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Haushaltsentwurf unter BeschussDie seltsamen Zahlen des Olaf Scholz

Im Wahlkampf hat die SPD auf Investitionen gedrängt. Nun wird ausgerechnet dem SPD-Finanzminister vorgeworfen, diese herunterzufahren.

Olaf Scholz zeigt stolz seine Zahlen Foto: dpa

BERLIN taz | Einmal wird es beinahe etwas lustig. Olaf Scholz trägt seinen Haushaltsentwurf vor, betont nüchtern, leise Stimme, komplizierte Sätze. Dann hält er ein Blatt Papier mit einer Grafik hoch. Darauf ist zu sehen, wie von Jahr zu Jahr die Schuldenstandsquote sinkt. Kameras rasseln im Saal der Berliner Bundespressekonferenz, doch die Fotografen protestieren – Scholz hält sich die Grafik genau vors Gesicht. „Das Schaubild ist schöner als ich.“ Er grinst.

Wenn ein Finanzminister den Haushalt fürs nächste Jahr und seine Pläne für die kommenden Jahre vorstellt, geht es längst nicht nur um trockene Zahlen. Es geht um die Interpretation, den Anschein und die Geschichte. Scholz’ Geschichte lautet, kurz gesagt: Alles ist möglich. Mehr Investitionen in Bildung und sozialen Wohnungsbau sowie Hilfen für Familien und Kinder. Aber auch die schwarze Null, also das Festhalten am Etat, der ohne neue Schulden auskommt. Oder, wie Scholz es ausdrückt: „Eine – wie ich finde – runde Sache.“

Dabei hatte der Mittwoch für ihn schlecht begonnen. Zeitungen meldeten, dass der Bund seine öffentlichen Investitionen in den kommenden Jahren zurückfahre – ausgerechnet unter einem SPD-Finanzminister. Ein solcher Kurs wäre ziemlich peinlich. Schließlich hatte die SPD im Wahlkampf stets auf neue Milliardeninvestitionen gedrängt. In der Tat weist eine Tabelle in Scholz’ Haushaltsplanung seltsame Zahlen aus. 2017 investiert der Bund 34 Milliarden Euro pro Jahr. Die Zahl steigt bis auf 37,9 Milliarden Euro 2019 an, um dann deutlich zu fallen – bis auf 33,5 Milliarden Euro im Jahr 2022.

Scholz und sein Ministerium verteidigten sich gegen den Vorwurf, Investitionen zurückzufahren. Erstens greife ab 2021 eine Entflechtung der Bund-Länder-Beziehungen. Dann übernähmen die Länder Investitionen, die zuvor beim Bund als Ausgaben gebucht worden seien. Zweitens könnten manche Projekte der Koalition noch nicht als Investition verbucht werden, weil sie erst konkretisiert werden müssten – zum Beispiel das Ganztagsbetreuungsprogramm. Und drittens erhöhten sich die Investitionen in den nächsten Jahren durch Geld für den Breitbandausbau oder die Digitalisierung. „Es wird mehr investiert“, beharrte Scholz. Nur seien manche Investitionen eben nicht unter Investitionen verbucht.

„Das ist ein müdes ‚Weiter so‘“

Die Opposition kaufte Scholz diese Version nicht ab. Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler sagte, Scholz setze einfach die konservative Politik seines Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) fort. „Das ist ein müdes ‚Weiter so‘, aber kein Aufbruch, kein Politikwechsel im Finanzministerium.“ Der Rüstungsetat werde massiv aufgebläht, bei den Ausgaben für Frieden und Entwicklung werde der Rotstift angesetzt.

Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi nannte Scholz eine „Investi­tionsbremse“. Der Bundesfinanz­minister sei ein Sicherheitsrisiko für Brücken, Krankenhäuser und Universitäten. „Die Finanzplanung von Scholz ist im Interesse von Banken und Versicherungen, da sie öffentlich-private Partnerschaften wie bei den Autobahnen begünstigt.“ Das sei gut für private Renditen, aber teurer für die Steuerzahler.

