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Kommentar Verschärfte PolizeigesetzeIm Rausch von Law and Order

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Mit den verschärften Polizeigesetzen wollen sich die Landesregierungen gegen die AfD profilieren. Eine gefährliche Symbolpolitik.

Härter, schärfer, doller: die neuen Polizeigesetze Foto: dpa

F ast bundesweit feilen die Länder derzeit an ihren Polizeigesetzen. Und es gibt nur eine Richtung: härter, schärfer, doller. Handys sollen überwacht, Präventivgewahrsame verhängt, Videokameras ausgebaut, Handgranaten in den Polizeidienst integriert werden. Inzwischen zieht selbst die rot-rote Regierung in Brandenburg mit, das grün-schwarze Baden-Württemberg legte schon vor Monaten vor. Dabei ist längst ein Innehalten angebracht.

Die neuen Polizeigesetze stehen unter dem Eindruck der allgegenwärtigen Terrorgefahr, vor allem des Anschlags von Anis Amri in Berlin mit zwölf Toten Ende 2016. Man dürfe nicht blind sein, wenn Terroristen ihre Attentate planten, beschwören die Sicherheitsbehörden seitdem. Aber gerade der Fall Amri zeigt: Das Versagen lag hier nicht am leeren Werkzeugkasten der Ermittler. Diese hatten sehr früh Informationen über Amri, kannten seine Gefährlichkeit – und schätzten ihn am Ende schlicht falsch ein.

Die Landespolitiker hält das indes nicht davon ab, nun das ganz große Rad zu drehen. Fast wie im Rausch wird nun durchgesetzt, wovon Law-and-Order-Politiker seit Jahren träumen. Selbst Polizeigewerkschaftern geht einiges davon inzwischen zu weit: Das Ziel einer bürgernahen Polizei gerate in Gefahr, vielmehr werde Misstrauen in den Staat geschürt.

Viele der Verschärfungen dürften indes noch einen ganz anderen Fokus haben als die Terrorabwehr: einen innenpolitischen. Sie dienen den CDU-, CSU- oder SPD-Innenministern als Profilierung, auch gegen eine rechtspopulistische AfD, die alles noch härter will. Es ist Symbolpolitik auf einem mehr als heiklen Terrain.

Eines Rechtsstaats unwürdig

Denn es geht hier längst um einen Paradigmenwechsel: hin zum präventiven Polizeihandeln, längst nicht mehr nur im Falle eines Terrorverdachts. Die neuen Befugnisse wechseln immer mehr von einer Verfolgung von Straftaten hin in einen Bereich der bloßen Annahme, es könnte demnächst zu Straftaten kommen. Aus einer reinen Vermutung heraus aber Haft zu verhängen – in Bayern sogar mit unbegrenzter Höchstdauer –, ist ein rechtsstaatlicher Skandal.

Viele der neuen Gesetze sind noch dazu mehr als vage formuliert. Der Polizei bietet das am Ende ein Maximum an Handlungsspielraum – und den Bürgern ein Maximum an Unsicherheit, ab wann sie künftig ins Visier des Sicherheitsapparats geraten. Auch dies ist eines Rechtsstaats unwürdig.

Erst jetzt, nachdem einiges in Gesetzesform gegossen ist, rücken Demonstranten wieder die Bürgerrechte in den Fokus. Mit aller Berechtigung. Denn es bleibt dabei: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Auch nicht mit einem entfesselten Polizeiapparat.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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8 Kommentare

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  • Hungerrevolten sollen eben niedergeschlagen werden. Man könnte ja auch das Geld lieber in den Sozialstaat stecken, aber das mag das Kapital nicht ;-)

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Alle Beteiligten an der Legislative, der Exekutive und der Judikative haben über die Jahrzehnte vergessen, warum es sie gibt. Sie sollen uns, den BürgerInnen, eine gemeinsame und verlässliche Gemeinweseninfrastruktur geben.



    Mir kommt es so vor, als ob sich dass immer mehr umkehrt; ich als Bürger bin für den Staat da. In aller Konsequenz. Da haben wir in unserer Rolle wohl nicht aufgepasst und Bequemlichkeit mit Freiheit verwechselt. Das ist dumm - aber noch nicht zu spät. Jede(r) muss sich gegen staatliche Gängelei zur Wehr setzen - auf jeder Ebene, rechtskonform und nachhaltig.

  • Der Bezug zu Terrorismus ist so dermaßen hanebüchen - wer Menschen hier schützen will könnte dies besser mit überarbeiteten Speiseplänen in Betriebskantinen oder Temporeduzierung für Autos in den Innenstädten. Ist halt leider nicht populistisch und daher irgendwo auch wieder uninteressant.

  • Die Zukunft in Deutschland wird also sein: die einzige Sicherheitsgarantie gegenüber der Polizei werden Bestechungsgelder oder/und gute Beziehungen zu einzelnen Polizeimächtigen sein. D.h. die Korruption wird am Ende Deutschland überrollen. Was dazu dann wohl all die rechtschaffenen "Sauberfrauen" und "-männer" sagen werden, die jetzt die verschärfte Polizeigewalt bejubeln?

  • irgendwo in pikettys "kapital im 21 jahrhundert" steht eher beiläufig:



    je größer die einkommens-/ vermögensungleichheit (diese wächst und gedeiht, siehe auch cum.ex oder schuldenbericht), desto durchsetzungsmächtiger der staat (verschärfung der polizeigesetze, angriffe auf pressefreiheit ect) und desto radikaler die rechtfertigungserzählung ("jeder ist seines glückes schmied", markierung aller individuellen kämpfe gegen das system (anschläge, teilweise suizid) als folge von geisteskrankheit, sowie rassistische überlegenheitsideen zählen hier hinein)

  • Ah, so geht das: Aus Demokratie mach Demokratur. Dann kommt die Verunsicherung gleich von zwei Seiten.

  • Das macht Angst. Richtig Angst. Zumal ich da bei den Parteien im Bundestag wenig Engagement in Richtung Bürgerrechte sehe. Zu lange hat das unsinnige Thema Migration von den wirklich wichtigen Themen abgelenkt. Jetzt haben wir den Salat. Und solange sich die Parteien alle an der AfD als Feindbild abarbeiten, kann die radikale Mitte in Ruhe Bürgerrechte abschaffen. Eine absolut gefährliche Entwicklung.

  • Wie die TAZ schon mal schrieb, hin zum schlüsselfertigen Polizeistaat!



    Und die Terroristen haben letztlich erreicht was sie wollten, die Zerstörung der Freiheit und letztlich der Demokratie!