Proteste gegen scharfe Polizeigesetze: Von Entschärfung kaum eine Spur

Staatstrojaner und Polizeigewahrsam: NRW hat sein Polizeigesetz nur formal liberalisiert. Am Samstag wird in Düsseldorf und Hannover demonstriert.

Demonstranten rennen mit einem Banner gegen das geplante neue Polizeigesetz durch die Düsseldorfer Königsallee.

Schon im Juli hatten in Düsseldorf zahlreiche Menschen gegen das Polizeigesetz protestiert Foto: dpa

Düsseldorf taz | Trotz Nachbesserungen durch Nordrhein-Westfalens schwarz-gelbe Regierungskoalition ruft ein breites Bündnis für Samstag erneut zu einer Demonstration gegen das neue Landespolizeigesetz auf. „Taser-Einsatz, Kontaktverbote, Hausarrest bis hin zu wochenlangem Einsperren – das alles soll die Polizei allein aufgrund von Vermutungen tun können“, heißt es im Demo-Aufruf, der von Parteien wie Grünen und Linken, Globalisierungskritikern von Attac und Klimaschützern von Ende Gelände mitgetragen wird.

„Die Polizei darf künftig so früh so viel wie noch nie“, warnte Michèle Winkler vom Komitee für Grundrechte und Demokratie am Donnerstag in Düsseldorf. Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul will das neue Polizeigesetz am nächsten Mittwoch durch den Landtag bringen.

Nach massiven Protesten – im Juli waren in NRW fast 20.000 Menschen gegen mehr Überwachung auf die Straße gegangen – und heftiger Kritik von Opposition und Sachverständigen hatte er das Gesetz zuvor mit zwei Änderungsanträgen zumindest rhetorisch nachgebessert.

Verschwunden ist etwa der Begriff der „drohenden Gefahr“, der polizeiliches Eingreifen allein auf bloße Vermutung, ohne konkrete Verdachtsmomente möglich machen sollte. Auch der Unterbindungsgewahrsam, also die Festsetzung von BürgerInnen auf Polizeiwachen zur Verhinderung einer „unmittelbar bevorstehenden“ Straftat, soll formal nur noch zwei Wochen statt wie zunächst geplant vier Wochen betragen dürfen. Allerdings: Nach richterlicher Überprüfung sind noch immer zwei weitere Wochen Polizeigewahrsam denkbar.

Verfassungsrechtliche Bedenken

„Von Entschärfung des Polizeigesetzes kann keine Rede sein“, sagte deshalb die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Verena Schäffer, im Innenausschuss des Landtags. „Der Staat macht sich selbst zum Hacker“, kritisierte sie Gesetzespassagen, nach denen die Polizei Staatstrojaner in Computer oder Smartphones einschleusen darf, ohne dass Richter den Quellcode der Software kennen und damit die Arbeitsweise der Spionageprogramme verstehen können.

Die Grünen wollen zudem durch VerfassungsrechtlerInnen überprüfen lassen, ob BürgerInnen, wie in Minister Reuls Gesetzesentwurf vorgesehen, tatsächlich bis zu sieben Tage festgehalten werden dürfen, nur weil ihre Identität nicht geklärt werden kann – sie denken über einen Gang vor den nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof in Münster nach

„Mit dem neuen Gesetz verlagern sich die polizeilichen Befugnisse ins Gefahrenvorfeld“, erklärte Schäffer. „Für die Vorfeldbeobachtung ist aber nicht die Polizei, sondern der Verfassungsschutz zuständig.“

Alle außer Thüringen

Am kommenden Mittwoch werden die Grünen deshalb gegen das Gesetz stimmen. Unklar bleibt dagegen die Haltung der Sozialdemokraten: Endgültig festlegen will sich die SPD-Fraktion erst am Dienstag. Denn NRW steht nur stellvertretend für eine harte Linie, auf die sich fast alle Innenminister geeinigt haben: Außer in Thüringen sind Verschärfungen der Polizeigesetze in allen Bundesländern geplant oder bereits beschlossen.

Am Samstag wird deshalb auch in Hannover demonstriert; im von einer Großen Koalition unter SPD-Führung regierten Niedersachsen ruft ein breites Bündnis zu dem Protest auf.

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