum bleiben. Gerade bei denen, die von der Altersarmut betroffen sein werden. Da kann eine staatliche Subvention hier oder da auch nicht helfen. Diese ganze private Vorsorge abschaffen, eine einheitliche gesetzliche Rente für alle und Punkt. Wer dann noch Geld hat, kann natürlich in ein Haus, Aktien, Pferde oder was auch immer investieren. Aber @UVW hat eigentlich schon alles gesagt.

  • Vor 5 Tagen erst gab es einen Artikel hier, der die Strategie solcher Figuren umfassend erläutert hat: www.taz.de/Archiv-...=gesundheitswesen/

    Phase 1: Staatliche Mechanismen schlechtreden

    Phase 2: Privatisierung möglichst vieler staatlich organisierter Bereiche vorantreiben -> Staatsquote senken, ÖPP

    Phase 3: Den Staat als Geisel nehmen, wenn es privatwirtschaftlich schlechter läuft als vorher -> Bankenrettung, ÖPP, Riester. Too big to jail.

    Egal, wie man zu Staat im Allgemeinen steht, er verwirklicht gemeinwohlorientierte Ansätze, die Millionen Menschen eine verlässliche Grundlage und Perspektive bieten sollen und auch können. Aus der Sicht von Marktideologen darf das natürlich nicht sein, denn das bedeutet a) dass sie sich daran mit ein paar Krümeln beteiligen müssen und b) dass die staatlich abgesicherten Menschen nicht in der Privatwirtschaft Sicherheit kaufen müssen, die diese, wenn es drauf ankommt, doch nicht gewährleistet, siehe Entwicklung bei den Lebensversicherungen oder Bausparverträgen oder gar Riester. Es geht dort eben doch nur darum, möglichst viel Profit aus anderen zu schlagen, Verantwortung oder zu einem Vertrag stehen, wenn es mal nicht so supi läuft, Fehlanzeige.

    Dass die Rentenkasse seit Jahrzehnten von staatlichen Akteuren zweckentfremdet und geplündert wurde, ist eine weitere Baustelle. Spätestens als Blüm verkündete "die Renten sind sicher", wäre eine gründliche Untersuchung der Zustände angebracht gewesen, denn wenn Politiker sich so äußern, kann man sicher sein, dass es gelogen ist und dass etwas Oberfaules verschleiert werden soll. Über das Umlageverfahren sagt das nichts aus, mE ein solides und tragfähiges Konzept. Für den Diebstahl an Gemeinschaftseigentum ist leider niemand in den Knast gewandert.

    Und - bei Renten muss niemand Rendite machen, genausowenig wie beim Wohnen oder im Gesundheitswesen. Das senkt dann auch die Kosten ungemein.

  • "Wir wollen, dass sich die Bedingungen verbessern, auch selber fürs Alter vorsorgen können. Dass sie sich zum Beispiel eine eigene Wohnung leisten können, dass sie im Alter nicht mehr zur Miete wohnen müssen."

    Ein Schlüsselsatz im FDP-typischen Geschwafel, der mit etwas Nachdenken auch in so jungem Alter nicht passieren müsste. Soll sie doch bitte den Millionen prekär Beschäftigten oder gar Aufstockern sagen: Kauft endlich Aktien, Zertifikate und Wohneigentum als Altersvorsorge!

    Was diese Marktradikalinskis hartnäckig übersehen: Die Rentenfinanzierung per Generationenvertrag hat mangels üppiger Nachkommenschaft zum Glück ausgedient. Die Politik wird sich also eine verlässliche Alternative ausdenken müssen, und zwar steuerfinanziert - der Traum von der wunderbaren Kapitalvermehrung durch Fonds in der globalen Zockerbude platzt irgendwann zwangsläufig.

  • Hmm, jetzt frage ich mich, ob der Betrag, der dann separat in eine private Vorsorge geteckt werden muss, nicht auch als ein Rentenbeitrag gewertet werden kann/muss? Er steht zumindest für alles andere nicht mehr zur Verfügung.

    Dann kommt noch dazu, dass in der Regel private Vorsorge langfristig laufen muss und sich die Spieregelen derweil ändern. Man nehme nur das Beispiel "Direktversicherung".

    Auch dieKosten der privaten Vorsorge sind höher als die der Rentenversicherung.

    Man könnte ja einfachauch mal in Richtung steuerfinanzierter Basisversicherung plus anderer Systeme anfangen zu denken. Die gesetzliche Rente wäre dann ein extra.

    Die lamorjante Kritik ist schlicht der Denkfaulheit geschuldet.

  • Bei "ältere Männer" bin ich ausgestiegen. Was soll das dauernde "alte Männer"-Bashing? Nebenbei: an der Spitze der Regierung sitzt eine ältere Frau.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Peer:

      Sie haben offenbar das Entscheidende übersehen:

      das Bashing von alten (weißen) Männern ist Mainstream, die Kritik an alten weißen Frauen hingegen verstößt gegen political correctness.

      Ich bin deshalb gerne politisch inkorrekt, sofern es Angemessenheit und Vernunft dient.