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Kolumne Familie und GedönsIn der Vorstadt leben, nein danke

Kolumne
von Nadja Mitzkat

Ein Umzug steht an! Aber wohin? Die Vorstadt lockt mit Raum und Garten, aber dann drohen weite Wege und immer die gleiche Individualität.

Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt. Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt Foto: PxHere (Creative Commons CC0)

W ir ziehen um. Statt im Cossi zu planschen, werden wir unsere Füße bald im Alsterwasser kühlen. Es geht nach Hamburg. So viel steht fest. Doch wohin genau, wissen wir noch nicht. Mit dem Umzug stellt sich die Frage, wie wir eigentlich leben wollen, plötzlich noch einmal neu.

Auch in unserem Freundeskreis wird sie hitzig diskutiert. Während eine Gruppe plant, gemeinschaftlich ein Mehrfamilienhaus auszubauen, zieht es andere an den Stadtrand ins Eigenheim.

Ein eigener Garten wäre schon schön, denke ich, als wir zu Besuch bei meinen Schwieger­eltern in der Vorstadt sind. Ich genieße es, barfuß über den Rasen zu laufen, aus der Hängematte die Wolken zu beobachten, hier ein paar Himbeeren zu naschen, dort Kirschen zu pflücken.

Aber wie wäre es, würden wir hier dauerhaft wohnen? Ich mache einen Spaziergang. Während ich Haus um Haus passiere, begegne ich niemandem. Nicht mal ein Hund schlägt an. Nur ab und zu zwitschert ein Vogel, hallt ein Wortfetzen aus einem der durch die Häuser verborgenen Gärten.

Zäune sind wichtig!

Den Grundstücken sieht man das Streben ihrer Bewohner nach Individualität an. Doch in ihrer Summe ergeben sie nur die Wiederholung des Immergleichen: Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt. Zaun, Hecke, gepflasterte Auffahrt. Zaun …

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Überhaupt die Zäune. Sie scheinen mit der Vorstadt untrennbar verbunden, dienen als sichtbare Demarkationslinie des hart erarbeiteten Eigentums. Bis hierhin und nicht weiter! Unerbittlich grenzen sie den Gemeinschaftsraum vom eigenen und von dem des Nachbarn ab.

Wer Abstand möchte, der findet ihn hier. Man hat mehr Platz zum Leben als in der Stadt. Der Preis dafür sind weite Wege.

Die gesamte Topografie der Vorstadt ist darauf ausgelegt, von Autos befahren zu werden. Ab und an zieht eines an mir vorbei, um wenig später unter einen schützenden Carport zu rollen. Ich bleibe auch auf meinem Rückweg die einzige Fußgängerin.

Nein, dann doch lieber mitten hinein in die laute, volle, dreckige Großstadt.

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8 Kommentare

 / 
  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Sie ziehen nach Hamburg?

    Bitte, Frau Mitzkat, schreiben Sie auch einen Artikel über die Wohnungssuche in Hamburg und ob Sie die Wohnung ihrer Wahl gefunden haben.

    Und ganz wichtig, wie das funktioniert hat.

    Danke schon im voraus, für die Tipps :-)

  • Zitat: „Mit dem Umzug stellt sich die Frage, wie wir eigentlich leben wollen, plötzlich noch einmal neu.“

     

    Tja, so ist das halt: Wer die Wahl hat, der hat auch die Qual. Weil: Eine Wahl zu haben und dabei seine Augen aufzumachen bedeutet meistens, sich zwischen Pest und Cholera zu entscheiden.

     

    Wie man es macht, macht man‘s verkehrt. Kein Wunder, dass so viele Leute lieber keine Wahl haben. Sie kommen einfach nicht damit zurecht, in ihren Entscheidungen nicht so perfekt zu sein, wie manch einer (nicht nur) seinen Rasen liebt.

     

    Also Leute: Wie wollen wir leben? Perfekt oder zusammen? Wie bitte? Ihr müsst grade nicht umziehen? Ach! Na, also dann…!

