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Kommentar neue Regeln für KirchenasylBitte mehr christliche Großzügigkeit!

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Seehofer passt der Kirchenasyl-Höchststand nicht und hat die Vorgaben verschärft. Er sollte lieber für mehr christliche Großzügigkeit sorgen.

Koffer von Flüchtlingen liegen auf einer Kirchenbank in Hamburg Foto: dpa

D ie Zahl der Kirchenasyle in Deutschland steigt und steigt. Doch die Bewegung feiert keine Rekorde. Sie will nicht als Massenbewegung wahrgenommen werden. Das Kirchenasyl versteht sich vielmehr als humanitär bestimmte Ultima Ratio im Einzelfall. Nur so wird auch die allgemeine Akzeptanz des Kirchenasyls bestehen bleiben. Es hat schließlich keinerlei rechtliche Basis, sondern gründet nur auf dem Respekt vor dem religiös motivierten Engagement für Menschen in Bedrängnis.

Innenminister Seehofer passt der Höchststand beim Kirchenasyl dennoch nicht. Ihn stört, dass inzwischen 90 Prozent der Kirchenasyle eine Überstellung des Flüchtlings in ein anderes EU-Land verhindern. Die Kir­chen­asyle sind damit zusätzlicher Sand im Getriebe der für Deutschland eigentlich so günstigen Dublin-Flüchtlingsverteilungsregeln.

Deshalb hat Seehofer nun die Vorgaben fürs Kirchenasyl verschärft. Wenn ein Härtefall abgelehnt ist, muss der Betroffene 18 Monate (statt bisher sechs Monate) im Kirchenasyl ausharren, bis er ein Asylverfahren in Deutschland erhält. Diese Verdreifachung der Dauer wird die Zahl der Kir­chen­asyle sicher senken.

Erstaunlich ist, dass Seehofer die Neuregelung ganz im Stillen vornahm. In seinem „Masterplan Migration“ wird sie nicht einmal erwähnt. Vielleicht will er sich vor der Bayernwahl nicht allzu lautstark mit den Kirchen anlegen. Denn die Idee des Kirchenasyls ist in den Kirchen breit getragen. Da gibt es nicht nur politisierte Großstadtgemeinden, die regelmäßig Flüchtlinge vor der Abschiebung schützen. Häufig sind es auch Gemeinden auf dem Land, die aus dem persönlichen Kontakt mit einem Betroffenen und tiefem Unverständnis für staatliches Vorgehen renitent helfen.

80 Prozent der Härtefälle werden abgelehnt

Wichtig ist nun vor allem, wie sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verhält – wie häufig es von den Kirchen vorgetragene Härtefälle akzeptiert oder ablehnt. Vor ein paar Jahren hat es noch fast alle Härtefälle anerkannt, inzwischen werden 80 Prozent abgelehnt. Das sieht nach politischer Steuerung aus und hat schon unter Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière begonnen. Hier sollte Seehofer wieder für mehr christliche Großzügigkeit sorgen. Die „Akzeptanz“ des Kirchenasyls sollte sich nicht darin erschöpfen, dass auf Verhaftungen in Kirchenräumungen verzichtet wird. Auch das humanitäre Anliegen der Kirchengemeinden sollte wieder ernst genommen werden.

Seehofer könnte diese Großzügigkeit leichtfallen. Denn mit dem Sinken der Zahl der Flüchtlinge wird auch die Zahl der Kirchenasyle vermutlich ohnehin wieder abnehmen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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16 Kommentare

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  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Denn mit dem Sinken der Zahl der Flüchtlinge.."

    Seit 2015 war in jedem Monat die Zahl der Ankünfte höher als die Zahl der Abschiebungen. Die Zahl der Flüchtlinge im Land ist seit 2015 nie gesunken und sinkt auch jetzt nicht.

    Wieso soll dann mehr Spielraum sein?

    • @83492 (Profil gelöscht):

      ich verstehe das so, dass die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge sinkt. Im übrigen gibt es bekanntlich viele Gemeinden, die sich auf die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet hatten und - nun kommen gar keine. Die finanziellen Zuwendungen, mit denen sie gerechnet hatten, entfallen deshalb.

  • Es gibt doch gar kein Kirchenasyl in Deutschland, sondern nur eine symbolische Praxis ohne jeden rechtlichen Schutz.

    Es ist ein Modethema, das dann auch die Gemeinde mitmachen muss. Vor drei Jahren hat es funktioniert. Heute führt es nur noch zu Austritten, weil den Gläubigen das Politisieren ihrer Pfaffen zu übergriffig wird und die AfD immer mehr die Köpfe gewinnt.