Linken-Fraktions­vize Fabio De Masi nennt Scholz eine Investitionsbremse

Scholz war sogar im eigenen Kabinett mit Störfeuer konfrontiert. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) stimmten seinem Etatentwurf am Vormittag nur unter Vorbehalt zu. Sie formulierten eine kritische Protokollnotiz, in der sie weitere Mittel forderten (Text unten). Darauf angesprochen wich Scholz lieber aus. Man könne nur auf eine „gute Zukunft“ hoffen, damit Geld da sei.

Sowieso waren für ihn der Entwurf des Haushalts für 2018 und die Pläne bis 2022 eine heikle Mission. Die SPD hatte in Koalitionsverhandlungen darauf gepocht, das Finanzministerium zu bekommen – und dies als großen Erfolg gefeiert. Im Wahlkampf hatten Sozialdemokraten stets mehr Investitionen in Bildung, Soziales oder Verkehr gefordert. Auf das Europakapitel im Koalitionsvertrag, das ein solidarisches Verhalten Deutschlands in der EU verspricht, sind SPDler sehr stolz. Scholz, gleichzeitig Vizekanzler, muss also liefern, möglichst ohne die Union gegen sich aufzubringen.

Schwarze Null bis 2022

Die Grundlinie bleibt die gleiche wie bei Schäuble. Die schwarze Null will Scholz bis 2022 halten. Die Schuldenstandsquote soll im kommenden Jahr gemessen an der Wirtschaftsleistung unter die EU-Grenze von 60 Prozent und bis 2021 auf 53 Prozent sinken. Diese solide Politik sei im Interesse des Landes, sagte Scholz. Außerdem erhöhe sie die Kampffähigkeit des Staates in einer wirtschaftlichen Krise.

Scholz betonte dann, dass sein Entwurf die Vorstellungen der Regierung vollständig umsetze. Und er hob vor allem die sozialen Anliegen hervor, die der SPD wichtig sind. Junge Familien würden profitieren, versprach er. Die Regierung möchte das Kindergeld und den Kinderfreibetrag anheben. Das wichtigste Instrument gegen Kinderarmut soll die Erhöhung des Kinderzuschlages sein – eine gezielte Förderung für schlecht verdienende Familien mit Kindern. Scholz betonte, dass für die Entlastung beim Solidaritätszuschlag ab 2021 pro Jahr 10 Milliarden Euro geplant seien.

Außerdem lobte er, dass der Bund den Ländern 2020 und 2021 jeweils 1 Milliarde Euro für den so­zialen Wohnungsbau bereitstellt. Um den Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen, sind bis 2021 insgesamt 2 Milliarden Euro vorgesehen, etwa für das Baukindergeld.

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39 Kommentare

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  • Der erste Treffe bei Google zur Wirtschaftsentwicklung 2018: „2018 wird für Deutschland ein weiteres Boomjahr“ ?

    • @Rudolf Fissner:

      Das ist wahrscheinlich eine Seite, die vor allem für Kaptalbesitzer gedacht ist, nicht für diejenigen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um zu überleben.

      Die gehen immer davon aus, dass sie persönlich Deutschland sind.

      • @Age Krüger:

        Dann sagen Sie es doch gleich: Sie wollen gar keine Investitionen sondern höhere Sozialausgaben. Das ist aber wasganz anderes als das was im Artikel kritisiert wird.

        • @Rudolf Fissner:

          Für meinen persönlichen Lebensunterhalt reicht die notwendige Reinvestitionsquote vollständig aus.

           

          Sofern es noch Menschen gibt, denen ihr heutiger Lebensstandard nicht reicht, ist denen zu empfehlen, dass sie ausreichend Kapital besitzen müssen, um Investitionen zu tätigen. Das kann der Staat eventuell tatsächlich über Transferzahlungen erreichen. Einer aus meiner Familie hat jetzt auch wieder fast 100000 € nur auf Girokonten herumliegen, da können sicherlich sozial Benachteiligte besser was mit anfangen.

  • „Zeitungen meldeten, dass der Bund seine öffentlichen Investitionen in den kommenden Jahren zurückfahre – ausgerechnet unter einem SPD-Finanzminister.“

     

    Das ist doch klassische keynesianistische sozialdemokratische Wirtschaftspolitk: Die staatlichen Investoren hochfahren wenn es schlecht läuft und runter wenn die Wirtschaft brummt.