  • Persönlich kann ich die Meinung des Autors nachvollziehen. Aber an einem Punkt möchte ich wiedersprechen: Den immer gleichen Aufbau (z.B. Haus, Garten, Zaun,...) finde ich auch in der Großstadt (z.B. Durchgang, Hof Vorderhaus, Durchgang, Hof Hinterhaus). Für mich lebt die Stadt vom vielseitigen Angebot, der Dichte, persönlicher Freiheiten und das immer wieder Austarieren des Miteinander.

     

    Ach ja: Hundescheiße ist kein Zeichen für das legitime ausleben individueller Bedürfnisse ;-)

  • Habe gerade aus dem Fenster geguckt und erschüttert festgestellt, dass ich ja einer dieser Vorsradtkonformisten bin, die sie zu Recht angesprochen haben. Hof gepflastert, Carport drauf, ich habe moralisch und äthetisch in meinem Leben alles falsch gemacht. Jetzt sitz ich hier in dieser Hölle, von der ich bis vor fünf Minuten gar nichts wusste und sehe mein bedeutungsloses Leben, dröge an mir vorüberziehen.

    Erst habe ich meine Karre im Schotter-Matsch geparkt, weil ich cool war, nein sorry, was belüge ich mich da selber, es fehlte Anfangs einfach das Geld für die Aussenanlagen. Als dann der Hof gepflastert war, fehlte mir schon etwas, dass die Kinderbande mit ihren Gummistiefeln die eigene Scholle nicht mehr bis unters Dach hinauftragen konnte. Dann hat mir ein Klimawandel erboster Hagel, den Hobel endgültig zerdeppert. Sollte ich mir dann wirklich so einen nicht-heterosexuellen Carport zulegen, um wieder eine Kfz-Versicherung zu bekommen und morgens im Winter nicht mehr kratzen zu müssen? Und was soll ich sagen, ich habe es getan, ich bin zum verachtenswerten Spiesser mutiert. Ich bitte hier weder um Vergebung, noch Mitleid. Mein Schicksal soll vielmehr Mahnung für Andere sein, es einmal besser zu machen! Flieht ihr Narren, solange ihr noch könnt!

    • @Weidle Stefan:

      Das tut mir wirklich sehr leid für sie. Es muss schrecklich sein in dieser Markisenhölle gefangen zu sein und immer zu hoffen, dass die Weltwirtschaft weiter die Zinsen nieder hält. Hoffentlich bringen sie ihre Kinder wenigstens in eine alternative Einrichtung!

    • @Weidle Stefan:

      "... so einen nicht-heterosexuellen Carport ..."

      Wow, ein Hinterwäldler mit fast politisch korrekter Ausdrucksweise.

      Üben Sie fleißig weiter und schon in wenigen Generationen werden auch die Ihren halbwegs sozialisiert sein.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        Ich muß gestehen, daß ich es nicht schaffe, das Original komplett aus meinem Wortschatz zu verbannen. Tennis z.B. mit den weißen Klamotten und dem Rumgetänzel ist für mich naSiewissenschon.

        "Bockhäßlich" @Automobilunterstellimmobilie träfe es wohl erstens besser, zumindest was die Billig-Dinger ausm Baumarkt angeht und zweitens, ja, bei ner versuchten schriftlichen Glosse (also der von Stefan) kann mensch nochmal sich selber lektorieren, bevor auf "Antworten" geklickt wird.

         

        @ Thema, es verlangt keine/r daß mensch sich seine paar qm um sein Häuschen mit Hecken zupflanzt und auch ein Rasen muß nicht alle zwei Wochen voll nazimäßig auf ein paar cm mit lauten Maschinen gemäht werden, da kann es auch "wilde Ecken" geben...

        • @Hugo:

          Nein, "Hugo", ich weiß nicht, was für Sie "naSiewissenschon" ist, da ich zu meiner großen Erleichterung nicht den "Herrenabenden" Ihres Kegelklubs in den letzten 6 Dekaden beiwohnen musste.

          Somit habe ich auch keine Kenntnisse über Ihr Repertoire an "Herrenwitzen" oder wie Ihr Weltbild aufgebaut ist.

          Nur so viel dazu:

          Nicht allein Ihre Wortwahl ist primitiv diskriminierend, sondern Ihre gesamte Einstellung.