    • @Ansgar Reb:

      Das Kirchenasyl hat bereits in einigen Fällen funktioniert, obwohl es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Also lohnt sich sein Fortbestand. Sollte der Staat übergriffiger werden, dann muss man eben neue Möglichkeiten finden, die Schutzsuchenden zu schützen. Dass es ein politisches Thema ist, ob Schutzbedürftigen geholfen wird, ist eine Schande für unser reiches Land, dass sich sehr viel mehr Flüchtlingshilfe leisten könnte. Ohne darüber zu diskutieren. Wenn Nächstenliebe eine Frage der Politik ist, dann ist die Kirche genötigt, sich zu politisieren, denn Nächstenliebe gehört im Christentum dazu. Man kann das Christentum selbstverständlich nicht darauf reduzieren, aber sie ist und bleibt ein großes Thema. Wer das nicht will, auf dessen Mitgliedschaft und Kirchensteuer sollte die Kirche mit Stolz verzichten.

    • @Ansgar Reb:

      Wer wegen des Kirchenasyls aus der Kirche austritt, war nie Christ, denn er hat nie das Wort Gottes vernommen. Über ihnen wird die Weissagung Jesaja's erfüllt, die da sagt: "Mit den Ohren werdet ihr hören, und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen, und werdet es nicht verstehen."

    • @Ansgar Reb:

      bisher habe ich noch keinen einzigen erlebt, der aus diesem Grund aus der Kirche ausgetreten ist. Wohl ein "fake news"...

      • @noevil:

        Warum fake news? Ich bin bereits unter dem EKD-Vorsitz von Prof. Huber aus der Kirche ausgetreten, weil sie mir zu politisch wurde. Und auch heute noch ist die Politisierung insb. der ev. Kirche einer der Hauptgründe, weshalb Leute austreten.

        • @Minga:

          Nun, die Angst vor Austritten kann weder moralisch, noch theologisch das maßgebliche Argument für das eigene Handeln sein.



          Der Vorwurf der Politisierung ist ohnehin ein vorgeschobenes Argument derjenigen Gläubigen, die einfach eine andere politische Position haben. Es ist nämlich mitnichten so, dass die Kirche früher unpolitischer gewesen wäre. Es ist nur so, dass die Kirche sich heute häufiger traut, gegen den politischen Mainstream und gegen die jeweilige Regierung Position zu beziehen und das stört halt einige Menschen in ihrer comfort zone, die sie als heiliger erachten als jegliche religiöse Grundsätze.

          • @njorg:

            Die evangelische Kirche hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich politisiert und ist dabei immer weiter nach links gewandert. Wenn Glaube und Politik in dieser Art vermischt werden, braucht sich die Kirche über immer mehr Austritte nicht wundern. Einer Vereinigung, die linke Politik betreibt (sei es eine Kirche oder eine Partei) werde ich nicht angehören.

            • @Minga:

              Nun, ich hab's geahnt. Ihr Problem ist nicht die von ihnen behauptete Politisierung der evangelischen Kirche, sondern ihre zunehmend linksliberale Ausrichtung.



              Nur ist die Kirche nicht mal wirklich links. Sie ist nur einfach nicht rechts.

              Dass die Kirche früher weniger politisch gewesen wäre, ist eine Illusion. Im Kaiserreich unterstand sie direkt dem Kaiser und wetterte fleißig gegen die bösen Sozialdemokraten. Den ersten Weltkrieg beweihräucherte sie (sinngemäß - den richtigen Weihrauch haben ja nur die Katholiken). Im 3. Reich ließ sie sich gleichschalten und predigte Hitler und Antijudaismus. In der DDR bildete sie eine kritische Parallelgesellschaft zum Unrechtsstaat, während sie in der BRD über Schuld im 2. Weltkrieg sprach und auch ansonsten fleißig das politische Geschehen kommentierte und Denkschriften auch politischen Inhalts veröffentlichte.

              • @njorg:

                Nun vereinfachen Sie mal nicht die Situation: Ein Großteil des kirchlichen Lebens im 3. Reich war tatsächlich irgendwas zwischen passiv und gleichgeschaltet, allerdings gab es auch Widerstand durch Kirchenleute, beispielsweise in der Bekennenden Kirche, einer Strömung des Protestantismus. Denen warf man natürlich auch vor, die Kirche übermäßig zu politisieren, während man Duckmäuser und Nazipfarrer ohne Widerworte gewähren ließ.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @Minga:

          Man spart ja auch noch Steuern, gell ?



          Und Geiz ist schliesslich geil hier



          bei uns ...

          • @60440 (Profil gelöscht):

            Wunderbar, in welchem Ton einige Menschen meinen, über Motive anderer urteilen zu können, die sie gar nicht kennen. Widerlich...

            • 6G
              60440 (Profil gelöscht)
              @Minga:

              Sie haben doch die Hauptmotivation der Austrittswilligen in der zunehmenden Politisierung der Kirchen gesehen. Ist das jetzt auch widerlich ?

  • Und dann darf sich Seehofer noch Christ nennen und Kreuze überall aufhängen.

    Meines Erachtens gehört er exkommuniziert (als ehemaliger Katholik würde meine Achtung vor dieser Kirche enorm steigen).

  • TU
    Test User , Autor Moderator ,
    Seehofer passt der Kirchenasyl-Höchststand nicht und hat die Vorgaben verschärft. Er sollte lieber für mehr christliche Großzügigkeit sorgen. [cms-article=5524553]