Abgas-Manipulation bei VW: Der 9-Milliarden-Euro-Prozess startet
Hat Volkswagen die Aktionäre zu spät über den Dieselskandal informiert? Das muss das OLG Braunschweig nun klären.
Jetzt wird es ernst für VW. An diesem Montag hat der Prozess um die Klagen von VW-Anlegern begonnen, die sich durch den Dieselskandal und die mangelhafte VW-Informationspolitik geschädigt fühlen. Der Prozess kann den Konzern Milliarden kosten. Den VW-Käufern nutzt er voraussichtlich nichts.
Mehr als 1.500 Aktionäre haben beim Landgericht Braunschweig von VW Schadenersatz in Höhe von über 9 Milliarden Euro verlangt. Darunter sind auch institutionelle Kläger, zum Beispiel Aktienfonds. Das Landgericht hat die Verfahren im August 2016 ausgesetzt und eine Vorlage an das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig gemacht. Dort sollen in einem Musterverfahren (KapMuG-Verfahren) die grundlegenden Fragen geklärt werden.
Mit diesem Montag läuft am OLG Braunschweig nun dieses Musterfahren an. Dabei wurde die Fondsgesellschaft Deka Investment als Musterklägerin ausgewählt. Die Deka behauptet, sie habe 200 Millionen Euro verloren.
Deka wird von Andreas Tilp vertreten, einem bekannten Spezialisten für Kapitalmarktrecht. Er wirft VW vor, dass Informationspflichten verletzt wurden. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz muss eine Aktiengesellschaft unverzüglich alles mitteilen, was den Börsenkurs erheblich beeinflussen könnte. VW hat die Anlieger aber erst am 22. September 2015 informiert – kurz nachdem die US-Umweltbehörde offiziell bekannt gegeben hatte, dass VW manipulierte Motorsoftware nutzte, um strenge US-Abgasgrenzwerte einhalten zu können.
Prozess dürfte Jahre dauern
Doch wann entstand die Informationspflicht für VW? Das ist eine der entscheidenden Fragen dieses Verfahrens. Als die US-Behörden im Mai 2014 Ermittlungen aufnahmen? Als VW-Manager im Juli 2015 über mögliche Schadenersatzforderungen diskutierten? Als VW am 3. September die Rechtsverstöße gegenüber den US-Behörden einräumte? Kläger-Anwalt Tilp will mittlerweile sogar bis ins Jahr 2008 zurückgehen. Ab da sei klar gewesen, dass VW die Grenzwerte nur mit Betrug einhalten konnte.
Zweite wichtige Frage: Auf wessen Kenntnisse kommt es an? Muss nachgewiesen werden, was der damalige VW-Chef Martin Winterkorn wusste? Oder genügt es, dass andere verantwortliche Manager im Bilde waren?
Als Schaden gilt der Unterschied zwischen dem Aktienwert zum Zeitpunkt der Informationspflicht im Vergleich zum Aktienwert nach der offiziellen VW-Mitteilung am 22. September 2015. In wenigen Tagen sackte die Aktie damals von 162 Euro auf 106 Euro ab. Je früher der Zeitpunkt der Informationspflicht liegt, desto mehr Anleger könnten klagen und desto höhere Schadenersatzsummen sind möglich. Im April 2015 kostete eine VW-Aktie noch 250 Euro.
VW bestreitet, dass vor dem betreffenden Datum überhaupt eine Mitteilungspflicht bestand. Man habe nur mit Mehrkosten von rund 100 Millionen Euro gerechnet, das sei nicht kursrelevant gewesen. Der Prozess dürfte wegen der Komplexität einige Jahre dauern.
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