    • @Rudolf Fissner:

      Der Staat, hier Brücken, Umwelt, Schulen pp., ist voll im A... Antizyklisches Verhalten kann so ja gar nicht funktionieren.

    • @Rudolf Fissner:

      nur dass die Wirtschaft eben ncht brummt. Die Auslastung ist weit von der Vollauslastung entfernt, und wir sind selbst für das kleine Wchstum von riesigen Exportüberschüssen abhängig.

  • "Außerdem erhöhe sie die Kampffähigkeit des Staates in einer wirtschaftlichen Krise."

     

    Wir haben momentan eine soziale Krise in Deutschland und das betrifft nicht nur das Thema Wohnen. Eine Wirtschaftskrise gab es vor der Einführung von Agenda 2010; diese Krise ist längst vorbei.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Stefan Mustermann:

      Ein wichtiger Hinweis. Zustimmung!

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Wir waren schon damals nicht in einer Krise. Das Gequake vom kranken Mann Europas war und ist NAIRU.

  • "Man könne nur auf eine „gute Zukunft“ hoffen, damit Geld da sei."

     

    In den USA funktioniert das ganz anders. Das Geld ist immer da... wird irgend wie "gestempelt".

    • @Stefan Mustermann:

      Die USA hat auch eine eigene Währung.

      Wir nicht.

  • "Die Zahl steigt bis auf 37,9 Milliarden Euro 2019 an, um dann deutlich zu fallen – bis auf 33,5 Milliarden Euro im Jahr 2022."

     

    Der Haushaltsplan sollte angepasst werden. Es kann sein, dass nach der Bundestagswahl 2021 eine andere Partei die Verantwortung für den Haushaltsplan haben wird. Man weiss ja aus heutiger Sicht nicht, wer ab 2021 im Bund weiter regieren wird.

  • Wir lernen, eine Null ist nicht (länger) Schwarz, sondern Rot.

  • Olaf Scholz - im Nachhinein wäre man froh, er hätte nur die Vorurteile bestätigt...

  • Seit Mitte der 90er Jahre schwankt hierzulande die öffentliche Nettoinvestitionsquote (% vom BIP) zwischen -0,2 und +0,1%. In den 80er lag die Quote bei etwa 1%, davor bei etwa 2%.

    Nun, Hauptsache wir sind Exportweltmeister. Dazu braucht man kein Schwimmbad und die paar Schlaglöcher stören auch nicht.

  • Der Depp soll nicht "entlasten", sondern das Geld investieren. Sonst sind wir in ein paar Jahren weg vom Fenster. Wann begreift man im Finanzministerium, dass kluge Investitionen Geld einbringen? Unterlassene Investitionen kosten langfristig richtig Geld.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Richtig, die Invetitionen steigern die Produktivität, und dadmit die Fähigkeit auch für eine erhöhte Anzahl von älteren Menschen einen Lebensabend zu finanzieren.

       

      Für Leistungen des Staates gibt es die Bezahlung in Form von Steuern. Ohne Leistungen sieht niemand die Zahlung von Steuern ein.

       

      Dagegen schadet der Sparwahn, da die Infrastruktur verfällt, deutsche Waren im Ausland nur gegen Kredite gekauft werden, und manche Staaten (USA) sich anfangen gegen die Exporte zu Lasten der einheimischen Industrie zu wehren.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Was ist an 50 Milliarden staatlichen Zinszahlungen pro Jahr in Deutschland produktiv?

      • @Rudolf Fissner:

        Nichts. Also warum sollte man dann "entlasten"?

         

        Kluge Investitionen steigern langfristig die Einnahmen. Dann braucht man auch weniger Kredite.

      • @Rudolf Fissner:

        Einfaches Besipiel:

        Firma kostet 1000€ bei 1% Zinsen.

        Firma erwirtschaftet 500€ Gewinn.

         

        Es bleiben 490€ nach Abzug der Zinsen.

        Was ist daran nicht produktiv?

