piwik no script img

Aus dem Ruder gelaufen

Erneuter martialischer Polizeieinsatz am Hafenrand sorgt für Unverständnis bei AnwohnerInnen

Die Polizei stelle junge schwarze Männer unter Generalverdacht kritisiert eine Anwohnerin der Hafenstraße

Von Kai von Appen

Da ist wohl etwas aus dem Ruder gelaufen. Anders lässt sich kaum erklären, dass die gut besetzte Pressestelle der Hamburger Polizei 24 Stunden braucht, um zu einem Bagatelleinsatz an der St. Pauli Hafenstraße schriftlich Stellung zu beziehen. Die Polizei hatte am Montag mit einem Großaufgebot versucht, einen mutmaßlichen Drogendealer zu fangen. Anwohner kommentierten den Einsatz als unverhältnismäßig und rassistisch.

An dem Morgen wollten Polizisten der Task Force Drogen einen Afrikaner nahe der Balduintreppe kontrollieren, der sich auf dem Weg zum Duschen in die ehemals besetzte Häuserzeile am Hafenrand befand. Die Grundlage dafür bildet das Hamburger Polizeigesetz zur Datenverarbeitung (PolDVG), das es der Polizei seit Ende 2016 gestattet, an „Gefahrenorten“ verdachtsunabhängige Kon­trollen durchzuführen.

Der Mann wehrte sich gegen die Überprüfung und brachte sich im Garten des oberhalb ,an der Bernhard-Nocht-Straße gelegenen Wohnprojekts „Plan B“ in Sicherheit. Die Polizisten orderten Verstärkung und im Nu war der Vorgarten fast zwei Stunden lang von einem Großaufgebot belagert.

Während der laut Beteiligten auf Entspannung bedachte Einsatzleiter mit den herbeigerufenen AnwältInnen über ein Ende verhandelte, soll plötzlich ein Zugführer gerufen haben. „Der haut ab – Zugriff!“ Daraufhin seien mehrere Polizisten über den Zaum gesprungen – das Tor zum Garten wurde aufgeflext.

„Formal“ sei das Vorgehen der Polizei legitimiert gewesen, räumt der Anwalt Lino Peters ein, der zugegen war. Denn die Polizei könne sich auf „Nacheile“ berufen, die staatliche Vertreter befugt, bei Verfolgung hoheitlicher Aufgaben Grenzen zu überschreiten – wie das Hausrecht. „Die Aktion, über den Zaun zu springen, war aber völlig überzogen – der wollte nur seine Jacke holen“, sagt Peters.

Dass es zu solchen Szenen kommt, liegt aus Sicht der Hafenstraßen-BewohnerInnen an der verfehlten Drogenpolitik des rot-grünen Senats. Die Polizei erzeuge ein unverhältnismäßiges Bedrohungsszenario. „Unter dem Vorwand, Drogenkriminalität zu bekämpfen, werden junge schwarze Männer unter einen Generalverdacht gestellt, erniedrigenden Kontrollen unterzogen und erleiden Polizeigewalt“, sagt eine Bewohnerin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen