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Fragwürdige Polizeitaktik bei G20-DemoDer Senat mauert

Waren vermummte Polizisten unter den „Welcome to Hell“-Demonstranten? Das wollte die Linke in einer Anfrage wissen, bekam vom Hamburger Senat aber keine Antwort.

Waren vermummte Zivilpolizisten bei der Welcome To Hell-Demonstration im schwarzen Block? Gute Frage, aber der Hamburger Senat schweigt Foto: dpa

HAMBURG taz | Haben vermummte Zivilpolizisten den Grund dafür geliefert, die „Welcome to Hell“-Demonstration gegen den G20-Gipfel vergangenen Sommer zu zerschlagen? Dieser Verdacht ist der Hintergrund einer Anfrage der Linken, die der Senat jetzt nicht beantwortet hat – zumindest nicht substanziell. Einer Beantwortung stehe die „Funktionsfähigkeit der Polizei als Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörde entgegen“, teilte der Senat mit.

Dass sich Beamte in Zivil unter die Demonstration mischten, hat der Senat bereits den Linken-Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir gegenüber eingeräumt. Dass sie sich vermummten, geht aus der Zeugenaussage eines Polizisten hervor, der sich verplapperte: Er gab vor Gericht an, dass er sich dunkle Kleidung angezogen und sich ein schwarzes Tuch „bis unter die Nase“ gezogen habe. Seine drei Kolleg*innen hätten sich ebenfalls vermummt, um im Schwarzen Block nicht weiter aufzufallen.

Problematisch ist das, weil die Vermummung von Demonstranten der Grund für die polizeiliche Einsatzleitung war, die Demo nicht loslaufen zu lassen – selbst nachdem viele Demonstranten sich entmummt hatten. Vermummung gilt als Straftat. Es ist also möglich, dass Polizeibeamte ihrer Führung die Begründung lieferten, mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Demonstranten vorzugehen.

Die Polizei bezeichnet diese Beamten als Tatbeobachter. Diese seien „ein taktisches Einsatzmittel der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten“, wie der Senat jetzt mitteilte. Sie werden in „lageangepasster Kleidung“ an Brennpunkten eingesetzt. Die Linke hatte wissen wollen, ob diese Tatbeobachter sich kurz vor der Demo umzogen, ob sie dunkel gekleidet waren, sich vermummten, Sonnenbrillen und Kapuzen trugen.

Das alles ließ die Behörde unbeantwortet, weil es „Rückschlüsse auf polizeitaktisches Vorgehen“ zulasse. Auch die Gretchenfrage blieb beantwortet: „Wie viele Tatbeobachter_innen haben sich, nachdem die Versammlungsteilnehmer_innen auf­gefordert wurden, die Vermummung abzulegen, entmummt?“

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3 Kommentare

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  • Jetzt könnte man natürlich auch fragen wie viele vermummte Zivis auf der Elbchaussee und Freitag in der Schanze bei dieser bekloppten Aktion waren. Braucht man aber auch nicht, denn man wird auch hier keine Antwort bekommen.

  • Die Beantwortung dieser Frage könnte die Bevölkerung verunsichern...

     

    Offenbar ist der Senat der Meinung, dass die Polizei hier quasi-konspirativ unterwegs sein muss und Informationen darüber ein Problem sein könnten - für den Senat und die Polizei, in erster Linie.

     

    Das vielsagende offizielle Schweigen hierzu wird, unabhängig von der tatsächlichen Lage, alle Kritiker nur darin bestärken, diese Vorfälle als zutreffend anzunehmen. Somit wird das ohnehin schwindende Vertrauen in Polizei und Behörden noch weiter abnehmen. Gut gemacht, Hamburg!

     

    Es gab dazu gestern oder so einen NDR-Fernsehbericht, in dem in einem Nebensatz Verwunderung darüber anklang, dass die Anwohner gar nicht so sehr auf die Randalierer sauer waren. Naja, wundert mich wenig. Die G20-Gipfel sind seit vielen Jahren von Gewalt begleitet. Das war auch in Hamburg sowohl bei den Behörden wie den Bewohnern sicherlich bekannt. Daher würde ich die "Schuld" auch bei den Veranstaltern suchen, die gewusst haben müssen, worauf sie sich da einlassen, und dieses Schaulaufen trotzdem durchgezogen haben - letztlich auf dem Rücken der Bürger, der Polizisten und der Demonstranten. Und wer da meint, der Staat dürfe sich nicht von "Randalierern erpressen lassen" o.ä. und das als Begründung nimmt, um trotz der drohenden Gefahr diese Veranstaltung durchzuziehen, handelt arrogant und im Sinne eines Obrigkeitsstaates. Ein demokratischer Rechtsstaat muss stets dafür sorgen, dass die Gefahren für die Allgemeinheit gering bleiben - das kann auch heißen, diesen Zirkus eben nicht mitten in einer Großstadt durchzuziehen, in der zu erwarten ist, dass es großangelegte und möglicherweise gewaltsame Proteste gibt.

  • Wer es noch nicht verstanden hat:

    Die meisten Medien machen hierbei eindeutig mit! Die anschließende „Aufarbeitung“ kommt bei den Menschen gar nicht an. Man kann sie sich folglich leisten.

     

    Ich kann nur dazu raten, bei Demonstrationen VERSTECKT mit einem Tele zu filmen (bspw. aus Wohnungen). Nehmt irgendeine Kleinbildkamera mit 16+ Zoom und 4K-Modus. Lasst euch nicht erwischen, sonst ist das Material weg.

     

    Hier, recht eindeutige Belege dafür, dass es fast immer so läuft, wenn es knallt:

    https://www.youtube.com/watch?v=TbLU9tdDwxo

    [G20 Toronto Police Agent Provocateurs in Video and Photos]

    https://www.youtube.com/watch?v=BI24WmshTC4

    [Agent Provocateur Demo Madrid 25.09.2012]

    https://www.youtube.com/watch?v=79Q5odNCQKU

    [How police Agent Provocateur frame people]

    https://www.youtube.com/watch?v=KkRjjvePbsE

    [Agent Provocateur at 26th of March London Demonstration]

    https://www.youtube.com/watch?v=xMzYUZkayRw

    [spanish police using agent provocateurs at protests]

    https://www.youtube.com/watch?v=YyhsY26PQmQ

    [Canadian Police Use Provocateurs to Incite Violence During Vancouver Olympic Protests]

    https://www.youtube.com/watch?v=KXYq_HslRW8

    [spanish police disguised provoking riots in peaceful demostration]

     

    ...