        • @Martin_25:

          Die Zinsen sind bei „1%“

           

          Was fehlen sind die entsprechend ausgebildeten Angestellen. Die bekommt die Firma nich. Investition in die Firma in den Sand gesetzt.

           

          Und in Bildung wird investiert.

          • @Rudolf Fissner:

            Aber längst nicht genug. D ist auf einem der letzten Plätze unter den Industriestaaten. Nach den derzeitigen Plänen bleibt das auch so.

          • @Rudolf Fissner:

            "Was fehlen sind die entsprechend ausgebildeten Angestellen."

             

            Echt jetzt? Fragen Sie jemanden nach Anzahl der Bewerbungen auf jede solche Stelle...

            • @agerwiese:

              Welche Stellen? Bei Handwerkern, Pflegeberufen, Lehrern .... siehts mau aus.

              • @Rudolf Fissner:

                Sorry, die Bereiche, die Sie genannt haben, sind nicht gerade klassische Investitionsbereiche und darum ging es im Vorposting.

              • @Rudolf Fissner:

                Wird für diese Berufe keine Qualifikation benötigt?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Na wo soll das Geld denn herkommen?

      Der Gag ist doch, das die Schuldenbremse Gesetz ist, die Verfügbaren Mittel weitgehend verplant sind und keiner Steuern erhöhen mag.

      Richtig lustig wirds wenn die Zinsen mal wieder anziehen, jedes % kostet ca. 20 mrd.... was hier passiert ist im wesentlichen Insolvenzverschleppung

      • @Alex24:

        Die Schuldenbremse ist eine selbstgedrehte Galgenschnur.

        Nur weil unterstellt wird, der Staat könnte nicht wirtschaften beschneidet er die Möglichkeit zur sinnvollen Gestaltung des Haushalts.

         

        Das Problem ist, dass die Menschen, die es am wenigsten benötigen immer weiter entlastet werden, in der Hoffnung sie würden aus reiner Nächstenliebe ihren Mitmenschen helfen, und den Staat unterstützen. Das gegenteil ist der Fall. Je mehr sie entlastet wurden umso selbstverständlicher stecken sie die Millionen als "Eigenen Verdienst" ein.

        • @Martin_25:

          Sie meinen nicht Menschen , sondern im Wesentlichen Unternehmen...

        • @Martin_25:

          Wieso kann man mit 341 Milliarden nicht vernünftig wirtschaften können?

           

          Darunter 12 Milliarden mehr Ausgaben für Soziales bei boomender Wirtschaft. Das ist doch eher das Gegenteil von ihrem Gegenteil.

          • @Rudolf Fissner:

            "Darunter 12 Milliarden mehr Ausgaben für Soziales..."

             

            Mal abgesehen davon, dass die Bezeichnung "sozial" sehr weit gefasst ist. Es soll nicht verteilt, sonder investiert werden. Ein riesiger Unterschied.

  • „Im Wahlkampf hat die SPD auf Investitionen gedrängt. Nun wird ausgerechnet dem SPD-Finanzminister vorgeworfen, diese herunterzufahren.“

     

    Ja wie jetzt? Hätte Scholz pro forma halber vorher erst noch zur CDU wechseln sollen?

    • @Rainer B.:

      Es wid doch investiert. In gewissen Bereichen auch mehr. Wo ist der es ihnen zu wenig?

       

      Und Investitionen um der Investionen willen, zielos mit dem Geld um sich werfen wie Graf Koks, dass hat die SPD nie gefordert.

      • @Rudolf Fissner:

        Mal Zahlen parat?

        • @agerwiese:

          12 Milliarden mehr für Soziales 2018.

          • @Rudolf Fissner:

            Investitionen? Lesen sie bitte eigene Vorpostings.

      • @Rudolf Fissner:

        Wir haben einen Investitionsstau bei Erhaltungsinvestitionen von mehr als 150 Mrd € nur beim Bund. So und dann vergleichen Sie mal mit der Planung.

         

        Da wird nicht gefordert investitionen um der Investitionen durchzuführen, sondern die kostengünstigere öffentliche Finanzierung von Infrastrukturprojekten.